27.04.2024

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Ostpreussische Ortsnamen

Namen, die oft seltsam klingen

Endungen auf „-au“, „-keim“ oder „-lauken“ – Was diese Silben über die Geschichte von Städten und Dörfern verraten

Wolfgang Kaufmann
19.03.2024

Abschermeningken, Ballamutowen, Christoplacken, Faltianken, Kuglacken, Okrongeln, Quittainen, Schaltischledimmen, Uszpiaunehlen, Zielkeim – ostpreußische Ortschaften trugen oft seltsam anmutende Namen. Das resultierte aus dem Umstand, dass der baltische Volksstamm der Prußen in der Region lebte, bevor er unter die Herrschaft des Deutschen Ordens geriet.

Dabei deuten die Endungen der Ortsnamen auf das unterschiedliche Alter der prußischen Siedlungen hin. Ehemalige Niederlassungen der Prußen mit Wehrcharakter und besonders langer Geschichte erhielten später vielfach Namen, die mit „au“ endeten, wie beispielsweise Battau, Damerau, Tapiau und Wehlau. Etwas jüngere Siedlungen mit reinem Dorfcharakter wurden dahingegen auf Namen getauft, an deren Ende die Silbe „keim“ oder „kiem“ stand – abgeleitet von altprußisch „Kaimas“ für „Dorf“. Das galt unter anderem für Bönkeim, Godekeim und Spulkiem. Dazu kamen noch später entstandene prußische Ortschaften mit der Namensendung „lauken“ oder „lacken“ von altprußisch „Acker“ oder „Feld“ sowie „nicken“ für „Ort“. Als Beispiele hierfür seien Ditlacken, Gedelauken, Korklauken, Taberlauken, Garbnicken und Palmnicken genannt.

Hinweis auf Siedlungen und Landschaften
Typisch prußisch war zudem der Brauch, Silben wie „itten“ und „aiken/uiken“ anzuhängen, die entweder als Verkleinerungsform dienten oder auf prußische Sippennamen hinwiesen, so wie im Falle von Oblitten, Kusitten, Fiugaiken und Perkuiken. Darüber hinaus leiteten sich manche ostpreußische Ortsnamen auch von prußischen Einzelpersonen ab. Beinigkehmen wurde nach dem prußisch-schalauischen Edelmann Beiningh benannt, Darethen nach dem Altprußen Doroth und Gerdauen nach dem Stammeshäuptling Girdawe, dessen Name auf das prußische „girdin“ zurückging, was sich mit „Wort halten“ übersetzen lässt.

Ansonsten beruhten etliche Benennungen von Siedlungen in Ostpreußen auf den prußischen Bezeichnungen für Elemente der damaligen Landschaft im Umkreis der Ortschaften. Das galt unter anderem für Akmenischken, Goldap, Löbenicht, Lyck und Quednau. Hier standen folgende prußische Wörter Pate: „Akmenis“ für „Stein“ oder „Felsen“, „Gudde“ für „Gebüsch“, „Loba“ für „Tal“, „Luka“ für „Teichrose“ und „Kweita“ für „Blume“.

Als weitere Beispiele können Cranz sowie Ragnit dienen. Cranz basierte auf prußisch „Krantas“ (Strand oder Küste) und Ragnit auf „Ragas“ (Landzunge). Hinzu kamen Ortsnamen, welche die Stimmung widerspiegeln sollten, die von der umliegenden Natur ausging. So war Juditten eine Abschleifung des prußischen Wortes „Juodas“, zu Deutsch in etwa „finster“, während Bialla auf dem prußischen „Gailis“ für „weiß oder hell“ beruhte. Charakteristisch war darüber hinaus der Name von Tapiau. Darin steckte das prußische „Tape“, also „Wärme“.

Oftmals stellten die Ortsnamen auch Kombinationen prußischer Begriffe dar wie im Falle von Stallupönen, Darkehmen oder Mehlsack. Stallupönen leitete sich von „Stalas“ (aufgerichteter Stein) und „Upe“ (Fluss) ab und bezeichnete ursprünglich eine Kultstätte an einem Fließgewässer. Darkehmen war die Zusammensetzung von „Dargis“ (Regen) und „Kaimas“ (Dorf), das heißt, hier wurde auf das Wetter im Bereich der Siedlung angespielt. Und das eigentlich recht deutsch klingende Mehlsack ging aus dem kryptisch anmutenden prußischen „Malcekuke“, zu Deutsch „Gehölz der Unterirdischen“, hervor.

Es gab auch Beispiele für die Aneinanderreihung prußischer und deutscher Wörter. Hierzu zählten unter anderem Nemmersdorf („Nemiršele“ stand für eine Sumpfpflanze), Riesenburg („Reisen“ oder „Resia“ war ein Teil des prußischen Gaues Pomesanien) und Sensburg („Sena“ oder „Senas“ lässt sich mit „alt“ beziehungsweise „altertümlich“ übersetzen). Insofern zeugen Endungen wie „-dorf“, „-burg“, „-bach“, „-wiese“, „-see“, „-berg“ keineswegs automatisch von einer Gründung des Deutschen Ordens.

Andere seltsam klingende Bezeichnungen für Dörfer und Städte in Ostpreußen hatten hingegen keine prußischen, sondern litausche oder kurische Wurzeln, so wie Dawillen (von kurisch „Schenkung“), Pillkallen (von litauisch „Pilkalnis“ für „Grabhügel“ oder „Burgberg“) und Nimmersatt (eine Kombination aus dem kurischen Namen Nemira und dem Wort „Seta“, also „Hof“). Dazu kamen Entlehnungen aus dem Polnischen: So ging Jendreyken auf den Ortsgründer Jędrzej zurück und Zinschen auf das polnische Wort für Mietzins.

Prußische und polnische Wurzeln
Und manchmal kann man auch von einem Kuriosum sprechen, wie im Falle von Liebstadt. Im 14. Jahrhundert soll der Ritter Heinrich von Liebenzell bei der Jagd auf einen besonders großen Hirsch gestoßen sein, woraufhin er das Revier der Überlieferung nach mit folgenden Worten pries: „Welch liebliche Statt!“ Damit stand angeblich der Name der später hier gegründeten Siedlung fest.

Auf jeden Fall widerspiegelten die Ortsnamen in Ostpreußen nicht nur die deutsche Kolonisation der Region, sondern auch deren tiefer in die Vergangenheit zurückreichende Geschichte, für die es vielfach keine weiteren Quellen als eben die Bezeichnung der Siedlungen gibt.


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