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Geopolitik

NATO strebt Dominanz in der Arktis an

Das Europäische Parlament kritisiert hingegen einseitig das Vorgehen Russlands

Wolfgang Kaufmann
13.05.2022

Unter Hinweis auf den russischen Einmarsch in die Ukraine hat die NATO eine stärkere Präsenz in der Arktis angekündigt. Dabei ist das transatlantische Bündnis schon seit Längeren in der Region präsent. So hat sich die Zahl der NATO-Militärmanöver im Hohen Norden in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt, wobei zunehmend auch Länder teilnahmen, die nicht zu den Arktis-Anrainern gehören. Parallel hierzu erließ der US-Kongress am 24. Juni 2021 den Arctic Security Initiative Act. Darin heißt es unter anderem: „Beharrliche Bemühungen des Verteidigungsministeriums, die Streitkräfte der Vereinigten Staaten in der Arktis neu auszurichten und zusätzliche Mittel für die Arktis zu binden und Investitionen in die Arktis zu erhöhen, sind notwendig, um ein robustes Engagement der Vereinigten Staaten für die Arktis aufrechtzuerhalten.“

EU im Fahrwasser der NATO

Das Ziel des Ganzen ergibt sich aus einem Strategiepapier der Army, in dem offen gefordert wird: „Die Dominanz in der Arktis zurückgewinnen“ (Regaining Arctic Dominance). Hierzu wurde am 16. April vergangenen Jahres ein Abkommen mit Norwegen über die Errichtung von vier US-Militärstützpunkten in dem skandinavischen Land geschlossen. Dies begründete der norwegische Verteidigungsminister Odd Roger Enoksen, der kurz darauf wegen seiner sexuellen Beziehung zu einer Schülerin zurücktreten musste, mit den Worten: Die NATO müsse ihre „Präsenz im Hohen Norden ausweiten“. Ähnlich forsche Aussagen kamen in letzter Zeit aus Großbritannien und Kanada.

Die Europäische Union scheint nun ebenfalls nach der Arktis greifen zu wollen, obwohl sie bislang weder zu den Mitgliedern des Arktischen Rates gehört noch über einen Beobachterstatus dort verfügt. Von den diesbezüglichen Ambitionen der EU zeugt insbesondere die am 7. Oktober 2021 verabschiedete Resolution des EU-Parlaments mit dem Titel „Die Arktis: Chancen, Bedenken und Sicherheitsanforderungen“. In dieser wird die strategische und politische Bedeutung der Region für die EU sowie auch das Interesse der Gemeinschaft an der Nutzung der arktischen Ressourcen betont. Der Beschluss des US-Kongresses und die Aktivitäten der NATO finden zwar Erwähnung, aber nicht etwa aus einer kritischen Perspektive.

Ganz anders äußerte sich das EU-Parlament hingegen zu Russland. Mit 506 zu 36 Stimmen nahm es bei 140 Enthaltungen eine Resolution an, der zufolge die Russische Föderation „die Souveränität und territoriale Integrität seiner friedlichen Nachbarstaaten verletzt hat, gegen die Freiheit der Schifffahrt im Asowschen Meer, im Schwarzen Meer und in der Ostsee verstößt, was bei der Bewertung künftiger Szenarien für die Aufrechterhaltung der derzeitigen friedlichen Koexistenz in der Arktis nicht außer Acht gelassen werden darf“. Darüber hinaus wird die angebliche Remilitarisierung der Arktis durch Russland beklagt. Es sei „zu vermehrten Manövern, Truppenstationierungen, Patrouillen und Investitionen in die militärischen Fähigkeiten im Arktisraum“ gekommen. Und dies widerspreche dem Geist der Zusammenarbeit in der Arktis, bei der Maßnahmen gegen den Klimawandel sowie zum Schutz der Umwelt und der indigenen Bevölkerung im Norden im Mittelpunkt stehen sollten.

SWP entlastet Russland

Für die Annahme der Resolution stimmten auch deutsche Abgeordnete wie der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU/EVP), seit Januar 2017 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments.

Damit ignorierten sie jedoch die Ergebnisse einer Studie der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die unter anderem den Bundestag und die Bundesregierung berät und zu den renommiertesten deutschen Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik gehört. Das Papier kommt zu der Einschätzung, dass das russische Vorgehen in der Arktis „prinzipiell defensiv ausgerichtet“ sei. Durch das zunehmende Abschmelzen des Eises im Hohen Norden erhalte Russland „gewissermaßen neue Außengrenzen, die es vor einem potentiellen Aggressor zu schützen gilt“, denn „der Rückgang des Eises eröffnet ... eine neue Angriffsfront“. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit, nach 1990 aufgegebene Stützpunkte zu reaktivieren und zusätzliche Marine- und Luftwaffeneinheiten in die Arktis zu verlegen. Des Weiteren erfüllten die russischen Streitkräfte im Bereich der Nordgrenze des Landes aber auch eine Reihe von eigentlich zivilen Aufgaben, wozu beispielsweise die Seenotrettung gehöre. Daraus schlussfolgert die SWP: „Die zunehmende militärische Präsenz muss also kein Anzeichen für ein expansives Vorgehen sein.“


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