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Ausgangspunkt eines Mangels, der sich längst durch die gesamte Gesellschaft zieht: Die Schule
Bild: action pressAusgangspunkt eines Mangels, der sich längst durch die gesamte Gesellschaft zieht: Die Schule

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Nichts geht mehr

Burghard Gieseler
07.02.2025

Jeder kann es jeden Tag an jedem Ort erleben: Züge fahren scheinbar nach Belieben, Straßen sind nicht befahrbar und Brücken stürzen ein, während sich die Wirtschaft insgesamt im freien Fall befindet. Gleichzeitig ist die Abwehrbereitschaft Deutschlands nach außen nicht gegeben und auch im Inneren kann der Staat die Sicherheit seiner Bürger nicht mehr gewährleisten. Die Deutschen fragen sich besorgt, warum das, was einmal gut funktionierte, nun nicht mehr funktioniert.

Mangel an Führungskräften
Natürlich dürften hierfür unterschiedliche Gründe in Frage kommen. Aber ein wesentlicher Grund – wenn nicht gar der wichtigste – liegt vermutlich darin, dass es auf allen gesellschaftlichen Ebenen an hinreichend qualifizierten Führungspersönlichkeiten fehlt. Das gilt übrigens auch für die Wirtschaft, wie die zunehmenden Fälle von schwerem Missmanagement deutlich zeigen.

Auch für den Mangel an kompetenten Führungskräften dürfte es mehrere Gründe geben: Bekanntlich ist bei der Besetzung von Führungspositionen allzu oft nicht mehr die Qualifikation ausschlaggebend, sondern sachfremde Gesichtspunkte wie die politische Einstellung oder das Geschlecht. Es gibt bereits die Forderung, auch die Hautfarbe und die sexuelle Orientierung als Kriterien zu berücksichtigen und hierfür feste Quoten vorzusehen. Wohin das führt, zeigen exemplarisch zwei Personalien der letzten Jahre: Erst das Denken in Quoten hat es möglich gemacht, dass Christine Lambrecht Bundesverteidigungsministerin und Claudia Roth Kulturstaatsministerin werden konnten.

Allerdings ist es fraglich, ob überhaupt genügend Führungspersönlichkeiten vorhanden wären, wenn Spitzenposten fortan nur noch nach Qualifikation besetzt würden. Denn Persönlichkeiten, die in der Lage sind, Verantwortung zu tragen und die nicht darauf warten, dass ihnen jemand sagt, was zu tun ist, die selbstständig denken und entscheiden, die zu ihren Entscheidungen stehen und entsprechend handeln, wobei sie auch bereit sind, ein persönliches Risiko auf sich zu nehmen – solche Persönlichkeiten sind rar (geworden).

Nicht jede Generation bringt Führungspersönlichkeiten im gleichen Maß hervor. Das hängt davon ab, wie sehr sie in ihrer jeweiligen Zeit gebraucht werden. In Notzeiten sind vertrauenswürdige Persönlichkeiten, die unerschrocken vorangehen, für andere Menschen geradezu überlebenswichtig. Helmut Schmidt war beispielsweise ein Politiker, dessen Charakter in schweren Notzeiten geprägt worden war. In der Sturmflut von 1962 fragte er dann als Hamburger Senator der Polizeibehörde nicht danach, was erlaubt war, sondern tat das, was getan werden musste. In Zeiten allgemeinen Wohlstandes hingegen werden offenbar weniger Führungspersönlichkeiten geprägt, weshalb sie in der gegenwärtigen Lage auch fehlen.

Neben der Generationenfrage scheinen aber auch längerfristige Fehlentwicklungen in der Bildungspolitik für den Mangel an Führungspersönlichkeiten ursächlich zu sein.

Natürlich lassen sich auch für den Bildungsabbau, der sich seit der 68er-Zeit in der Bundesrepublik – außer in Bayern – vollzogen hat, verschiedene Gründe anführen. Zuvörderst wäre hier die systematische Abwertung des Leistungsgedankens zu nennen, die in den letzten Jahrzehnten in unserem Bildungssystem um sich gegriffen hat. Leistung und Anstrengungsbereitschaft einzufordern ist inzwischen an vielen Schulen geradezu verpönt. Es gilt als inhuman, schlechte Leistungen ehrlich als solche zu benennen und entsprechend zu bewerten.

Nivellierung von Leistung
Inhuman ist aber in Wirklichkeit die beschönigende Nivellierung der Leistungsbewertung und der Verzicht darauf, Leistungsbereitschaft einzufordern. Denn (fast) jeder Mensch weiß doch, wie beglückend es ist, wenn man ein langersehntes Ziel, für das man hart gearbeitet hat, schließlich erreicht hat. Besonders augenfällig sind diese Glücksmomente im Sport. Wer sich hingegen keine Ziele setzt und nicht bereit ist, sich für diese anzustrengen, dem entgehen solche Glücksmomente und er lebt sein Leben ziel- und antriebslos. Deshalb bringt man junge Menschen ein Stück weit um ihre Lebensqualität, wenn man von ihnen keine Leistungsbereitschaft einfordert. Gleichzeitig muss man ihnen natürlich auch vermitteln, dass das Leben keineswegs nur aus Leistung besteht und dass Anspannung auch Entspannung braucht.

Eine weitere Fehlentwicklung, die wesentlich zum Bildungsabbau und damit auch zum Mangel an Führungspersönlichkeiten beigetragen hat, ist die vor zirka zwei Jahrzehnten einsetzende Einengung des Bildungsbegriffes durch die sogenannte Kompetenzorientierung. Aus den Lehrplänen vieler Unterrichtsfächer wurden die Inhalte weitgehend entfernt und durch methodische Kompetenzen ersetzt. Damit trat auch das Ziel der Persönlichkeitsbildung in den Hintergrund. Denn die Persönlichkeit entfaltet sich nicht beim Erlernen methodischer Fertigkeiten (wie dem Erstellen einer PowerPoint Präsentation), sondern in der Auseinandersetzung mit (bedeutsamen) Inhalten. Vorrangiges Ziel eines derart eingeengten Bildungsbegriffes war nun nicht mehr die selbstständig denkende und verantwortungsbewusste Persönlichkeit, sondern ein funktionierender Mensch, der tut, was von ihm erwartet wird. Und in der Tat erleben wir in der öffentlichen Diskussion ein bisher nicht gekanntes Maß an Konformismus. Querdenker sind nicht mehr gefragt.

Keine Besserung in Sicht
Obwohl die Folgen des Bildungsabbaus längst an allen Ecken und Enden zu sehen sind, geht er munter weiter. So beabsichtigt beispielsweise die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne), die Klausuren in der gymnasialen Oberstufe weitgehend abzuschaffen und auch auf die durchaus bewährte wissenschaftspropädeutische Facharbeit künftig zu verzichten. Letzteres wird damit begründet, dass die Täuschungsmöglichkeiten durch die „Künstliche Intelligenz“ (KI) zu groß geworden seien. Ein Scheinargument. Denn bei der mündlichen Präsentation dürfte sich schnell zeigen, ob getäuscht wurde.

Auf die „Künstliche Intelligenz“ (KI) berief sich unlängst auch der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann (Grüne), als er die zweite Fremdsprache am Gymnasium kurzerhand für entbehrlich erklärte: „Das brauchen wir heute nicht mehr. Ich stecke mir einen Knopf ins Ohr und mein Telefon übersetzt – egal ob mein gegenüber Spanisch, Polnisch oder Kisuaheli spricht.“ Zugegeben, in der KI liegen durchaus Chancen, da sie unser Leben – und auch Lernprozesse – unterstützend begleiten und erleichtern kann. Aber sie birgt auch große Gefahren, wenn wir auf das eigenständige Erlernen elementaren Wissens verzichten und das selbstständige Denken an sie abtreten.

Die Voraussetzung und zugleich Grundlage des demokratischen Rechtsstaates ist die innerlich freie und verantwortungsbewusste Persönlichkeit. Sie muss das höchste und letzte Ziel der Bildungspolitik sein. Dann werden auch wieder ausreichend qualifizierte Führungspersönlichkeiten zur Verfügung stehen.

Burghard Gieseler war von 2004 bis 2014 Landesvorsitzender des Niedersächsischen Altphilologenverbandes sowie von 2016 bis 2024 Vorsitzender der Kreisgemeinschaft Osterode Ostpreußen e.V.


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