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Energiewende

„Nichts ist ‚grün‘ bei den Wind-zu-Wasserstoff-Projekten“

Deutschland rüstet sich für den Import großer Mengen „grüner“ Energieträger. Aber in den Exportländern wächst an der Basis der ökologische Widerstand

Dagmar Jestrzemski
23.07.2024

Der neue Chef des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg e.V., Ulfert Cornelius, spricht von einem „Transitionsprozess“ des Hamburger Hafens. Auf einem großflächigen Terminal kommen neue Industrieanlagen für Import, Aufbereitung und Weitertransport von „klimafreundlichen Energieprodukten“ in die Genehmigungsphase. Der US-Industriegasproduzent Air Products und das Hamburger Energieunternehmen Mabanaft investierten bis Januar 2023 bereits eine Milliarde Euro in den Aufbau von Verarbeitungsindustrien und einer Vertriebsinfrastruktur für „grünen Wasserstoff“ und „grünes Ammoniak“.

„Grüner Wasserstoff“ und sein Trägermedium Ammoniak sollen an rund einem Dutzend Standorten im Ausland mit Unmengen von Strom aus Wind- und Solarenergie produziert werden. In flüssiger Form soll das Ammoniak laut Planung ab 2027 mit großen Tankschiffen aus Saudi-Arabien zum Hamburger Hafen befördert werden. Dort erfolgt in einer Crackeranlage die Aufspaltung des Ammoniaks in die Bestandteile Wasserstoff und Stickstoff. Bis 2030 entsteht laut Cornelius ein Bedarf von etwa acht Millionen Tonnen Wasserstoff und 40 Millionen Tonnen Ammoniak. Der Import müsse dann über mehrere Häfen abgewickelt werden.

Widerstand in Kanada
Dabei wird erstaunlicherweise ausgeblendet, mit wie vielen Risiken die Wasserstoffstrategie behaftet ist. So wurden sämtliche seit 2022 geschlossenen Wasserstoffabkommen zwischen Deutschland und rund einem Dutzend Partnerländern überwiegend im globalen Süden von den Eliten dieser Länder vereinbart. Man hatte vorausgesetzt, dass sich die Einwohner vor Ort in Afrika, Lateinamerika und Kanada in das über sie verhängte Schicksal fügen und den Bau der gewaltigen Wind- und Solarparks hinnehmen würden. Doch das ist nicht der Fall.

Als Folge des deutsch-kanadischen Wasserstoffabkommens Port-au-Port/Stephenville müssten im Südwesten Neufundlands auf der kleinen Halbinsel Port-au-Port und im benachbarten Codroy Valley zwei Windparks mit 150 beziehungsweise 160 200-Meter-Windrädern errichtet werden. Am 9. Juni hatte das Umweltministerium der Provinz Neufundland/Labrador die Genehmigung des Projektes bekannt gegeben. In einem offenen Brief an die provinziale Regierung fordern jetzt die Mitglieder des Vereins Environmental Transparency Committee Port-au-Port (ETC) die Rücknahme der Genehmigung. Laut ETC wurde die Umweltprüfung trotz gravierender Fehler und Lücken als ausreichend bewertet. Zudem sei das Vorhaben zwischenzeitlich um 150 Windräder im Codroy Valley aufgestockt worden. Es habe keine Kommunikation zwischen der Regierung und den Einwohnern gegeben, darunter Angehörige der Qalipu First Nation. Damit verstoße die Regierung gegen das Minderheitengesetz.

Die Regierung müsse außerdem ihre Politik der Fördermittelvergabe ändern, von denen im vorliegenden Fall das Konsortium WEGH2 enorm profitieren würde. „Nichts ist ‚grün' bei den Wind-zu-Wasserstoff-Projekten. Sie sind nur möglich durch Zerstörung von Land, Gewässern und Gemeinschaften.“ Die Regierung habe kein Mandat für Umweltfrevel auf dem Kronland Neufundlands. Wörtlich heißt es: „Wir sind Kanarienvögel in der Kohlemine. Wir singen laut. Werden wir zu weiteren Aktionen gezwungen sein, mit hoffentlich legalen Mitteln?“

Widerstand in Namibia
Auch in Namibia hält der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen das deutsch-namibische Wasserstoffprojekt „Hyphen Hydrogen Energy“ an. Laut einem aktuellen Bericht von hydrogeninsight.org äußern die im Dachverband Namibian Chamber of Environment (NCE) organisierten Umweltschützer öffentlich „Wut auf die deutsche Regierung“, weil diese das Drei-Gigawatt-Wasserstoffprojekt im streng geschützten Tsau-Khaeb-Naturreservat stark fördere.

Der Plan, dort gigantische Sieben-Gigawatt-Wind- und -Solarparks zu errichten, um „grünen“ Strom für die Wasserstoff- und Ammoniakproduktion bereitzustellen, sei „moralisch falsch“. Aus dem ehemaligen Sperrgebiet an der Atlantikküste soll ab 2027 Ammoniak auf dem Seeweg nach Deutschland exportiert werden. Der Tsau-Khaeb-Nationalpark ist ökologisch so wertvoll, dass dort nicht einmal Öko-Tourismus gestattet ist. Es sei davon auszugehen, dass die Industrialisierung den global wichtigen Biodiversitäts-Hotspot mit seinen zahlreichen seltenen Pflanzen und Tieren vernichten würde.

Desgleichen prangert die unabhängige Denkfabrik Transnational Institute (TNI) die Wasserstoff-Projekte reicher Nationen wie Deutschland in Afrika an. Sie geht der Frage nach: „Wer profitiert vom Grüne-Energien-Rausch?“ Diese Industrien würden internationalen Investoren öffentliche Gelder in die Tasche spülen, während die Gemeinschaften vor Ort durch die Ausbeutung ihrer Lebensräume schwerste Beeinträchtigungen zu erleiden hätten.


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