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Parteienlandschaft

Niedersachsen setzt die Liberalen unter Zugzwang

Nach der Landtagswahl steht die FDP vor der Frage, ob sie sich wieder stärker an ihren Grundwerten orientieren – oder in der Regierung untergehen will

Hans Heckel
12.10.2022

Lieber gar nicht regieren, als falsch regieren“, so lautete die Losung, mit der Christian Lindner im November 2017 den Einstieg in eine Koalition mit Angela Merkels Union und den Grünen ablehnte. Daran wird der FDP-Chef nun landauf, landab erinnert. Das Vertrauen der Deutschen in die Berliner Ampel ist im Sturzflug begriffen, und die FDP bekam dafür in Niedersachsen die brutale Quittung.

Eine an Panik grenzende Nervosität hat die Führungsriege der Liberalen daraufhin ergriffen, in die sich große Ratlosigkeit mischt. Nur neun Jahre nach dem historischen Rauswurf aus dem Deutschen Bundestag 2013 steht den Freidemokraten abermals die Möglichkeit ihres Untergangs vor Augen.

Woher rührt der massive Vertrauensverlust? Nun, alle liberalen Beteuerungen, die Partei der soliden Staatsfinanzen, der Wirtschaft und des Mittelstandes zu sein, die sich dem Schutz des Privateigentums verschrieben hat, zerschellen an der Realität. Diese besteht aus ausufernder Verschuldung, einer völlig gescheiterten Energiepolitik, welche Wirtschaft und Mittelstand in eine Krise treibt, wie sie diese Republik noch nicht gesehen hat, sowie dem tödlichen Zangenangriff von Inflation und Niedrigzins, in dem die privaten Vermögenswerte zerrieben werden.

Eigentlich böte eine derartige Pro-blemlage für eine liberale, marktwirtschaftliche Partei eine Riesenchance. So wie Millionen zusätzliche Wähler 2011 nach Fukushima an eine Kompetenz der Grünen glaubten, könnte die enorme wirtschaftspolitische Herausforderung unserer Tage einer klassischen Wirtschaftspartei massiven Zulauf schenken.

Dass das Gegenteil geschieht, hat nicht nur damit zu tun, dass die FDP in einer Koalition steckt, die ideologieverstockt Fehler auf Fehler stapelt. Es hat auch mit dem vielfachen Versagen der Freidemokraten in der Vergangenheit zu tun.

Sünden der Vergangenheit

So wurde der beschleunigte Atomausstieg 2011 beschlossen, als die Liberalen mit der Union in der Regierung saßen. Dieser energiepolitische Sündenfall entpuppt sich heute als Katastrophe für die deutsche Wirtschaft und die Privathaushalte. Und sogar gegen massive innerparteiliche Widerstände paukte die FDP-Führung seinerzeit alle „Rettungs-“, sprich: Aufweichungsmaßnahmen im Euro-System durch, die nunmehr in beängstigender Wucht und Geschwindigkeit ihre inflationäre Zerstörungskraft entblößen. In der Asyl- und Einwanderungspolitik erschien die Partei immer wieder, als sei sie weder Fisch noch Fleisch – wechselnd zwischen linksliberaler Naivität und einem wenig glaubhaft wirkenden Pochen auf das Einhalten rechtsstaatlicher Prinzipien bei der Behandlung illegaler Einreisen.

So gelang und gelingt es der Lindner-Partei nicht einmal, sich gegen eine programmatisch weitestgehend ausgehöhlte Union zu profilieren – nach dem Eintritt in die Ampel schon gar nicht mehr. Hinter dieser Misere lugt (wie bei der Union) vor allem eine inhaltliche Beliebigkeit hervor. Vor Jahrzehnten noch zeigte die FDP durch alle Krisen hindurch einen weltanschaulichen Kompass, der ihr beispielsweise 1982 den Weg aus der Koalition mit einer nach links kippenden SPD wies. Von einer beispiellosen linken Rachepropaganda, zahllosen Parteiaustritten und Umfragewerten von zwei Prozent niedergedrückt wurde die Partei bei den Wahlen 1983 dennoch mit dem Wiedereinzug in den Bundestag belohnt.

Heute hingegen sind die Liberalen von einer selbst verursachten Orientierungslosigkeit gezeichnet. Zu sehr hat man sich seit der Ära Westerwelle eher von Moden, Medien und Umfragen leiten lassen als von eigenen Überzeugungen. Damit hat Lindners Truppe nicht nur eigene Chancen versemmelt. Die tiefe Verunsicherung der Freidemokraten dürfte nun auch in der Ampel deutlich spürbar werden. Angesichts grünlinker Unbelehrbarkeit, die dort immer noch Regie führt, ist da jetzt alles denkbar. Auch ein plötzlicher Bruch des Regierungsbündnisses.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 14.10.22, 13:26 Uhr

Es pfeifen die Spatzen vom Dach, was Wolfgang Schäuble vor Jahren sagte, daß wir überhaupt nichts bestimmen dürfen, weil wir nicht souverän sind. Wie bekommen verschiedene Uniformen für den Lokomotivführer zur Auswahl, die Gleise wurden seit 1945 von anderen gelegt. Als letzte technische Errungenschaft durften wir die Magnetschwebebahn verschenken. Meine Familie wählt schon lange nicht mehr. Früher waren die Politdarsteller noch irgendwie glaubwürdig, einen Scholz interessiert nicht, daß 2 Bücher seine Kungeleien mit der Warburg Bank offenlegen. Scham oder Gewissen kennen die alle nicht mehr, bestes Beispiel ist die von Ihnen erwähnte Lindner-Hochzeit.

Jürgen Schmidt am 13.10.22, 07:28 Uhr

Sie haben das Offensichtliche der FDP Misere klar herausgearbeitet. Es sollte nicht vergessen werden, dass bei der letzten Bundestagswahl viele deswegen die Partei gewählt haben, weil sie a) sich von der CDU überhaupt nichts mehr versprechen, und b) in der Hoffnung. dass die FDP in einer solchen Regierung das Schlimmste verhindert. Was die CDU anbelangt, hat der Wähler recht behalten (man braucht sich nur Merz anzuschauen) und b sind die Wähler voll enttäuscht worden. Es gibt also keinen Grund mehr, FDP zu wählen. Auf der Peinlichkeitsskala unserer Regierung stehen Habeck, Scholz und Lindner stolz in einer Reihe, wozu Lindner auch noch mit seiner Groß0kotzhochzeit einen tragenden Beitrag geliefert hat. Wen also noch wählen?? Man kann nur hoffen, dass die einzige Oppositionspartei zu ihren bürgerlichen Wurzeln zurückfindet und bekannten Rabauken loskriegt.

Chris Benthe am 12.10.22, 19:40 Uhr

Die Krise der FDP ist symptomatisch für die Krise der deutschen Politik. Es zeigt sich jetzt, nach Jahrzehnten falsch gestellter Weichen, dass grundsätzlich etwas geändert werden muss. Das ist mit dem aktuellen Personal nicht mehr zu bewältigen. Auf ALLEN Ebenen staatspolitischen Handelns ist Versagen zu verzeichnen. Der Höhenflug der Grünen ändert nichts daran, dass das Vertrauen des Bürgers in die Politik dramatisch schwindet. Die rasant wachsende Gruppe der Nichtwähler spricht eine deutliche, beängstigende Sprache. Die Auswirkungen des Totalversagens kommen jetzt in den Wohnstuben an, und dabei hat die Katastrophe noch nicht einmal angefangen. Erst ab dem nächsten Jahr wird die Krise so richtig durchschlagen. Dem Wähler dämmert allmählich, dass die FDP nicht das "Backup" des Protestes sein kann. Der Wähler ist herausgefordert, neu zu denken und sein Wahlverhalten zu ändern. Die FDP taugt nicht als Gelegenheitsalternative, Protestsignal oder als Korrektiv. Ab 2023 werden wir eine gespenstische Erosion des letzten Vertrauens in die althergebrachte Politik erleben. Die einen werden den Wahlen fernbleiben - was noch verhängnisvoller ist - die anderen werden die einzige noch verbliebene Opposition wählen. Am Ende werden auch die Grünen völlig entzaubert dastehen, und das nachhaltig. Wir stehen an einer Zeitenwende, die keinen Stein auf dem anderen stehen lassen wird. Es ist die fundamentale Krise der europäischen Selbstbehauptung, nicht mehr und nicht weniger. Das begreifen die aktuellen Machteliten nicht. Und das wird ihr Untergang sein.

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