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Die rätselhaften Todesfälle unter den Entdeckern und Besuchern des Grabes von Tutanchamun versetzten die Welt vor hundert Jahren in Aufregung. Doch selbst heute gehen Forscher weiter dem Phänomen nach
Am 16. Februar 1923 öffnete der britische Ägyptologe Howard Carter in Anwesenheit seines Finanziers, des fünften Earl of Carnarvon, George Herbert, und 23 weiterer Zeugen die bislang unversehrte Grabkammer des altägyptischen Pharao Tutanchamun, der von etwa 1332 bis 1323 v. Chr. regiert hatte. Wenige Wochen später, am 5. April 1923, starb Lord Carnarvon in Kairo im Alter von 56 Jahren an den Folgen einer Blutvergiftung und Lungenentzündung.
Der Todesfall verursachte ein Medienecho sondergleichen, wobei immer wieder auch vom „Fluch des Pharao“ die Rede war. Mitverantwortlich hierfür zeichnete die Schriftstellerin Jane Webb Loudon. Denn deren Roman „The Mummy“ schürte die Angst vor den geheimnisvollen Kräften der alten Ägypter. Dazu kam dann ein Interview der „Morning Post“ mit Arthur Conan Doyle, dem Erfinder der Figur des Sherlock Holmes. Doyle spekulierte über „etwas elementar Böses“ in der Grabkammer, das Carnarvon getötet haben könnte. Eine wichtige Rolle spielte darüber hinaus die alsbald verschollene Fluchtafel aus dem Vorraum der Gruft, auf der gestanden haben soll: „Der Tod wird auf schnellen Schwingen zu demjenigen kommen, der die Ruhe des Pharao stört.“
Und tatsächlich registrierte man in der Folgezeit weitere Sterbefälle im Kreis der Personen, die bei der Graböffnung dabei gewesen waren oder die Kammer in der Zeit danach betraten. So erlag der US-amerikanische Millionär und Freund Carnarvons, George Jay Gould, am 16. Mai 1923 einer Lungenentzündung, die ihn im Anschluss an seinen Aufenthalt in der Gruft ereilte. Im Folgejahr traf es den kanadischen Literaturwissenschaftler Gardian La Fleur und den britischen Arzt Archibald Douglas Reid. La Fleur starb zwei Tage nach der Besichtigung des Grabes und Reid nach der Untersuchung der Mumie des Tutanchamun.
Gefährliche Pilze in Verdacht
Weitere Todesfälle ereigneten sich zwischen Ende 1925 und 1928. Diesmal waren die Opfer Carnarvons Halbbruder Aubrey Herbert, der beim Öffnen des Sarkophags zugesehen hatte, der Chefkonservator des Pariser Louvre, Georges Bénédite, dessen Ableben im engen zeitlichen Zusammenhang mit einem Besuch der Grabkammer erfolgte, und Arthur Mace, Howard Carters rechte Hand. Insgesamt soll der „Fluch des Pharao“ um die 20 Menschen hinweggerafft haben.
Bei der Diskussion über die konkrete Ursache standen zunächst Gifte und Viren oder Bakterien im Mittelpunkt. So meinte der Schriftsteller Algernon Blackwood, einige Gegenstände aus der Gruft, welche Carnarvon besonders intensiv berührt habe, seien wohl irgendwie kontaminiert gewesen. Conan Doyle wiederum brachte „verheerende Strahlen“ ins Spiel – eine Idee, welche der Atomphysiker Louis Bulgarini 1949 wieder aufgriff. 1962 vermutete der Biologe Ezzedin Taha von der Universität Kairo hingegen, dass Schimmelpilze der Gattung Aspergillus die Krankheits- und Todesfälle nach der Öffnung der Kammer ausgelöst haben könnten. Tatsächlich wiesen Forscher solche Pilze, die vor allem für Menschen mit Lungenerkrankungen oder einem geschädigten Immunsystem gefährlich sind, in den letzten Jahren in verschiedenen neu entdeckten, bislang fest verschlossenen historischen Grabstätten nach.
Dahingegen scheint die Theorie von den Viren und Bakterien in keiner Weise haltbar zu sein. Die klarsten Aussagen hierzu traf jetzt Piers Mitchell, der Direktor des Ancient Parasite Laboratory der Universität Cambridge im Interview mit dem Wissenschaftsmagazin „Live Science“: Im alten Ägypten seien zwar gefährliche Infektionskrankheiten wie die Pocken, Tuberkulose und Lepra umgegangen, jedoch hätten deren Erreger niemals mehrere Jahrhunderte oder gar Jahrtausende zu überdauern vermocht. Denn die DNA-Stränge der Viren und Bakterien zerfielen außerhalb eines lebenden Organismus relativ schnell: „Statt schöner, langer, gesunder DNA-Ketten bestehen sie nur aus etwa 50 bis 100 Basenpaaren. Es ist, als wäre alles zerhackt worden ... Wenn die DNA einmal auseinandergebrochen ist, kann nichts mehr lebensfähig sein – nichts wacht auf.“ Sofern man also zehn Jahre warte, „ist alles tot“.
Conan Doyle könnte recht haben
Die einzige Ausnahme, so Mitchell, seien parasitäre Darmwürmer, von denen es zur Pharaonenzeit etliche Arten gegeben habe, aber auch deren Eier verfügten nicht über die Fähigkeit, mehr als 3000 Jahre zu überleben und dann Menschen krank zu machen – zumal die Symptome von Personen wie Carnarvon ohnehin nicht auf einen Wurmbefall hindeuteten.
Zweifel am realen Hintergrund des „Fluchs des Pharao“ äußerten auch der deutsche Ägyptologe Georg Steindorff und dessen US-amerikanischer Fachkollege Herbert Winlock – und das schon 1933/34. Beide wiesen zu Recht darauf hin, dass fast alle „Opfer“ des „Fluchs“ an Vorerkrankungen litten. Im Jahre 2002 unterzog der Mediziner Mark Nelson von der australischen Monash University das Team von Carter dann einer statistischen Analyse, indem er die Gruppe, welche an der Öffnung der Grabkammer und des Sarkophags beteiligt gewesen war, mit der Kohorte derer verglich, die während dieser beiden Aktionen fehlten.
Dabei fand Nelson keine bedeutsamen Unterschiede beim Sterbealter der Mitglieder beider Gruppen. Vielmehr erreichten etliche der Personen, die an der Störung der Totenruhe des Tutanchamun mitgewirkt hatten, ein hohes Alter von bis zu 84 Jahren. Selbst die Zentralfigur Carter übertraf die damalige durchschnittliche Lebenserwartung eines Engländers noch um drei Jahre.
Dennoch wurde der „Fluch des Pharao“ mit den Erkenntnissen von Mitchell und Nelson nicht ad acta gelegt. Das resultiert aus einer aktuellen Veröffentlichung von Ross Fellowes im „Journal of Scientific Exploration“ vom April dieses Jahres. Darin verweist der Arzt auf die – möglicherweise durch Radon-Gas verursachten – „ungewöhnlich hohen Strahlungswerte in den Ruinen des Alten Reiches“ sowie die auffallend hohe Inzidenz von Knochen-, Blut- und Lymphknotenkrebs unter der ägyptischen Bevölkerung im Umkreis der Pharaonen-Bauten. Somit könnte sich die Vermutung von Arthur Conan Doyle am Ende vielleicht doch als richtig erweisen.