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Königsberger Gebiet

Nordostpreußen als Freilichtmuseum

Die Freiwilligenbewegung „ruin keepers“ soll eine Route entlang von Kirchenruinen im Gebiet erarbeiten

Bodo Bost
28.06.2023

Die Freiwilligen von der Bewegung „ruin keepers“ (Hüter der Ruinen) wollen mit dem Projekt „Gotischer Ring“ einen Rundweg durch das Königsberger Gebiet ausbauen. Für sie ist das gesamte Königsberger Gebiet ein Freilicht-Museum, weil es sich mit seinem deutschen Kulturerbe fundamental von anderen Regionen der Russischen Föderation unterscheidet. Es wird noch geprüft, welche Möglichkeiten es gibt, Ruinengebäude auf der Route des „Gotischen Rings“ zu erhalten und eventuell aufzuwerten. Die Ruinen selbst gelten als interessante Objekte, auch wenn sie nicht restauriert werden.

Der regionale Minister für Kultur und Tourismus, Andrej Jermak, erzählte RIA „Baltic Plus“, dass das Jahr 2022 für die Region erfolgreich war, was die Suche nach Investoren für die Kulturerbestätten angeht. Dies gilt beispielsweise für die Burg Preußisch-Eylau, für die in den letzten zehn Jahren kein neuer Eigentümer gefunden wurde, und das Schicksal des Bahnhofsgebäudes in Georgenswalde [Otradnoje], einem Ortsteil von Rauschen [Swetlogorsk], sowie für die dortigen Kirchen St. Barbara und St. Jakob.

Jermak sagte nicht, wann der neue Rundweg in Betrieb genommen werden soll. Wie „RBC-Kaliningrad“ schrieb, wird laut dem Minister für Kultur und Tourismus die Burg Tapiau eine der Top-Sehenswürdigkeiten sein. Nicht weniger aktuell wird der Komplex der ehemaligen Bierbrauerei Ponarth bei Ragnit sein. Für die Saison werden die Investoren den Komplex in neuem Glanz erstrahlen lassen, was ihn noch attraktiver machen wird.

Wassilij Plitin, Leiter der Initiative „ruin keepers“, stellte in der Wissenschaftlichen Regionalbibliothek Königsberg die touristische Route „Gotischer Ring“ vor und sagte in einem Gespräch mit „Nowyj Kaliningrad“, dass sich das Projekt erst im Entwicklungsstadium befinde. Um die Erkundung und Pflege des historischen Erbes zu erleichtern, soll das Gebiet in mehrere Zonen aufgeteilt werden, die durch historische und geografische Prinzipien miteinander verbunden sind. Innerhalb jeder Zone wird es konzeptionelle Routen geben, welche die Ästhetik von Ruinen, verlassenen und bewohnten Stätten, lokalen Unternehmen und natürlichen Orten kombinieren und damit aufwerten sollen. Plitin berichtete auch über das Konzept des Königsberger Gebiets als großes Freilichtmuseum, dessen Schwerpunkt die vielen Kirchenruinen seien.

Ästhetik des Verfalls
1945 gab es im nördlichen Teil Ostpreußens etwa 250 Kirchen. Sehr viele deutsche Gotteshäuser wurden danach entweder zerstört oder anderen Nutzzwecken zugeführt. Seit 1989 wurden der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) viele solcher Kirchen übergeben. Die wichtigsten von ihnen befinden sich in Insterburg, Heinrichswalde, Friedland, Rauschen und Cranz. Im Jahr 2010 wurden mehrere Dutzende weitere Immobilien an die ROK übertragen. Ähnliche Prozesse fanden auch in diesem Jahr statt. Während wenige Kirchen des Königsberger Gebietes restauriert wurden, verfielen andere, weil sie sich weder für die Gesellschaft noch für den Staat als nützlich erwiesen. Die Vergangenheit kann nicht zurückgebracht werden. Diese Kirchen werden, ob man will oder nicht, in einem Zustand der Ruine bleiben.

Für viele Einheimische sind sie nicht einmal Ruinen, sondern eine Art „Verlassenheit“, die sie entweder als Steinbruch oder als Mülldeponie nutzen. Aber viele Menschen haben erkannt, dass etwas getan werden musste. Deshalb war im Jahr 2020 die Bewegung „ruin keepers“ entstanden. Diese Bewegung will nicht die Ruinen, die in der Region verstreut sind, aufbauen, sondern sie als Ruinen schützen, indem man sie säubert und freilegt.

Die „ruin keepers“ sind die mit Abstand größte ehrenamtliche Organisation, die sich in der Region um das historische Erbe kümmert. Für diese Bewegung ist das Königsberger Gebiet im Prinzip ein Land der Ruinen. Die Bewegung möchte, dass der Name Ruine seine negative Konnotation als etwas Unvollendetes verliert. Die Menschen sollten vielmehr stolz sein, dass es so viele Ruinen gibt.

Begriff Ruinen positiv deuten
In diesem Jahr hat die Bewegung ein neues Konzept entwickelt, wie die Region als Ganzes wahrgenommen werden kann. So entstand die Idee eines Freilichtmuseums für die gesamte Region. Der „Gotische Ring“, der nicht die Form eines Rings hat, sondern als Rundweg gedacht ist, soll die einzelnen Stationen des Freilichtmuseums verbinden. Zu ihm gehören Ruinen und andere Objekte, die auf dem Weg liegen. Dazu können auch verlassene Fabriken, Gehöfte oder Fabriken gehören.

Die ganze Vielfalt des einstigen Prußenlandes, sei es christlich oder heidnisch, soll durch den „Gotischen Ring“ revitalisiert werden und in eine kulturelle Reiseroute aufgenommen werden.


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Kommentare

Svetlana Kolbaneva am 01.07.23, 13:16 Uhr

Sehr geehrte Redaktion, großes Lob und besten Dank für die Publikation über die "Hüter der Ruinen", eine der erfolgreichsten Freiwilligen-Initiativen der letzten Jahre. Ich möchte nur noch auf einen kleinen Fehler hinweisen, nämlich "Nicht weniger aktuell wird der Komplex der ehemaligen Bierbrauerei Ponarth bei Ragnit sein. .." Die Bierbrauerei Ponarth (keineswegs ehemalig, denn dort wurde und wird nach wie vor Bier gebraut) steht nicht bei Ragnit am Fluß Memel, sondern im Süden von Kaliningrad, ehem. Vorort Ponarth (heute Moskowskij Stadtbezirk). In Ragnit (heute heisst die Stadt Neman) befindet sich die Burg, die ebenfalls von "Ruin Keepers" unterstützt wird - der dortige Geschäftsmann Iwan Artjukh hat sich der Burg angenommen und baut sie auf, sie ist jetzt schon eines der schönsten Reiseziele geworden, nicht zuletzt dank seiner Käserei "Tilsit - Ragnit", wo natürlich auch der berühmte Tilsiter Käse wieder hergestellt wird.

Ihnen nochmals herzlichen Dank für Ihre wertvolle Arbeit! Mit sonnigen Grüßen von der Ostsee, Svetlana Kolbaneva

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