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Erneuerbare Energien

Öko-Kolonialismus ohne schlechtes Gewissen

Deutschlands Auslagerung der Gewinnung „grünen“ Stroms nach Lateinamerika hätte dort schwere ökologische und auch soziale Folgen

Dagmar Jestrzemski
21.02.2023

Als sich chinesische Konzerne vor einigen Jahren in Afrika große Agrarflächen zum eigenen Feldbau sicherten, war das Schlagwort „Landgrabbing“ in aller Munde. Bereits 2004 machte die „taz“ mit dem Titel „Eure erneuerbare Energie ist Öko-Kolonialismus“ ein Thema bekannt, das in Lateinamerika und Afrika heute mehr denn je Brisanz hat. Am Beispiel von Chile wird das damit verbundene Unrecht deutlich.

Missachtung der Indogenen

Der chilenische Staat vergab Nutzungsrechte an Wasser, Land und Rohstoffen an private Unternehmen und in der Elektrizitätswirtschaft an sogenannte Independent Power Producers (IPP). Diese Konsortien aus zumeist europäischen und nordamerikanischen Investoren errichten Wind- und Solarparks oftmals auf Ländereien, die ursprünglich der überwiegend indigenen Bevölkerung gehörten. Menschenrechte und der Naturschutz werden dabei missachtet, Widerständige eingeschüchtert und durch Morddrohungen zum Schweigen gebracht. Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gab 2021 bekannt, dass in Chile Projekte mit insgesamt mehr als 47 Gigawatt (GW) installierter Kapazität für „grünen“ Strom genehmigt wurden, darunter etwa 30 GW für Photovoltaik und fast 14 GW für Windkraftvorhaben. Deutsche Firmen erhoffen sich davon weitere Beteiligungsmöglichkeiten und Lieferchancen.

Heute hüten sich die „taz“ und andere Medien, den Begriff Öko-Kolonialismus und seinen fatalen Hintergrund wiederaufleben zu lassen. Soll doch um jeden Preis vermieden werden, dass hierzulande die katastrophalen Umstände der angeblich umweltschonenden Technologien zur Erzeugung von „grünem“ Strom und Wasserstoff auf anderen Kontinenten bekannt werden und Diskussionen auslösen. Jüngst wollte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch der Länder Brasilien, Argentinien und Chile deren Präsidenten seinen „Klimaclub“ schmackhaft machen. Damit verbunden sind Vorhaben für Wind- und Solarparks in den drei Ländern zur Produktion von „grüner“ Energie für den Export nach Deutschland.

Dürre durch Windparks

Natürlich sind der Kanzler und sein Energieminister Robert Habeck über die massiven Menschenrechtsverstöße und die Umweltverschmutzung informiert, die in Lateinamerika in Verbindung mit dem Bergbau, dem wasserverschlingenden Lithiumabbau, dem ebenfalls hohen Wasserverbrauch der Forst- und Agrarindustrie und dem Bau von Wind- und Solarparks erfolgen. In Chile kämpfen die Industriekonzerne um die schwindenden Wasservorräte des Landes, während das Land seit eineinhalb Jahrzehnten einer Jahrtausenddürre ausgeliefert ist. In den ausgebeuteten Regionen bleiben die rechtlosen Kleinbauern hilflos zurück. Ihre Anliegen macht allenfalls das katholische Hilfswerk Misereor publik. Aufgrund des Wassermangels zeichnet sich ein Notstand ab, der den Zusammenbruch großer Teile der Wirtschaft des Landes zur Folge haben könnte. Dessen ungeachtet traten die Präsidenten Chiles und Argentiniens, Gabriel Boric und Alberto Ángel Fernández, dem sogenanntem Klimaclub bei, während Brasiliens Lula da Silva dem Vorschlag des Bundeskanzlers wie auch dessen Bitte um Lieferung von Panzermunition für die Ukraine eine Abfuhr erteilte.

2019 hatte der Bremer Windkraftprojektierer wpd den Zuschlag für drei Windenergie-Projekte in der Region Araucaria im Süden Chiles erhalten. Der Windpark in Collipulli in der Provinz Malleco ist bereits fertiggestellt. Das bedeutet: 77 Windräder als neue Nachbarn für das Volk der indigenen Mapuche. Collipulli ist bekannt als „Rote Zone“, als Konfliktzone. Die Mapuche fordern ihre Ländereien zurück, die ihnen der Staat geraubt und an große Agrar- und Forstunternehmen verkauft hat. Die Mitbewerber von wpd hatten sich daher aus dem Bieterwettbewerb zurückgezogen, während das deutsche Unternehmen seine Chance nutzte. Die Pachtverträge wurden mit den wohlhabenden Agrarunternehmern geschlossen, die das Grundstück besitzen.

Der Wassermangel und die anhaltende Dürre in großen Teilen Argentiniens und Chiles sind das Resultat von politischer Willkür. Hintergrund ist, dass die gestörte Bewegung von Luft den Abtransport von Wärme/Energie und damit die Kühlung des Bodens behindert. Somit sinken die Aussichten auf ausreichende Niederschläge immer weiter. Wenn die Grünen aufgrund von Deutschlands kolonialer Vergangenheit tatsächlich Verantwortung übernehmen wollen, wie Außenministerin Annalena Baerbock bei der Übergabe einiger Benin-Bronzen in Nigeria erklärt hat, müssten sie den wirtschaftlichen Kolonialismus anprangern, der die Rechtlosigkeit der Indigenen zementiert. Als Konsequenz sollten die Verantwortlichen ihre Pläne aufgeben, Deutschlands Energieerzeugung teilweise in diese Länder auszulagern.


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Kommentare

Dom Helder Camara II. am 23.02.23, 16:43 Uhr

Der Kolonialismus ging in Lateinamerika nie zu Ende. Nach den Spanien und Portugiesen übernahm eine kleine reiche Oberschicht an Landbesitzern. Und bei denen kauften sich die das Land und die Naturreichtümer billig ausbeutenden internationalen Großkonzerne ein und beherrschen de facto die Politik in diesen Ländern. Wer politisch hinter bzw. vor den Großkonzernen steht? Mal lebenserfahrene Chilenen oder Brasilianer fragen. Eine Madamae Baerbock, ein Kann-mich-nicht-erinnern-Scholz und ein das-ist-doch-keine-Insolvenz-Habeck sind totz oder vielleicht wegen ihrer politischen Farben die gleichen willigen Marionetten der großen Konzerne. Denn sonst könnten sie das den Südamerikanern nicht antun, was sie ihnen antun. Wenn es ihnen um Politik auf der Basis physikalischer, biologischer und chemischer Fakten sowie um Menschrechte ginge, dürfte es diesen Lithiumabbau in Chile nicht geben. Sie müssten bei uns sofort eine Energiewende rückwärts einleiten und auf Kernkraftwerke setzen, eine Technolgie, die ja inzwischen erheblich weiterentwickelt ist. Anders sind die unendlich vielen notwendigen Terawattstunden für ein Industrieland nicht beizuschaffen. Doch sie tun es nicht und zerstören menschenverachtend die Existenzgrundlagen von Menschen auf anderen Kontinenten, die sich nicht wehren können.

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