18.10.2024

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Neue Krise im Andenstaat

Ominöser Putschversuch in Bolivien

Revolutionsgeneral Zúñiga wollte angeblich die Demokratie retten – jetzt schmoren alle Putsch-Generäle im Gefängnis. Doch wie geht es mit dem an Lithium reichen Land weiter?

Wolfgang Kaufmann
10.07.2024

Vor knapp 200 Jahren, am 26. August 1825, errang Bolivien seine Unabhängigkeit von Spanien. Seitdem ereigneten sich in dem Anden-Staat fast 200 Putsche oder Putschversuche. Der letzte datierte auf den 26. Juni. An diesem Tag schickten die drei Oberbefehlshaber der bolivianischen Teilstreitkräfte, Armeegeneral Juan José Zúñiga Macías, Vizeadmiral Juan Arnez Salvador und General Edison Alejandro Irahola Caero, Panzer auf die Plaza Murillo vor dem Regierungssitz in La Paz. Dort verkündete Zúñiga öffentlich, das Militär wolle „die Demokratie wiederherstellen“. Anschließend rammte einer der Panzer das Haupttor des Palacio Quemado. Dem folgte ein heftiger persönlicher Disput zwischen Zúñiga und dem amtierenden Präsidenten Luis Alberto Arce Catacora, während im ganzen Lande Protestaktionen gegen den Putsch anliefen. Um 17.30 Uhr vereidigte Arce dann live im Fernsehen eine neue Militärführung, woraufhin Zúñigas Nachfolger, General José Wilson Sánchez, den aufmarschierten Soldaten den Befehl zum Abzug gab, der auch umgehend befolgt wurde. Damit war der Staatsstreich nach nur wenigen Stunden gescheitert und Zúñiga und dessen Mitverschwörer wanderten ins Gefängnis, wo sie nun auf ihren Hochverratsprozess warten.

Eine Revolution mit operettenhaften Zügen
Die dramatischen Ereignisse des 26. Juni resultierten aus einer Krise, deren Ursprung im Jahre 2019 liegt. Damals eskalierte der Streit um die Präsidentschaft des ehemaligen Coca-Bauern Juan Evo Morales Ayma von der dezidiert linken Partei Movimiento al Socialismo (MAS), der sich mehrmals über die Verfassung hinweggesetzt und Wahlbetrug begangen hatte. Am Ende wurde Morales gezwungen, zugunsten der rechtskonservativen Interimspräsidentin Jeanine Áñez Chávez zurückzutreten, die dann ihrerseits im November 2020 von dem MAS-Politiker Arce abgelöst wurde. Allerdings drängte Morales seinen früheren Vertrauten Arce im Oktober 2023 aus der Partei, woraufhin es zu einer Spaltung derselben kam. Das Schisma war die Folge von Morales' Ankündigung, bei den Präsidentschaftswahlen von 2025 anzutreten, obwohl das bolivianische Verfassungsgericht entschieden hatte, dass er nicht erneut kandidieren dürfe. Aus demselben Grund drohte Zúñiga zwei Tage vor seinem Putsch, Morales zu verhaften, was dann wiederum dazu geführt haben soll, dass der Präsident den Armeegeneral entlassen wollte. Der freilich präsentierte nach dem tatsächlich recht operettenhaft anmutenden Putsch eine ganz andere Version der Geschichte. Arce habe ihn gebeten, aktiv zu werden, und gesagt: „Die Situation ist sehr verkorkst, sehr kritisch. Es ist notwendig, etwas zu unternehmen, um meine Popularität zu steigern.“

Das wies der Präsident zwar entschieden zurück, doch Morales und viele andere bolivianische Politiker sowie auch etliche Menschen auf der Straße halten eine gemeinsame Inszenierung von Arce und Zúñiga für absolut denkbar. Durch die publikumswirksame Beendigung des Putsches vor laufender Kamera konnte Arce etliche Anhänger im Parlament dazugewinnen, womit seine Chancen steigen, die Wirtschafts- und Finanzkrise in den Griff zu bekommen, die nicht zuletzt aus der Blockade der Regierungsinitiativen durch die Plurinationale Legislative Versammlung in La Paz resultiert. Denn in der herrschte wegen der Zerstrittenheit der MAS, welche die absolute Mehrheit der Abgeordneten stellt, bislang ein lähmendes Patt.

Großmächte schielen auf Boliviens wertvolle Bodenschätzen
Dabei hätte Bolivien gute Chancen, wirtschaftlich zu gesunden. Immerhin besitzt das Land eine Reihe wichtiger Bodenschätze. So verfügt es über reichlich Eisenerz, die drittgrößten Erdgasreserven Südamerikas und eines der weltweit größten bekannten Vorkommen an Lithium in der Salzpfanne Salar de Uyuni. Dadurch könnte der Andenstaat zum „Saudi-Arabien des Lithiums“ avancieren. Und das weckte natürlich bereits das Interesse der USA, Großbritanniens, Chinas und Russlands, weshalb sofort nach Beginn des Putsches der Verdacht aufkam, eine dieser Großmächte habe den versuchten Umsturz initiiert, um ihre Machtposition in Bolivien zu stärken, wobei sich der Blick vor allem auf die Vereinigten Staaten richtete (siehe unten).

Allerdings gibt es noch weitere Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Putsch, welche die Suche nach den Motiven beziehungsweise Urhebern erschweren. So bleibt rätselhaft, warum Zúñigas Leute das falsche Gebäude attackierten. Der Palacio Quemado dient lediglich noch repräsentativen Zwecken und steht ansonsten leer. Viel logischer wäre es gewesen, das nebenstehende „Große Haus des Volkes“ zu stürmen, in dem sich der tatsächliche Regierungssitz befindet. Darüber hinaus ist extrem merkwürdig, dass die seit 2021 im Gefängnis sitzende Vorgängerin von Arce partout nicht von Zúñiga befreit werden wollte und den Putsch sogar ausdrücklich verurteilte.


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