31.03.2025

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Das Gefängnis von Wartenburg ist seit 1832 in Betrieb. Einer der übelsten Insassen war Erich Koch, NS-Reichskommissar für die Ukraine und Gauleiter von Ostpreußen
Bilder: mauritius images/Konrad Zelazowski/Alamy Stock Photos; Bundesarchiv/WikimediaDas Gefängnis von Wartenburg ist seit 1832 in Betrieb. Einer der übelsten Insassen war Erich Koch, NS-Reichskommissar für die Ukraine und Gauleiter von Ostpreußen

Wartenburg

Ostpreußens „Alcatraz“

Das berüchtigte Zuchthaus war ursprünglich ein Kloster – Nach den Mönchen kamen Kriminelle und prominente Verbrecher

Wolfgang Kaufmann
29.03.2025

Wartenburg war eine typische Kleinstadt in Ostpreußen, die wegen ihrer malerischen Lage an der Einmündung der Kirmaß in die Pissa oft das „Venedig des Ermlandes“ genannt wurde. Allerdings bekam Wartenburg später noch einen zweiten, weniger romantischen Beinamen, nämlich „Alcatraz“ – in Anlehnung an das berüchtigte US-Hochsicherheitsgefängnis in der Bucht von San Francisco. Das resultierte daraus, dass sich in Wartenburg auch eine Haftanstalt befand, deren dicke Gemäuer teilweise aus dem 14. Jahrhundert stammten.

Im Jahre 1364 gründete der ermländische Bischof Johann II. Stryprock ein Franziskanerkloster inmitten des Örtchens Wartenburg, dem er zugleich das Stadtrecht verlieh. Durch die Reformation verlor das Kloster ab Mitte des
16. Jahrhunderts massiv an Bedeutung und verfiel. 1597 entschloss sich deshalb ein weiterer Fürstbischof des Ermlandes, nämlich der Kardinal Andreas Báthory, die Niederlassung der Sächsischen Franziskanerprovinz an den Barfüßerorden der Bernhardiner zu übertragen, der das Kloster in der Folgezeit umbaute und beträchtlich erweiterte.

Gefangen im Klausurgebäude
1810 schlug dann allerdings auch in Preußen infolge der gesellschaftlichen Umwälzungen nach der Französischen Revolution die Stunde der Säkularisierung, durch die das Kloster Wartenburg nicht länger in der Zuständigkeit des Fürstbischofs verblieb. Nur zwei Jahre später wurde das Gebäude umfunktioniert, und es wurden die ersten Strafgefangenen hinter den Mauern der ehemaligen Klausurgebäude inhaftiert. Allerdings lief der Klosterbetrieb trotzdem noch, wenn auch in ziemlich eingeschränkter Weise weiter, bis der Staat das Kloster 1824 offiziell aufhob.

Der letzte Mönch, den niemand zu vertreiben wagte, starb erst am 4. Juli 1830. An diesem Tag gingen sämtliche Baulichkeiten an die preußische Krone über. Zwei Jahre später – am 13. Juli 1832 – erließ König Friedrich Wilhelm III. eine Allerhöchste Kabinettsorder zur Einrichtung der Strafanstalt Wartenburg. Die aber brannte indes am 27. Mai 1846 zum Teil ab, woraufhin mehrere Gebäude dem Abriss anheimfielen, der 1855 erfolgte. Danach entstanden neue Baulichkeiten.

Ab 1878 saßen in Wartenburg über 600 männliche „Züchtlinge“ ein. Diese mussten allesamt arbeiten und stellten Fischernetze zum Verkauf in Ostpreußen, Kleidungsstücke für die Matrosen der Reichsmarine, Möbel für Händler in Berlin und Zigarren her. Der Tabak der Rauchwaren kam aus Amsterdam, Hamburg und Bremen, während die fertigen Zigarren in ganz Ost- und Westpreußen, Pommern und Brandenburg Absatz fanden.

Geweihte Hinrichtungsstätte
Bei der Volksabstimmung im Juli 1920 votierten 3014 der 3163 wahlberechtigten Bürger Wartenburgs für den Verbleib der Stadt bei Deutschland, wonach die Weimarer Republik und das Dritte Reich das Gefängnis weiter nutzten. Unter den Nationalsozialisten saßen darin sowohl gewöhnliche Kriminelle als auch politische Häftlinge wie Ludwig Meyländer alias Rogalla von Bieberstein ein. Letzterer wurde schließlich wegen des Abhörens von Feindsendern und staatsfeindlicher Propaganda am 4. August 1940 in Wartenburg hingerichtet. Makaber: Das einstige Kloster wurde somit zu einer regelrecht geweihten Hinrichtungsstätte

Am 26. Januar 1945 besetzte die Rote Armee den Ort und übernahm dabei auch das Gefängnis, welches erst am 9. März 1946 in polnische Hände gelangte. Wenige Monate später erfolgte die Umbenennung von Wartenburg in Barczewo – zu Ehren des polnischen Geistlichen und Politikers Walenty Barczewski. Damit mutierte die einstige preußische Strafanstalt von Wartenburg zum Zuchthaus in Barczewo [Zakład Karny w Barczewie]. In diesem saßen bis 1989 auch einige Personen mit zweifelhafter Berühmtheit ein.

Wissen um das Bernsteinzimmer
Zu denen zählte der frühere Gauleiter der NSDAP in Ostpreußen, Erich Koch. Der als „Zar von Hitler“ verschriene Scherge war am 9. März 1959 von einem Gericht in Warschau zum Tode verurteilt worden. Jedoch unterblieb seine Exekution, weil er an Krebs litt. Nach der Umwandlung des Urteils in Lebenslänglich kam der sogenannte „Verderber Ostpreußens“ 1965 nach Wartenburg, wo er schließlich am 12. November 1986 im Alter von 90 Jahren starb. Während der Zeit in der Haftanstalt Wartenburg erhielt Koch immer wieder Besuch von Agenten des polnischen Geheimdienstes Służba Bezpieczeństwa (SB) und des sowjetischen KGB, die hofften, von ihm etwas über den Verbleib des verschollenen sagenumwobenen Bernsteinzimmers zu erfahren.

Seit 190 Jahren in Betrieb
Weitere bekannte Insassen des Gefängnisses in Wartenburg zur Zeit der sozialistischen Volksrepublik Polen waren die Dissidenten beziehungsweise Gewerkschaftsführer Leszek Moczulski, Władysław Frasyniuk, Adam Michnik, Jerzy Kropiwnicki, Stefan Myszkiewicz-Niesiołowski, Romuald Szeremietiew und Józef Szaniawski. Letztgenannter kam erst am 22. Dezember 1989 frei und galt als letzter politisch Gefangener in Polen.

Heute kann das „Alcatraz von Wartenburg“ 781 männliche Insassen aufnehmen. Dabei handelt es sich sowohl um Ersttäter als auch um rückfällige Kriminelle. Die Haftanstalt im Bereich der Bezirksinspektion des Strafvollzugs in Allenstein [Olsztyn] steht derzeit unter der Leitung von Oberstleutnant Mark Kulwicki. Erst im Juni 2022, also fast 190 Jahre nach ihrer Eröffnung, erhielt sie ein neues Gebäude für 254 Gefangene.


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