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Vanessa Conze: „Haus Vaterland. Der große Vergnügungspalast im Herzen Berlins“, Elsengold Verlag Berlin 2021, gebunden, 25 Euro
Vanessa Conze: „Haus Vaterland. Der große Vergnügungspalast im Herzen Berlins“, Elsengold Verlag Berlin 2021, gebunden, 25 Euro

Berlin

Palast der Erholung und des Genießens

Die Historikerin Vanessa Conze ist der Geschichte des Vergnügungstempels „Haus Vaterland“ in den Goldenen Zwanzigern nachgegangen

Silvia Friedrich
09.04.2022

Nur wenige werden das riesige Amüsieretablissement „Haus Vaterland“ inmitten Berlins noch kennen. Es ging unter im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges. Die Historikerin Vanessa Conze hat ausführlich zu diesem „weltstädtischen Palast der Erholung und des Genießens“ geforscht und ihre Ergebnisse in dem Sachbuch „Haus Vaterland. Der große Vergnügungspalast im Herzen Berlins“ veröffentlicht.

Eindrücke aus aller Welt

Am 1. September 1928 öffneten in diesem 1912 gebauten Haus unzählige Restaurants, Cafés, ein Ballsaal und ein Kino mit 1500 Plätzen. Was heute als „Eventgastronomie“ bekannt ist, war damals völlig neu und auch anders betitelt: „Löwenbräu“, „Türkisches Kaffeehaus“, „Japanische Bar“, „Bremer Kombüse“, „Spanische Bodega“ oder „Rheinterrassen“ und viele mehr. Das Besondere war, dass man die Inneneinrichtung landestypisch einrichtete, sodass man sich wie im Orient, in Spanien oder in den bayerischen Bergen fühlte. Mithilfe der damaligen technischen Mittel sorgte man für „echte“ Gewitter im Gebirge und Cowboy-Erfahrung in der „Wild-West-Bar“, für Tanzerlebnisse bei heißen Flamenco-Rhythmen oder Heurigen-Erlebnissen im nachgebauten „Grinzing“.

Wer sich im Berlin der Goldenen Zwanziger belustigen wollte und über etwas „Kleingeld“ verfügte, suchte das „Haus Vaterland“ auf. Für eine Mark Eintritt konnte man eine Art Weltreise unternehmen und sich den ganzen Abend an einem Getränk festhalten. Der Preis dafür wurde anteilig mit dem Eintrittspreis verrechnet. Es gab Champagner und Kaviar für die einen sowie Bratwurst und Erbsensuppe für die anderen. Innerhalb von zehn Jahren strömten zehn Millionen Menschen in diesen Amüsierpalast. Die Leser erfahren, wer der Gründer dieses Hauses war und welche Geschichten sich um die Mitbetreiber ranken, wie es sich weiterentwickelte, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, der Krieg alles in Schutt und Asche legte und die Ruine des Ganzen nach 1945 im Niemandsland vor sich hin rottete.

Das Haus, das heute an dieser Stelle steht, beherbergt eine Bank und ein Café. Touristen ziehen vorbei, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass sich genau hier ein Teil des wilden Berlins der 20er Jahre befand. Wer noch einmal sehen möchte, was dereinst alles möglich war, dem sei das Buch wärmstens empfohlen.


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