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Einwanderung

Pech und Pannen

Hoher Migrationsdruck nach Großbritannien: Regierung versucht gegenzusteuern – mit mäßigem Erfolg

Claudia Hansen
28.08.2023

Die gefährliche Überfahrt auf Schlauchbooten über den Ärmelkanal von Frankreich nach England haben im vergangenen Jahr mehr als 45.000 Migranten gewagt. Es waren vor allem Albaner, Afghanen, Iraker, Iraner und Syrer, die nach Großbritannien strebten. Dieses Jahr ist der Zustrom bislang etwas geringer, doch aus Sicht der konservativen Londoner Regierung ist das Problem weiterhin sehr groß. In den Sommermonaten steigt der Andrang. Mitte August wurden an einem einzigen Tag 755 Bootsimmigranten aufgegriffen. Sie zahlen jeweils rund tausend Euro an die Schmuggler.

Premierminister Rishi Sunak hat den Briten versprochen, durch neue Maßnahmen die kleinen Boote zu stoppen. Wie gefährlich die Überfahrt ist, zeigte sich erst Mitte August wieder: Da kenterte ein Schlauchboot und sechs Afghanen ertranken einige Kilometer vor der französischen Küste bei Calais. An Bord des völlig überfüllten Schleuserschiffs waren sogar 65 Menschen gewesen, 59 konnten gerettet werden. Es war das schlimmste Bootsunglück auf dem Ärmelkanal seit November 2021, als 27 Migranten tödlich verunglückten.

Aus Sicht der Londoner Regierung müssen die illegalen Überfahrten gestoppt werden – auch weil es gerade unter konservativen Wählern viel Unmut über den hohen Migrationsdruck und die Kosten für Asylbewerber auf der Insel gibt. Sunaks „Stop the Boats“-Versprechen ist einer der fünf Punkte, mit denen er trotz schlechter Umfragewerte noch die Wahl nächstes Jahr zu gewinnen versucht.

Innenministerin Suella Braverman setzt auf Abschreckung. Aber ihre Pläne stecken bislang fest. Das Vorhaben, mehrere tausend Asylanten direkt nach Ruanda weiterzuleiten, wo ihre Anträge bearbeitet werden sollen, ging zwar durch Unterhaus und Oberhaus, doch liegt der Ruanda-Plan wegen mehrerer Beschwerden von Anwälten und Asyllobbygruppen bei britischen Gerichten und beim Straßburger Menschenrechtsgerichtshof auf Eis.

Ein anderes Vorhaben, um den Asyldruck zu mindern, wurde jüngst durch eine Panne durchkreuzt. Die Regierung will Asylanten auf großen Barken beherbergen. Die Pontons mit Containern darauf sehen aus wie schwimmende Gefängnisse. Eine der Barken, die „Bibby Stockholm“ im Hafen Portland, war schon in Betrieb genommen: 39 Asylantragsteller waren dort untergebracht, bis zu 500 Männer zwischen 18 und 65 Jahren sollte sie maximal beherbergen.

Doch vor anderthalb Wochen musste die Regierung hastig alle Bewohner von der Barke holen, weil in den Wasserleitungen Legionellen festgestellt worden waren. Zwar versicherte Gesundheitsminister Steve Barclay, dass niemand durch die Bakterien zu Schaden gekommen sei, doch der politische Schaden für die Regierung war kaum zu leugnen.

Seit Jahren schon überlegt sie, wie die „Small Boat Crisis“ zu lösen sei. Manche der Ideen, die aufkommen, klingen skurril. 2020, in der Zeit von Boris Johnson, wurde im Home Office, dem britischen Innenministerium, gar die Idee ventiliert, mittels Wellenmaschinen die Schlauchboote zurückzudrängen. Alle Abschreckungssignale haben bislang wenig geholfen.

Mehr Immigranten trotz Brexit
Vergangene Woche kam abermals ein älterer Vorschlag in die Schlagzeilen, dass Asylbewerber auf die Insel Ascension im fernen Südatlantik geschickt werden könnten. Die Juniorministerin im Innenministerium Sarah Dines sagte, zwar sei die Regierung überzeugt, dass ihr Ruanda-Plan legal sei, wie auch der High Court bestätigt hatte, doch könne man alternativ Asylzentren auf Ascension errichten. Über die Kosten schwieg sie sich aus. Gegenwärtig kostet das „kaputte Asylsystem“, wie die Regierung klagt, den Staat jährlich drei Milliarden Pfund (3,5 Milliarden Euro). Allein die Rechnungen für Hotelunterkünfte lägen bei sechs Millionen Pfund pro Tag. Gemessen an den Kosten der Asylzuwanderung in Deutschland sind das allerdings noch sehr bescheidene Summen.

Wenn britische Wähler über die Zuwanderung murren, dann ist neben dem Asylsystem auch die hohe legale Immigration gemeint. Viele hatten geglaubt, nach dem Brexit werde die Zuwanderung abnehmen. Tatsächlich kommen auch weniger Osteuropäer, dafür ist aber die außereuropäische Zuwanderung auf ein Rekordhoch gestiegen. Im vergangenen Jahr kamen 1,2 Millionen Menschen auf die Insel.

Die Nettozuwanderung (abzüglich Wegzüge) nach Großbritannien erreichte mit 600.000 einen Rekord, wobei darunter auch viele Ukrainer und Hongkonger waren, die mit spezieller Erlaubnis kommen dürfen. In vielen Gemeinden ist Wohnungsknappheit ein großes Thema. Innenministerin Braverman – deren indischstämmige Familie vor fünfzig Jahren mit britischem Kolonialpass legal einwanderte – will den Zuzug verringern. Ein effektives Mittel hat sie dafür noch nicht gefunden.


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