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Radreise als innovatives Bildungsprojekt – Von der Rolle des Deutschen Ordens bis zur jüdischen Geschichte
„Das war wie eine Woche lang Geschichts- und Sportunterricht“, sagt Peter Schmidt. „Ich kam an Orte und habe Inhalte gelernt, die wir nicht einmal bei uns im Studium auf dem Programm haben“, fügt Viktorija Žilinskaitė hinzu. Schmidt ist selbst Geschichtslehrer aus Rheinland-Pfalz, Žilinskaitė war bis vor Kurzem Studentin und derzeit Projektmanagerin aus Wilna in Litauen. Beide waren zwei von 19 Teilnehmern einer Bildungsradreise von Kaunas nach Memel [Klaipėda]. Unter dem Motto „Mit dem Fahrrad durch die Geschichte: Das Memelland und die deutsch-litauischen Kulturbeziehungen neu denken“ radelten sie rund 400 Kilometer westwärts entlang der Memel, die im Litauischen Nemunas heißt und auch Grenzfluss zwischen der Europäischen Union und Russland ist.
Als „sportlich-historisch Entdeckungsreise“ beschreibt Vincent Regente, Leiter der Abteilung EU & Europa der Deutschen Gesellschaft e.V., die Bildungsradreise. „Eine Woche lang waren wir mit den Teilnehmern auf Rädern der gemeinsamen deutschen, litauischen und jüdischen Kultur und Geschichte des Memellandes auf der Spur.“ Markus Nowak, Redakteur beim Deutschen Kulturforum östliches Europa e.V., fügt hinzu: „Unsere Route führte uns zu bedeutenden kulturellen und historischen Stätten, an denen die Teilnehmenden aktiv Geschichte ‚erfahren' und darüber diskutiert haben.“ Die Deutsche Gesellschaft e.V. aus Berlin und das Deutsche Kulturforum östliches Europa aus Potsdam waren Kooperationspartner bei dem innovativen Bildungsprojekt, das nach 2023 zum zweiten Mal stattfand.
Die Etappen umfassten unter anderem Besuche der berühmtem Königin-Luise-Brücke in Tilsit [Sowjetsk], verlassene deutsche Siedlungen oder des Denkmals für die ostpreußischen Wolfskinder. „Die Mischung aus sportlicher Betätigung und intensiven historischen Vorträgen hat diese Reise zu einem ganz besonderen Erlebnis gemacht“, sagt Regente. „Die Teilnehmer habe nicht nur viel Neues über die Geschichte einer spannenden Region erfahren, sondern konnten auch wertvolle Einblicke in die Sichtweisen der anderen Teilnehmenden gewinnen“, bestätigt Nowak. Die diesjährige Reise legte dabei besonderen Wert auf die Einbeziehung junger Menschen nicht nur aus Litauen und Deutschland, sondern auch aus Weißrussland, der Ukraine und sogar Belgien.
Begleitet wurden die Radtouren von Vorträgen, die von den Radlern zuvor vorbereitet wurden und eine breite Palette an Themen abdeckten – von der Rolle des Deutschen Ordens und der jüdischen Geschichte in Litauen bis hin zu den Auswirkungen der sowjetischen Diktatur auf die Region. Ein Höhepunkt der Reise war der Austausch mit Bella Shirin, einer Nachkommin von Holocaustüberlebenden, Skirmantas Mockevičius, dem Bürgermeister von Georgenburg [Jurbarkas], und Vertretern der deutschen Minderheit in Heydekrug [Šilutė], die den Teilnehmern authentische Einblicke in die Vergangenheit und Gegenwart der Region gaben. Mit Anja Luther, Kulturattaché an der Deutschen Botschaft in Wilna, traf die Gruppe auch Vertreter des deutschen Auswärtigen Dienstes.
Die Bildungsradreise bot nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern förderte auch den Dialog über die Gestaltung des kulturellen Erbes des Memellandes. „Es war inspirierend zu sehen, wie engagiert und offen die Teilnehmer miteinander über historische und aktuelle Themen diskutierten“, betonte Nowak. „Diese Reise hat gezeigt, wie wichtig es ist, Geschichte wortwörtlich zu erleben und gemeinsam zu reflektieren“, sagt Regente. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie von der Kulturreferentin für Ostpreußen und das Baltikum am Ostpreußischen Landesmuseum.