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Tapiau, Wehlau oder Königsberg – Hier und da leben alte deutsche Traditionen, wenn auch in veränderter Form, fort
Das Landstädtchen Tapiau geht einer neuen Blütezeit entgegen. Aber für die Landbevölkerung war Tapiau immer ein Anziehungspunkt, in deutscher und in russischer Zeit. Man kaufte dort bequem das, was man in Hof und Garten brauchte, und anfertigen und reparieren ließ man dort auch.
Tapiau hatte den großen Marktplatz, typisch für die ostpreußischen Landstädte, denn auf dem Markt wurden nicht nur Obst und Gemüse, Eier und Butter verkauft, sondern die Bauern handelten auch mit Vieh, und Händler mit Haushaltswaren, Kleidung und Luxusartikeln kamen hinzu. Es muss ein überwältigendes Treiben gewesen sein. Siegfried Lenz schildert das in einer seiner masurischen Geschichten „So zärtlich war Suleyken“. Schissomir heißt der Marktflecken, und der Markttag ist „Schissomirs großer Tag“. Was war da los! „Die Leute waren lustig und lebhaft, knallten mit Peitschen, lachten, hatten Stroh an den Stiefeln, aßen fetten Speck, schauten Pferden ins Maul und kniffen Ferkel in den Rücken, worauf ein wildes Quietschen anhob; dicke Frauen wurden am Rock gezogen, Kinder plärrten, Bullen brummten, eine Gans war unter eine Herde von Schafen geraten, was bewirkte, daß einige Schafe unter die Kühe kamen und einige Kühe sich losrissen und durch die staubige Gasse der Buden sausten ...“
Niederschlag in der Literatur
Wirklich, ein großer Tag! Wie grandios muss erst der berühmte Pferdemarkt in Wehlau gewesen sein! „Seit dem 19. Jh. brachte neben dem Jahrmarkt der alljährliche Pferdemarkt gute Einkünfte“, heißt es lapidar im „Lexikon der Stadt Königsberg (Pr).“ Dabei war Wehlau seit dem 14. Jahrhundert ein Marktort.
In der Erzählung „Die schöne Malone“ schildert Agnes Miegel (1879–1964) einen „Bauernmarkt“ in „einer der Küstenstädte im Ostland“. Dieser Markt findet „am Sonnabend vor Johanni“ statt. Man „vergnügte sich“ an den Buden, „wo es Thorner Pfefferkuchen, Königsberger Marzipan, Tilsiter Schuhwerk und Heiligenbeiler Drechslerwaren gab, wo ein Bär tanzte, ein Mann Kämme und Schnüre anpries und zottlige Zigeunerweiber Karten schlugen“. Und nicht nur das: Unter Lindenbäumen stehen „undeutsche Frauen puppensteif und geputzt“, die über dem Arm ihre kunstvollen Webereien, ihre Garnsträhnen und gestrickten Handschuhe feilhielten“. Eine stattliche Frau in einer altmodischen Tracht überreicht „Tücher, die vom feinsten Faden, schneeweiß und aufs gleichmäßigste gewebt waren“, und bei einem Mädchen kann man „bunte Schürzenbänder“ erstehen –„Jostenbänder“, wie man sie in Litauen und Ostpreußen nannte.
Für die heutige Leserschaft muss man die Bezeichnung „undeutsche Frauen“ erklären. Das waren Litauerinnen und Altpreußinnen. „Zigeuner“ darf heute nicht gesagt werden, galt aber seinerzeit als gängiger ethnischer Begriff, und das Wort „Weib“ war in früheren Jahrhunderten kein Schimpfwort.
In Tapiau fand gewiss auch so ein Bauernmarkt statt, und als wir Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg dieses nun russische Landstädtchen besuchen konnten, sah es fast so aus wie in deutscher Zeit. „Eine alte Stadt!“, sagten die Russen stolz. Es war wieder beziehungsweise immer noch Einkaufsort für die Landbevölkerung, und Einkaufen in Tapiau war fester Bestandteil des Besuchsprogramms. In den ersten Jahren sah der Marktplatz recht schlicht aus. Heute ist er neu angelegt und prachtvoll herausgeputzt. Lenin stand damals auf einer weitläufigen, aber recht öden Fläche. Marktbetrieb war dort kaum.
Basar im nun russischen Tapiau
Aber ein paar Straßen weiter war „unser Basar“, ein Einkaufsparadies, das der Kundschaft an sieben Tagen in der Woche alles bot. Hier konnte man Kleider, Röcke, T-Shirts und Schuhe kaufen, wobei die Anprobe den größten Spaß machte. Umkleidekabinen gab es nicht, die Verkäuferin hielt eine Wolldecke hoch oder man konnte hinter einen kleinen Vorhang. Zum Anprobieren von Schuhen und Pantoffeln stellte man sich auf ein Stück Pappe.
Ob Handtaschen, Winterpullover, Sommerkleider, Blazer für offizielle Veranstaltungen, Schulkleidung für die Kinder – man wurde immer fündig. Frisches Fleisch aus der Region wurde in Hallen verkauft, in kleinen Pavillons gab es Käse und Quark oder alle möglichen Wurstsorten. Am Eingang des Marktes standen Eimer mit frischen Fischen – unsere praktische Überlegung, die Fische erst bei der Rückkehr zu kaufen, damit sie länger in ihrem Eiswasser blieben, brachte kein gutes Ergebnis, denn als wir zurückkamen, waren die Fische weg. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen waren auch nicht erfolgreich und endeten in Gelächter.
Zu dem Besuch des Basars gehörte ein Bummel durch die Geschäfte, die Haushaltswaren, Souvenirs und Schmuck anboten. Ein aparter Bernsteinring erregte im Westen Aufmerksamkeit, eine praktische Teekanne aus stoßfestem Glas ließ sich gut gebrauchen, an Waren aus dem Fernen Osten war die Auswahl groß. In einem bestimmten Geschäft wurde traditionsgemäß eine Torte gekauft, bevor es zurück nach Hause ins Dorf ging ...
Unser Basar sollte nicht für immer bleiben. Er wurde nach und nach in Buden am Stadtrand umgelagert, und der Platz wurde bebaut. Die Stammkundschaft befürchtete, in Zukunft unbekleidet gehen zu müssen. Natürlich gab es den Rynok (Markt) in Königsberg, aber in Tapiau kannte man sich, es war alles gemütlicher, eben ländlich, mit einer anheimelnden Atmosphäre.
Märkte in Ostpreußen – jedem Königsberger fällt der Fischmarkt ein, der nur noch in der Erinnerung fortlebt, aber seit Generationen für Erheiterung sorgt. Anekdoten, Gedichte und Sketche finden unverändert großen Beifall, sobald die Königsberger sich treffen.