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Pfingstausflüge erfreuten sich in Ostpreußen großer Beliebtheit: Vor dem Schützenhaus in Nordenburg, Pfingsten im Jahr 1928
Foto: Bildarchiv OstpreussenPfingstausflüge erfreuten sich in Ostpreußen großer Beliebtheit: Vor dem Schützenhaus in Nordenburg, Pfingsten im Jahr 1928

Traditionen

Pfingsten, das liebliche Fest

Christliche Kirchen feiern Ende Mai das „Geburtsfest“ – Viele jahreszeitliche Bräuche und Symbole haben die Zeiten überdauert

Bärbel Beutner
26.05.2023

Pfingsten wird 50 Tage nach Ostern gefeiert. Es geht auf die jüdische Tradition zurück, 50 Tage nach Pessach (Ostern) ein Dankfest für die Ernte zu feiern, die eingebracht worden ist. Zu diesem hebräischen Fest „Schawuot“ kamen Wallfahrer aus aller Welt nach Jerusalem. Auch die Jünger Jesu waren dort, als das „Pfingstwunder“ geschah, das die christlichen Kirchen als ihr „Geburtsfest“ feiern. Davon wird im Neuen Testament in der „Apostelgeschichte 1–13“ berichtet.

Pfingsten wird Ende Mai begangen, und im Monat Mai gibt es in allen Landstrichen so viele Bräuche und Symbole, dass schnell deutlich wird: Hier leben alte Fruchtbarkeitsriten auf. Der Sommer ist da, die Bäume grünen, alles steht in Blüte. Nun muss das Wachstum auf den Feldern „beschworen“ werden. Im Altertum gab es den Gott Dionysos, der als Gott der Fruchtbarkeit und der Ekstase galt. Im Frühjahr zog er als „Blütengott“ durch Athen, begleitet von den Satyrn, den Fruchtbarkeitsdämonen. Ein Satyr war meist ein Mischwesen aus Mensch und Tier, hatte Bocksfüße und Hörner und verkörperte wilde Triebe. Umzüge über Äcker und Felder, bei denen Phallussymbole getragen wurden, gab es auch bei den Römern. Später wurden daraus christliche Prozessionen. Das Kreuz oder Marienbilder wurden über die Felder getragen, der Priester segnete die Saaten und besprengte sie mit Weihwasser.

Fruchtbarkeitsriten leben auf
In manchen Gegenden haben sich daraus „Pfingstritte“ erhalten. Pferde und Reiter ziehen blumengeschmückt über die Felder, um den Segen des Himmels auf die Saaten herabzubitten. Damit hängen je nach Gegend wieder andere Bräuche zusammen. Wettreiten zum Beispiel oder das Gewinnen eines Kranzes beim Reiten. Böse Naturmächte müssen auch unschädlich gemacht werden, damit alles in Ruhe wachsen kann. Da wird dann der „Wilde Mann“ gefangen genommen oder in Schwaben der „Pfingstbuz“ ins Wasser geworfen. Der Band „Lebendiges Brauchtum. Alte Bräuche, frohe Feste“, 1984, Mairs Geographischer Verlag, Ostfildern, enthält reichliche Informationen.

Immer war mit diesem Frühlingsfest üppiges Essen und fröhliches Tanzen verbunden. Die christliche Obrigkeit versuchte immer wieder, vor allem das Tanzen zu verbieten – vergeblich. Tanzen diente nicht nur dem Vergnügen. Der Reigentanz, also der Tanz im Kreis, sollte auch Unheil, Krankheit und Pest fernhalten. Wenn im Kreis ein Brunnen oder ein Haus umtanzt wurde, so sollte das Wasser rein und klar bleiben und die Bewohner des Hauses gesund. Dieses heidnische Ritual ließ sich nicht unterbinden; schließlich machte man eine christliche Prozession daraus, die auch um die Kirche und das Rathaus führte.

In Ostpreußen gab es besondere Pfingstbräuche, die von der Landsmannschaft Ostpreußen in einem Arbeitsheft „Vom Festefeiern in Ostpreußen“ festgehalten worden sind. Zu Pfingsten wurde das Haus mit Birkenzweigen geschmückt, genannt „die Maien“, die einen frischen Duft verströmten. Sie wurden nicht nur in Vasen aufgestellt, sondern an Bildern und Spiegeln befestigt und in Löcher gesteckt, die in Balken geschlagen wurden. Ihr Duft erfüllte das Haus. Noch intensiver duftete der Kalmus, der auf den Dielen des Fußbodens ausgestreut wurde. Diese Pflanze stammt aus Asien, ein „Aronstabgewächs mit sumpfgrasähnlichen Blättern und einem Zapfen grüner Blütchen, der einem blattähnlichen Schaft seitlich entragt“, so steht es im Brockhaus. Aus dem Kalmus gewannen schon die Babylonier und Ägypter Medizin und Parfüm. In Ostpreußen fand diese Schilfpflanze gute Bedingungen vor und kam, kleingehackt und Duft verströmend, an Pfingsten zu hohen Ehren.

Birkenzweige und Kalmus
Im Alpenraum wird das Vieh zu Pfingsten auf die Alm getrieben, und das ist der große Auftritt des Pfingstochsen. Mit einer Blumenkrone geschmückt führt er die Herde an. Danach gibt es das Fest der Hirten und Hütejungen. Woanders werden Maibäume aufgestellt und es gibt „Pfingstmilch“ und „Pfingstbier“, ein Fest wie Kirchweih mit Umzug und Tanz und köstlichen Gerichten. In Ostpreußen kam die „Alwieteschaukel“ zum Einsatz, im Memelland und auch in Litauen bekannt. „Alwieten sind ein weidenartiges Gebüsch mit recht schmalen Blättern, dessen Triebe von ungeheurer Widerstandsfähigkeit sind“, berichtet ein Landsmann aus der Tilsiter Gegend. Zwei junge Birkenbäume von etwa vier Metern Länge wurden herbeigeschafft und die Kronen mit den Alwieten zu Kränzen verflochten. Durch diese Kränze wurde ein Rundholz, etwa 2,5 Meter lang, geschoben, die Stämme waren die Stangen der Schaukel, die nun zwischen zwei kräftigen Kiefernstämmen in dem Kronengehölz befestigt wurde. Am unteren Ende wurde ein Sitzbrett angebracht.

Das war nun eine besonders urige, naturbelassene und kraftvolle Schaukel. Es wurden aber auch in leeren Scheunen große Schaukeln angebracht, falls das Wetter nicht mitspielte. Mit Musik wurde geschaukelt und gesungen bis in die Nacht hinein. Das Schaukeln aber war ein alter Fruchtbarkeitsritus. Auf der Schaukel nahmen vor allem Liebespaare Platz. Das Mädchen setzte sich hin, der Bursche stellte sich dahinter und versuchte seine Auserwählte möglichst hoch zu schwingen. Sogar ein Überschlag wurde angestrebt. Geschaukelt zu werden, das war schon eine Art Verlobung. Die Alwieten waren Weidengerten, die die Lebensgeister erwecken und lebensspendende Kraft haben – für junge Paare ein wichtiger Punkt.

Zauberriten gegen böse Mächte
In Ostpreußen lauerten auch im Frühlingsfest böse Mächte, denen man mit Zauberriten, aber am besten doch mit dem Heiligen Geist begegnete, der zu Pfingsten Erneuerung und neues Leben bringt. Ein wunderschönes Beispiel dafür gibt es in Agnes Miegels Ballade „Das Märchen von der schönen Mete“. Die schöne Mete ist ein Findelkind, das als Säugling nackt vor der Tür des Dorfschulzen gelegen hat. Die herangewachsene schöne Mete liebt der Sohn des Schulzen und nimmt sie zur Frau. An Pfingsten trägt die schöne Mete ihr Kind zur Taufe, als der „Großknecht am Tore die Maien anschlug“. Da bricht die Geisterwelt über Mete herein. Sie stammt aus dem Elfenland, bereut plötzlich bitter ihre Liebe zu einem Sterblichen und will zurück zu ihren Schwestern mit den „grünfunkelnden Augen“. Doch ihr Mann hält sie fest und besiegt den Zauber mit der Kraft seiner Liebe. Nun gehört sie endgültig zu ihrem „liebsten Mann“ und zu ihrem Kind. „Wie läuten die Glocken lieblich im Heimatland.“

Nicht unbedingt böse Mächte, aber das Wetter erschwerte manchmal den Ostpreußen die beliebten Pfingstausflüge. Einmal war es so kalt, dass in den Gasthäusern auf der Nehrung Schilder im Fenster standen: „Hier wird geheizt!“ Und eine junge Braut hatte sich für die Pfingstfahrt mit ihrem Zukünftigen in Königsberg extra einen neuen Sommermantel und ein neues Sommerkleid gekauft ...

Unerwartetes Unwetter zwang eine kleine Gruppe von Verwandten in Nidden zur Übernachtung. Eine Dame trug sich ordnungsgemäß in das Fremdenbuch ein, veränderte aber ihr Geburtsdatum um drei Jahre. Natürlich machte sie sich jünger. Fortan galt in der Familie durch alle Umwälzungen der Geschichte hindurch das „Fremdenbuch von Nidden“ als Beleg dafür, dass auch Dokumente nicht immer zuverlässige Quellen sind ...


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