14.12.2024

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Bierut-Dekrete

Polens Pendant zu den Benesch-Dekreten

Vor 75 Jahren unterzeichnete Staatschef Bolesław Bierut das siebte und letzte der nach ihm benannten Vertreibungs- und Entrechtungsdekrete

Wolfgang Kaufmann
13.09.2021

Am 13. September 1946 unterzeichneten Polens damaliger Vorsitzende der Krajowa Rada Narodowa (KRN, Landesnationalrat) und spätere Staatspräsident Bolesław Bierut sowie Ministerpräsident Edward Osóbka-Morawski und 20 Minister der provisorischen Regierung das Dekret über die Ausstoßung von Personen deutscher Nationalität aus der polnischen Volksgemeinschaft. Es war das letzte der insgesamt sieben sogenannten Bierut-Dekrete, welche die scheinbare Legalisierung der Enteignung und Vertreibung der Deutschen aus dem polnisch verwalteten Teil Ostdeutschlands und aus Polen zum Ziele hatten.

Den Reigen dieser Bierut-Dekrete eröffnete das Dekret des Ministerrats vom 28. Februar 1945 „über den Ausschluss feindlicher Elemente aus der polnischen Volksgemeinschaft“. Dieser Ausschluss betraf sowohl Einwohner Polens, die nach dem letzten Tag der Zwischenkriegszeit, dem 31. August 1939, die deutsche Staatsbürgerschaft besessen oder angenommen hatten als auch Bürger der Zweiten Polnischen Republik mit deutscher Nationalität.

CSU-Kritik zur Bundestagswahl

Dem folgten die Gesetze vom 6. Mai 1945 „über die Ausstoßung feindlicher Elemente aus der polnischen Gemeinschaft“ und „über das verlassene und aufgegebene Vermögen“. Mit dem erstgenannten Gesetz wurde den Bestimmungen des Dekrets vom 28. Februar Gesetzeskraft verliehen. Das zweitgenannte Gesetz vom 6. Mai 1945 „über das verlassene und aufgegebene Vermögen“, das implizit auch das der Deutschen im polnisch verwalteten Teil Ostdeutschlands betraf, besagte in Artikel 2 Paragraph 1: „Jedes bewegliche oder unbewegliche Vermögen, das Eigentum oder Besitz des deutschen Staates ist ... oder das Vermögen eines deutschen Staatsangehörigen oder von Personen, die die Seiten zugunsten des Feindes gewechselt haben, ist ein aufgegebenes Vermögen im Sinne dieses Gesetzes.“

Dieses Gesetz war Teil des perfiden Spiels der polnischen Seite im Vorfeld der Potsdamer Konferenz vom Juli/August 1945, auf der über die von Stalin und Polen geforderte Übertragung der deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße verhandelt werden sollte: Erst vertrieb man die Deutschen aus ihrer Heimat oder hinderte Flüchtlinge an der Rückkehr in die Ostgebiete, um dann zu behaupten, die deutsche Bevölkerung sei „fortgegangen“ und habe ihr Eigentum „aufgegeben“.

Nach der Potsdamer Konferenz setzte der Kreis um Bierut seine legislatorische Tätigkeit fort. Im Gesetz vom 3. Januar 1946 „betreffend die Übernahme der Grundzweige der nationalen Wirtschaft in das Eigentum des Staates“ hieß es, sämtliches Betriebseigentum in deutscher Hand – ganz gleich ob staatlich oder privat – falle nun entschädigungslos an den polnischen Staat. Und das Dekret vom 8. März 1946 „über das verlassene und ehemals deutsche Vermögen“ besagte, dass jedwedes deutsche Vermögen im polnisch verwalteten Teil Ostdeutschlands in Staatseigentum übergehe. Das sechste Bierut-Dekret war die Verordnung des Ministers für die wiedergewonnenen Gebiete und stellvertretenden Ministerpräsidenten Władysław Gomułka vom 24. März 1946 „über die Durchführung einer Erfassung des ehemals deutschen beweglichen Eigentums“. Und dann brachte das eingangs erwähnte siebte Dekret vom 13. September 1946 den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bezüglich der Austreibung und kompletten Enteignung der Deutschen in Polen und dem polnisch verwalteten Teil Ostdeutschlands. Es schloss nunmehr ausdrücklich auch die deutsche Bevölkerung in Ostdeutschland ein und ging insofern über das Dekret vom 28. Februar und die Gesetze und 6. Mai 1945 hinaus.

Erklärung des EGMR

Bis zum Jahre 2002 wurde die Frage der Unrechtmäßigkeit beziehungsweise Aufhebung der Bierut-Dekrete praktisch nur von den Vertriebenenverbänden in der Bundesrepublik thematisiert. Dann sprach es auch der damalige bayerische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat der CDU/CSU Edmund Stoiber aus, dass die polnischen Erlasse und Gesetze nicht „mit der europäischen Rechtsordnung vereinbar“ seien.

Hieraufhin entstand in Polen erhebliche Unruhe und der Historiker Włodzimierz Borodziej, dessen Vater Wiktor ein hoher Funktionär des polnischen Staatssicherheitsdienstes Służba Bezpieczeństwa (SB) gewesen war, behauptete mit offensichtlicher Rückendeckung seitens der Regierung in Warschau, die Dekrete seien „seit Langem erloschen“. Die Antwort auf die Frage, woraus er das schließe und was dies konkret bedeute, blieb Borodziej indes schuldig.

2008 erklärte sich der von den Vertriebenenverbänden angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für unzuständig, was Anträge auf Aufhebung der Bierut-Dekrete betraf. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Europäische Menschenrechtskonvention erst am 3. September 1953 in Kraft getreten sei.


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Kommentare

Jan Kerzel am 13.09.21, 09:20 Uhr

Die politische Macht setzt und schafft die Tatsachen, quasi die normative Kraft des Faktischen. Das juristische Larifari, in Deutschland besonders beliebt, ändert daran grundsätzlich gar nichts. Von der Politik installierte Gerichtshöfe stehen unter dem Primat des Politischen. Das muss man akzeptieren. Wer machtlos ist, ist eben auch ohnmächtig. Diese Klagen waren oft auch nur Alibi-Aktionen in dem Sinne, dass man ja was täte, aber halt kein Recht bekäme. Den allermeisten Vertriebenen war sowieso klar, es ist vorbei. Aus politischen Gründen wurden gewisse Hoffnungen Jahrzehnte am Köcheln gehalten. 1990/91 wurde die Sache dann komplett abgeblasen.

Siegfried Hermann am 13.09.21, 08:03 Uhr

Das war 1/3 der deutschen Staatsfläche.
Und neben den 30ziger Jahren das finsterste Kapitel polnischer Geschichte und wird in Polen bis heute tabuisiert.
Nebenbei:
Wenn die Griechen aber-Mrd- "Entschädigungs"-Leistungen unverfroren fordern, können wir von den Polen, Tschechen, Jugoslawen, Rumänen doch das gleiche verlangen!!!
Und im Gegensatz zu den Griechen steht das Völkerrecht auf unserer Seite!

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