08.07.2025

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Die Flagge der Ukraine als künftiges Mitglied weht mit der EU-Fahne – davon sind nicht alle begeistert
Bild: imago/ZoonarDie Flagge der Ukraine als künftiges Mitglied weht mit der EU-Fahne – davon sind nicht alle begeistert

Europapolitik

Polnisches Institut warnt vor EU-Beitritt der Ukraine

Bedenken wegen Korruption und Sorge vor einem für die Republik Polen eher unfairen Wirtschaftswettbewerb sind die Hauptgründe

Hagen Ritter
08.07.2025

Im Februar 2022 unterzeichnete Präsident Wolodymyr Selenskyj für die Ukraine einen Beitrittsantrag zur EU. Bereits im Juni 2024 haben Kiew und Brüssel offizielle Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Dass es in diesem rasanten Tempo weitergeht, ist jedoch keineswegs sicher.

Im Konflikt mit Russland ist Polen einer der wichtigsten Verbündeten der Ukraine. Zur Aufnahme des Nachbarlandes in die EU gibt es aber starken Gegenwind. Im vergangenen Jahr richteten sich die massiven Proteste polnischer Bauern nicht nur gegen die EU-Agrarpolitik allgemein, sondern ganz besonders auch gegen zollfreie Agrarimporte aus der Ukraine. Auch in der Gesamtbevölkerung Polens ist Skepsis weit verbreitet. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts IBRiS sind deutlich mehr Polen gegen einen EU-Beitritt der Ukraine als für eine Aufnahme des Nachbarlandes. Konkret lehnten bei der Umfrage 42 Prozent der befragten Polen einen EU-Beitritt der Ukraine ab. Lediglich 35 Prozent befürworten einen Beitritt. Gespeist wird die Ablehnung unter anderem aus Bedenken zur Korruption in der Ukraine und auch durch die Sorge vor einem unfairen Wirtschaftswettbewerb.

Aufschwung für die Ukraine
Eine neue Analyse des polnischen Wirtschaftsinstituts PEI kann die Skepsis vieler Polen bestärken. Die im Juni veröffentlichte Studie des Polish Economic Institute hat sich mit den wirtschaftlichen Folgen einer EU-Integration der Ukraine für die Nachbarländer beschäftigt. Kernaussage des Berichts ist, dass die Ukraine durch einen EU-Beitritt einen starken wirtschaftlichen Aufschwung erleben könnte, während die Vorteile für die direkt benachbarten EU-Länder nur gering ausfallen oder sogar eher negative wirtschaftliche Effekte zu erwarten sind.

Marktanteile brechen weg
Die Ukraine selbst kann sich nach Ansicht der Studienautoren berechtigte Hoffnungen machen, durch die Aufnahme in die EU binnen weniger Jahre zu einer regionalen Wirtschaftsmacht aufzusteigen. Denn der Zugang der Ukraine zum EU-Markt, kombiniert mit niedrigeren Arbeitskosten, würde laut dem Polish Economic Institute den Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse kräftig ankurbeln. Polen müsste allerdings im Gegenzug mit wegbrechenden Marktanteilen rechnen.Für die Ukraine bieten die niedrigen Arbeitskosten zusammen mit dem Zugang zum EU-Binnenmarkt nicht nur im Agrarsektor die Chance für ein starkes Wirtschaftswachstum. Florieren könnten auch Sektoren wie die Textilindustrie und das verarbeitende Gewerbe, aber auch das Baugewerbe und der Handel. Im Gegenzug würde der Druck auf die Produktionskapazitäten in den mittel- und osteuropäischen Ländern spürbar ansteigen.

Der Bericht prognostiziert für den Fall einer schnellen Integration einen potentiellen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in der Ukraine um 26 Prozent. Selbst in einem langsameren Beitrittsszenario profitiert die Ukraine laut der Untersuchung durch ein robustes Wachstum im Außenhandel und bei den Investitionen. Nach den Berechnungen des Warschauer Forschungsinstituts würde Polens Bruttoinlandsprodukt selbst unter einem optimistischen „Schnellkonvergenz“-Szenario dagegen nur um 0,17 Prozent steigen. Auch Litauen und Ungarn können nach Ansicht der Studienautoren nur mit Minizuwächsen rechnen.

Bis zu 19 Milliarden Euro
Schon zuvor hatten Denkfabriken und Forschungsinstitute immer wieder darauf hingewiesen, dass sich Polen überdies darauf einstellen muss, künftig viel weniger EU-Geld aus Brüssel überwiesen zu bekommen. Derzeit ist Polen noch immer der größte Nettoempfänger von EU-Mitteln. Nach einem EU-Beitritt würde die Ukraine diese Rolle übernehmen. Nach Berechnungen des Centre for European Policy Studies (CEPS) würde die Ukraine netto 18 bis 19 Milliarden Euro pro Jahr aus dem EU-Haushalt erhalten, wenn sie schon heute EU-Mitglied wäre. Die Folgen für die Finanzstruktur der EU wären allein schon mit der Aufnahme der Ukraine schwerwiegend. Zeitgleich mit der Ukraine hat aber auch die Republik Moldau im Juni 2023 den Status eines EU-Kandidaten erhalten. Zudem haben mehrere Staaten auf dem Westbalkan bereits einen Kandidatenstatus.

Sinn der EU-Erweiterung
Innerhalb der EU läuft schon längere Zeit eine intensive Diskussion, was die Aufnahme der Ukraine und möglicherweise der Westbalkanstaaten für die Zukunft der Europäischen Gemeinschaft bedeuten wird. Viele Beobachter gehen davon aus, dass in einer EU mit bis zu 35 Mitgliedern die gemeinsame Agrarpolitik vollständig überarbeitet werden müsste. Auch der drohende Gebrauch von destruktiven Vetos würde sich mit mehr Mitgliedstaaten vermutlich verstärken und die Entscheidungsfindung in der EU schwieriger machen.


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