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Im 19. Jahrhundert wurde Berlin zum Mittelpunkt einer edlen Schokoladenkultur. Heute knüpfen zahlreiche Pioniere wieder an diese glanzvollen Zeiten an – zum Teil mit alten Rezepten, neuen Zutaten und stets feiner Verarbeitung

Tanja Dückers
26.12.2021

Mit Preußen verbindet man vieles: wissenschaftliche Errungenschaften, deutsche Großmacht, militärische Dominanz, treibende Kraft der Gründung des Deutschen Reichs. Dass Preußen jedoch auch, vor allem in Berlin, für eine Blütezeit der Schokoladen- und Pralinenproduktion stand, ist nicht unbedingt bekannt. Doch in Preußen traf technisches Know-how und geschäftliches Geschick auf die Bedürfnisse einer mondänen, zunehmend genussorientierten Gesellschaftsschicht. Viele Süßwarenhersteller, darunter Familienunternehmen, Schokoladen- und Pralinenmanufakturen und edle Patisserien, die bis heute existieren, siedelten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Hauptstadt Preußens an. Kaffeehäuser mit ihren Verlockungen lösten zu Beginn des 20. Jahrhunderts die bürgerlichen Salons als intellektuelle Begegnungsorte ab. Berlin konnte und kann man – bis heute – getrost als „Wien des Nordens“ bezeichnen. Sogar einen Naschmarkt hat Berlin seit einigen Jahren.

Kakao war in Europa lange Zeit ein Luxusgut. Erst im 17. Jahrhundert erreichte der braune Stärkungstrank über die spanischen Eroberer in Lateinamerika das damalige Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Natürlich blieb die Trinkschokolade auch hier, wie im übrigen Europa, zunächst den Kaisern und Königen, später auch Adeligen, vorbehalten. Der Trinkschokolade haftete stets das Image verschwenderischen, höfischen Lebens an. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wird Kakao in Preußen nicht länger nur als Getränk und von Adligen auf dem Kanapee genossen, sondern zunehmend vom neuen Bürgertum und als Tafelschokolade. Der niederländische Apotheker Conraad van Houten erfand 1828 eine hydraulische Presse, mit der man das ölige Schokoladenpulver von einer Menge Fett befreien kann. Das nun fettärmere Kakaopulver wurde mit Zucker und geschmolzener Kakaobutter vermengt. Diese klebrige Süßspeise wurde zum Erfolgsprodukt, auch in Preußen. 1845 stellt der Schweizer Konditor Sprüngli die erste feste Schokolade her. In England, dem Pionierland der Industrialisierung, geht die erste Blockschokolade vom Band. Als der Schweizer Henry Nestlé 1867 ein Verfahren zur Herstellung von Milchpulver entwickelte, ist der Schritt zur Entwicklung von Rezepturen für Milchschokolade gemacht. Das Angebot an Schokoladenprodukten und -produzenten boomt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Da Zölle und Steuern gesenkt wurden oder entfielen, werden kakaobasierte Produkte erschwinglicher.

Schokoladen-Boom in der Gründerzeit

Zudem erschloss sich dank neuer Technologien mit der heimischen Zuckerrübe eine neue Quelle aus eigener Produktion: Die Zuckerrübe kann zu Rübenzucker verarbeitet werden. Zuvor stammte das Luxusprodukt Zucker aus dem Zuckerrohr der Kolonien. Anbau und die Gewinnung waren eng mit der Ausbeutung und Versklavung verbunden. So ersparte man sich den umständlichen Import. Humanitäre Aspekte spielten damals weniger eine Rolle als ökonomisch-logistische. Die wissenschaftlichen Grundlagen für die Züchtung der Zuckerrübe wurden ab Mitte des 18. Jahrhunderts in Berlin von den Chemikern Andreas Sigismund Marggraf und Franz Carl Achard gelegt. Diese züchterische Innovation löste eine ökonomische Revolution in der Landwirtschaft aus. Neue innovative Gerätschaften wie der Rübenköpfschlitten oder der Furchenzieher machten dies möglich. Schon Ende des 19. Jahrhunderts war Rübenzucker der wichtigste Exportartikel des Deutschen Reiches. Kakaobohnen wurden jedoch weiterhin aus den Kolonien importiert.

Ferner löst die Einigung Deutschlands nach dem deutsch-französischen Krieg (1870–71) einen Gründerboom aus. Französische Reparationszahlungen und vereinfachter Handel zwischen den deutschen Ländern führen zu wirtschaftlichem Aufschwung. Der Krieg selber kommt den deutschen Schokoladenproduzenten nicht ungelegen, verschwinden so doch die hochwertigen französischen Produkte für eine Weile vom Markt.

Schokoladen- und Pralinen-Manufakturen gründeten sich in der preußischen Hauptstadt oder konnten sich etablieren. Berliner Firmen und Betriebe wie „Sarotti“ (1852), die „Konditorei Buchwald“ (1852), „Fassbender“ (1863, später mit „Rausch“ fusioniert), die Pralinenmanufaktur „Sawade“ (1880), die „Confiserie Reichert“ (1882), „Erich Hamann – bittere Schokoladen“ (1912), die „Walter Confiserie“ (1915), „Rausch“ (1918), die „Bäckerei Siebert“ (1906) oder „Aseli – Schaumzucker aus Berlin“ (1921) – um nur einige Beispiele zu nennen – haben eine zum Teil weit über hundertjährige Geschichte, oft am gleichen Standort und in Hand der Gründerfamilie.

Das Beispiel Sarotti

Ein preußisches Beispiel für frühe Tafelproduktion bietet „Sarotti“. Im Jahr 1852 gründete Heinrich Ludwig Neumann mit seinem Sohn Louis – Wohlhabende und Gebildete gaben sich in dieser Zeit gern frankophil – die „Confiseur-Waren-Handlung Felix & Sarotti“ in der Friedrichstraße. Der Name ist bis heute ungeklärt. Wieso Felix und das etwas zirkushaft-burleske Sarotti? Dennoch ist dieses Faktotum bis heute Name des berühmten Schokoladenunternehmens. Der Laden ist trés chic: Luxuriöse orientalische Embleme betonen den exotischen und edlen Charakter der besonderen Waren. 1868 kommt der 24-jährige, eigentlich aus dem Schwäbischen stammende Konditor Hugo Hoffmann zurück aus Paris von seiner Konditorenausbildung. In der aufstrebenden, sehr schnell wachsenden preußischen Hauptstadt rechnet er sich mehr Chancen darauf aus, hier ein eigenes Unternehmen zu gründen als „dahoim“. Im Jahr 1872 kann er in der Mohrenstraße 10 in Mitte Räume übernehmen sowie die Verkaufseinrichtung von der „Confiseur-Waren-Handlung Felix & Sarotti“. Der Name scheint ihm zu gefallen, denn er nennt seine Produkte von nun an nicht Hoffmann, sondern „Sarotti“. Als echter Verkaufsschlager beim gehobenen Bürgertum erweisen sich seine Pralinen und neuartigen Schokoladentafeln. Sie gelten als neue Trendprodukte für die, „die es sich leisten können“. Das Geschäft floriert, sodass Hoffmann größere Räume sucht. Schließlich entscheidet er sich im Jahr 1883 für ein altes Fabrikgebäude an der verkehrsgünstig gelegenen Belle-Alliance-Straße 81 (heute Mehringdamm 57). Der Konditor beginnt nun hier, Schokolade industriell herzustellen, er wird zum Dampf-Chokoladen-Fabrikanten. Nach einer Erweiterung im Jahre 1921 ist Sarottis „Deutsches Chocoladenhaus“ die größte Schokoladenfabrik weltweit. Der „Sarotti-Mohr“ wird zu einer der bekanntesten Werbefiguren weltweit (vor fünfzehn Jahren wurde aus dem „Sarotti-Mohr“ der „Sarotti-Magier der Sinne“. Statt servil ein Tablett in der Hand zu halten, wirft er nun Sterne in die Luft, außerdem hat er goldene Haut).

Das einfache Volk konsumierte Kakao noch bis ins 20. Jahrhundert hinein als Arzneimittel. In Apotheken als Gesundheitsschokolade angepriesen, wurde sie pur oder mit Zusätzen als Heil- und Stärkungsmittel teuer verkauft. Theodor Fontane hat Schokolade in seiner Apotheke (im heutigen Kunstquartier Bethanien) verkauft. Die historische Apotheke kann man noch heute besichtigen. Bis ins Jahr 1953 wurden in Deutschland auf Theobromin (einem wichtigen Inhaltsstoff von Kakao) basierte Arzneimittel verkauft. Es war Alexander von Humboldt, der feststellte: „Kein zweites Mal hat die Natur eine Fülle der wertvollsten Nährstoffe auf einem so kleinen Raum zusammengedrängt wie bei der Kakaobohne.“ Schätzungen zufolge sind im Kakao etwa 300 verschiedene Inhaltsstoffe vorhanden. Frauen mischten früher solche Mittel ihren Männern gern ins Getränk, da sie angeblich das Liebesleben förderten. Das Image der Schokolade wandelte sich hin zum begehrten Luxusprodukt, das man nicht in erster Linie aus gesundheitlichen Gründen, sondern des puren Genusses wegen verzehrte.

Trendprodukt der Jahrhundertwende

Um die Jahrhundertwende war die Praline ein Trendprodukt (wie zu Beginn der Nuller Jahre hundert Jahre später der Latte Macchiato) für junge, wohlsituierte, etwas dekadente Leute, deren Leben sich irgendwo auf der Chaiselongue zwischen Ennui und Lustbarkeit abspielte – und Berlin war ihre Hochburg der Confiserie-Kunst. Das KaDeWe, 1907 eröffnet, hat schon damals eine richtungsweisende Feinkostetage mit einer erlesenden Auswahl an Pralinen, Konfekt und Tafelschokoladen. „Die Sechste“ – die Feinkostetage – mit ihrer sagenhaft langen Pralinentheke ist bis heute weltberühmt. Es gab damals zahlreiche Schokoladen- und Pralinenfirmen mit zirkushaften Namen wie Frisöni, Nizelli, Kynast, Kwieschinsky, Cyliax, die alle vor dem Ersten Weltkrieg etabliert und erfolgreich waren. Die Goldenen Zwanziger Jahre waren in Berlin ebenso süß wie verrückt: Das Kaffeehaus übernahm zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Rolle früherer bürgerlicher Salons. Das Café des Westens (vom Volksmund „Café Größenwahn“ genannt), das berühmte Romanische Café, in dem Gottfried Benn, Erich Kästner, Else Lasker-Schüler, Bertolt Brecht, Mascha Kaleko und viele andere Literaten Stammgäste waren, das Café Josty (erwähnt von Erich Kästner in „Emil und die Detektive“) waren Treffpunkte der Szene.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Schokolade unter dem Begriff Fliegerschokolade als Luftwaffenverpflegung der Wehrmacht verwendet, zum Teil auch für die Verpflegung anderer Waffengattungen. Scho-Ka-Cola, ein Gemisch aus Schokolade mit Kaffee und Cola, galt als Wachmacher an der Front. Für Hitler und die Wehrmachtsführung war Kakao wieder nur unter dem Aspekt der Stärkung interessant.

Geteilte Schokoladenhauptstadt

Während der Luftbrücke wurden Tausende von Schokoladentafelpäckchen über dem Flughafen Tempelhof abgeworfen. Noch heute erzählen alte Berlinerinnen, wie gut ihnen diese Schokolade (es war Hersheys) geschmeckt habe. Es gibt Damen, die bis heute nur Schokolade essen möchten, die – zumindest ihrer Erinnerung nach – so schmeckt wie die Rosinenbomberschokolade damals.

Krieg, Nachkriegsnot und Mauerbau setzten vielen „süßen“ Betrieben und Unternehmen in Berlin zu. Viele müssen schließen oder sich verkleinern. Für Luxus und Genuss ist nicht recht Zeit und Geld vorhanden. Der schwäbische Schokoladenhersteller „Ritter Sport“ avanciert zu Westdeutschlands beliebtester Schokoladenmarke. Sein Werbeslogan „Quadratisch. Praktisch. Gut.“ sagt viel aus über die innere Haltung der Westdeutschen gegenüber dem süßen, eigentlich ziellosen, nur sich selbst genügenden Genuss. Immerhin überleben einige der alten Vorkriegs-Kaffeehäuser. Das Kranzler oder das Möhring verströmen bis in die 90er Jahre hinein eine etwas plüschige „Man-gönnt-sich-wieder-etwas-Behaglichkeit“.

In der DDR erlebt die Süßwarenkultur keine Höhenflüge. Manche alten Firmen können sich halten wie „Halloren“ (1804 in Halle gegründet). Der größte Süßwarenhersteller in der DDR, die VEB-Elfe-Schokoladenfabrik, produzierte wenig schmackhafte Schokolade. Im Windschatten des omnipräsenten Schokoladenherstellers „Ritter Sport“ und des staubigen „VEB Elfe“ überwinterten auf beiden Seiten der Mauer jedoch eine Reihe alteingesessener Manufakturen und Familienbetriebe.

Nach dem Mauerfall und mit der Wiedervereinigung wächst Berlins süße Mitte wieder zusammen. Die Gegend um den Gendarmenmarkt war früher ein Zentrum für anspruchsvolle Mode, Kultur – und Schokoladenerzeugnisse – gewesen. Heute ist mit dem „Rausch Schokoladenhaus“ an einer der schönsten Ecken Berlins geradezu eine Schokoladen-Kathedrale entstanden. 100 Jahre nach dem Boom zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Kaiserreich setzt eine neue Glanzzeit des Süßen in der neu gekürten Hauptstadt ein.

Die kulinarische Vielfalt in Berlin hat sich seit der Wende enorm vergrößert. Neue Gourmet-Restaurants haben sich in Berlin niedergelassen, die Zahl der Cafés explodierte, 9000 Cafés soll es nun in der Hauptstadt geben. Eine Reihe engagierter junger Leute, mit guten Ideen, aber oft wenig Kapital, wagt den Schritt, kleine Manufakturen, Konfiserien und Cafés aufzumachen und trägt entscheidend zu Berlins neuer süßer Seite bei. Die Jungen setzen jetzt wieder fort, was in Berlin lange Tradition hat, übernehmen Omas Rezepte, Opas Inventar, manchmal auch nur den Namen, um etwas Neues mit einem Hauch von Tradition zu starten.

Pioniere einer süßen Bewegung

Es gibt viele Pioniere der neuen süßen Bewegung. Plötzlich öffnen Schlag auf Schlag „In't Veld“ am Helmholtzplatz, „Doçura“ in Kreuzberg, „Der Süßkramdealer“ und „Frau Behrens Torten“ in Friedenau, „Das süße Leben“, „Mamsell“ und „Winterfeldt Schokoladen“ in Schöneberg (in einer Gründerzeit-Apotheke untergebracht, kann man hier nun wieder wie einst das Stärkungsmittel Schokolade in allen Varianten kaufen), das „Cupcake“ und das „Olivia“ in Friedrichshain – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Diese Pioniere starten kulinarische Kleingewerbe, als die Mieten in Berlins Innenstadt noch bezahlbar sind.

Fand sich, zumindest bei den Jüngeren, zuvor Gebäck eher in Form eines schnell konsumierbaren „praktischen“ und günstigen Muffins neben dem „Coffee to go“, fängt man wieder an, in Cafés zu gehen, die man vor wenigen Jahren noch als tantig und bieder empfunden hätte. Auf einmal will man statt einem unkaputtbaren Muffin, den man auch nach einem Achtstundentag heil aus dem Parka befördern kann, lieber ein Stück mächtiger Orangen-Buttercremetorte nach Tante-Erna-Rezept (gern auch in vegan abgewandelter Variante) verspeisen. Und anstatt hässlichen To-Go-Müll zu produzieren, möchte man seinen Kaffee aus einer Porzellantasse trinken. In nur zehn Jahren (2008 bis 2018) hat sich in Berlin die Zahl der Konditoreien verdoppelt (ebenso übrigens die Zahl der handwerklichen kleinen Brauereien und der Mälzereien). Das belegen Zahlen des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

Die Berliner entdecken wieder ihre Freude an handwerklich hergestellten Qualitäts-Lebensmitteln. Schokolade, Pralinen und Gebäck gelten wieder als hochwertige edle Produkte, die man zum Glas Wein konsumiert. Der Trend zum Hochwertigen wurde auch durch die Preissteigerung zum Beispiel für Kakao und Vanille (der Vanille-Preis hat sich in den vergangenen fünf Jahren verzehnfacht) auf dem Weltmarkt begünstigt. Zudem haben Kunden oft ein gewachsenes Bewusstsein über unfairen Handel entwickelt und wollen keine Kinderarbeitsschokolade mehr kaufen.

Es fällt auf, dass im ersten und zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts eine gewisse Feminisierung der Kaffeehauswelt stattgefunden hat. Viele neue Konfiserien wurden nun von jungen Unternehmerinnen gegründet, die keine Scheu vor fliederfarbenem Dekor und Blümchentapete haben. Hundert Jahre zuvor waren Kaffeehäuser oft dunkle mit Zigarrengeruch angefüllte Stuben für Herren im Zylinder mit Zeitung und Zigarre in der Hand. Frauen eher unerwünscht. Manche Cafés hatten ein Raucher- und ein Billardzimmer, zu denen dem weiblichen Geschlecht der Zutritt verwehrt wurde. Frauen sollten sich mit dem Damensalon begnügen oder doch gleich zu Hause bleiben.

Neue Lust auf ausgefallene Zutaten

Die Berliner Avantgarde bedient im Zeitalter des Individualismus einen ausdifferenzierten Geschmack. Eine neue Lust am Experimentieren zeichnet die jungen Patissiers und Konditoren aus. Kein Gemüse und kein Obst, kein Gewürz, das nicht Eingang in eine neue süße Kreation findet und bezaubert. Berlin ist mal wieder ganz vorn mit dabei. In der Hauptstadt gibt es derweil kulinarisch betrachtet wirklich alles. Auf dem Naschmarkt in der Markthalle Neun in Kreuzberg – einem Fest der guten süßen Dinge und der Handwerkskunst – kann man staunen, was es alles für originelle Manufakturen auf dem süßen Sektor in Berlin und Brandenburg gibt. Bemerkenswert ist, wie viele der süßen Pioniere aus anderen Ländern kommen, aus dem europäischen Ausland, aber auch aus Japan, Syrien, der Türkei, Brasilien und den USA – oder im Ausland, zum Beispiel in Paris, Singapur oder Tokio, in Patisserien gearbeitet haben, um dann ihren Traum vom eigenen Café oder der kleinen Manufaktur in Berlin zu verwirklichen.

Von der Feudalgesellschaft mit ihren dekadenten Nischen, von Diktatur, Krieg, Planwirtschaft und Autoritarismus über den Nachkriegs-Massenkonsum bis hin zum neuen Individualismus und zur Rückkehr zum heute oft ökologisch begründeten Handwerk – Berlins süße Seiten zeigen: Das Süße hier ist so frech, originell, lustbetont und oft erstaunlich traditionell, kurz: so ungewöhnlich wie die Stadt selber. Und was heute schillert, funkelt und köstlich schmeckt, fußt zu einem Teil auf einer Tradition aus preußischen Zeiten.

• Tanja Dückers ist Schriftstellerin, Literaturwissenschaftlerin und Publizistin. Zuletzt erschien „Das süße Berlin. Die Schokoladenseiten der Hauptstadt“ (Insel 2021). Zusammen mit dem Berliner Chocolatier Christoph Wohlfarth rief sie 2017 die Stadt-teilschokolade-Edition „Preussisch süß“ ins Leben (siehe den Kasten links).
www.tanjadueckers.de

Was ist „Preussisch süß“?
„Preussisch süß“ unternimmt den Versuch, den Charakter der so grundverschiedenen Berliner Stadtteile in geschmacklich treffende Schokoladenporträts zu verwandeln. Kleine Texte auf der Rückseite geben Auskunft über die Auswahl der Ingredienzen und das Image des jeweiligen Stadtteils. Manchmal wird auf Historisches rekurriert, manchmal auf kulinarische Traditionen. Klischees werden hierbei mit einem Augenzwinkern bedient und nicht vermieden. „Preussisch süß“ erinnert daran, dass Preußen nicht nur eine militaristische Tradition besaß, sondern vor allem in Berlin für eine Blütezeit der Schokoladenproduktion stand. „Preussisch süß“ ist eine Edition, die die Berliner Schriftstellerin und Schokoladenliebhaberin Tanja Dückers konzipiert und 2017 gemeinsam mit dem Berliner Chocolatier Christoph Wohlfarth ins Leben gerufen hat. Die für „Preussisch süß“ verwendeten Schokoladen werden aus bio-zertifizierten Edelkakaobohnen hergestellt. Der Kakao stammt aus nachhaltigem Anbau und wird im direkten Handel von Kooperativen in Peru eingekauft.

www.preussisch-suess.shop


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