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Potsdam

Preußische Porzellandiplomatie

Marmorpalais stellt Tafelservice der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin aus – Ein „Friedensgeschenk“ von 1795 an Frankreich

Harald Tews / SPSG
06.06.2023

Speisen wird von diesem Gedeck heute niemand, dafür ist es zu kostbar. Denn die 37 Teile eines Tafelservices, das die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) vorigen Sommer erwerben konnte, stellte die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) ab 1795 für König Friedrich Wilhelm II. (1744–1797) her. Dieses Service mit seiner besonderen „fleurs en terrasse“ genannten Blumenmalerei wurde im Berliner Schloss verwendet und erfreute sich noch im späteren 19. Jahrhundert großer Beliebtheit bei Hofe.

Unter dem Titel „Die Blüte(n) des Klassizismus“ präsentiert das Potsdamer Marmorpalais, das frühklassizistische Sommerschloss Friedrich Wilhelms II. am Heiligen See, bis zum 15. Oktober eine nach zeitgenössischen Vorbildern gedeckte Mittagstafel. In einer Vitrine wird die faszinierende Entstehungs- und Nutzungsgeschichte des Services zusätzlich durch selten gezeigte zeitgenössische Vergleichsstücke illustriert.

Durch die Französische Revolution entbrannten Kriege zwischen Frankreich und den benachbarten Monarchien. Schwere Niederlagen zwangen Friedrich Wilhelm II. von Preußen die Französische Republik im Frieden von Basel (5. April 1795) anzuerkennen. Der französische Gesandte François Barthélemy (1747–1830) erhielt als diplomatisches Geschenk ein Tafelservice aus dem Besitz des Königs. Als Ersatz lieferte die KPM Friedrich Wilhelm II. das hier gezeigte Service mit „fleurs en terrasse“.

Eine Geschmacksrevolution
Das an Barthélemy verschenkte Service ist heute nur in sehr wenigen Teilen erhalten. Erfreulicherweise konnte die SPSG im Frühjahr jedoch einen Teller aus dem Service erwerben, der ebenfalls in der Sonderpräsentation zum ersten Mal gezeigt wird.

Am Vergleich mit dem konventionell gestalteten Teller aus dem Barthélemy-Service wird der moderne Charakter des neuen königlichen Services mit seiner neuartigen Blumenmalerei besonders deutlich. Der Dekor „fleurs en terrasse“ zeigt keine stilisierten Sträuße oder Streublumen, wie bislang üblich, sondern Blumen, die natürlich aus einer Wiese wachsen. Inspiriert wurde dieses Dekor durch Wandmalereien der römischen Antike, deren illusionistische Malerei den Eindruck von Gärten in Innenräumen erzeugen sollte. Die bekanntesten Beispiele solcher antiken Wandmalereien befinden sich heute in Pompeji, Herkulaneum und Rom, zum Beispiel in der Casa dei cubicoli floreali und im Haus der Livia (allerdings waren diese um 1795 noch nicht entdeckt). Zu offiziellen Anlässen wurde das Service mit einem Tafelservice Friedrichs des Großen aus Gold oder vergoldetem Silber kombiniert. Der auffällig breite Goldrand und die Einteilung in fünf Segmente tragen dieser Nutzung Rechnung.

1793 ist das Dekor „fleurs en terrasse“ erstmals in einer Lieferung der KPM nachweisbar. Es handelte sich dabei um ein kleines Kaffeeservice („Déjeuner“), das Königin Friederike Luise (1751–1805) erhielt. Weitere Lieferungen der KPM zeigen, dass die Königin die Blumenmalerei „en terrasse“ besonders schätzte. Nach 1797 ließ Friederike Luise den Sommersaal in ihrem Landsitz Schloss Freienwalde mit Landschaftstapeten ausstatten, die ebenfalls den römischen Wandmalereien nachempfunden waren. Im Zusammenspiel mit klassizistischen Porzellanen und Möbeln erzeugten sie das Gefühl einer „gelebten Antike“. Auch dieses Kapitel wird über Vergleichsstücke in der Vitrine illustriert.

Zu Tisch, bitte!
Zur Ausstattung der gedeckten Tafel werden zeitgenössische Bestecke aus dem Besitz der Königin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern (1715–1797), der Ehefrau Friedrichs des Großen, und von Luise von Mecklenburg-Strelitz (1776–1810), der Gemahlin des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (als König später der III.), verwendet. Auch die Kelchgläser und Karaffen sind zeitgenössisch und teilweise mit dem königlichen Monogramm versehen. Quellen aus dem KPM-Archiv legen nahe, dass die Manufaktur 1795 auch ägyptisch anmutende Messerbänkchen zur Verwendung mit dem Service lieferte, auf denen benutztes Besteck abgelegt werden konnte. Zwei derartige Stücke aus dem Bestand der SPSG werden auf der Tafel gezeigt. Mit freundlicher Unterstützung der KPM Berlin, die einen Kunstharzabguss zur Verfügung stellte, konnten weitere Nachbildungen hergestellt werden, um die Gedecke zu vervollständigen.

Die Tafel ist zudem mit scherenschnittartigen „Cut-Outs“ geschmückt, deren ausgefallene Umrisse verschiedene Vorspeisengerichte darstellen. Die Gattung des Scherenschnitts ist bewusst gewählt. So kamen Schattenrisse im späten 18. Jahrhundert in Mode, insbesondere als einfache, aber effektive Alternative zum gemalten Porträt. Auch auf zeitgenössischen Porzellanen der KPM erscheinen solche Silhouettenportraits der königlichen Familie.

Mit seiner Blumenmalerei zauberte das Service begehrte Zierblumen, wie Aurikel, Ranunkeln, Nelken und Anemonen, sowie sentimental konnotierte Sorten wie Vergissmeinnicht und Stiefmütterchen (französisch „pensée“, der Gedanke) gewissermaßen aus dem Garten auf den Tisch. Um diesen Bezug zur historischen Gartenwelt aufzuzeigen und auf die Sonderpräsentation aufmerksam zu machen, werden an drei Standorten im Neuen Garten Blumenkübel aufgestellt. Die Gärtner der Stiftung haben diese mit den auf dem Tafelservice dargestellten Blumensorten bepflanzt.

Bis 15. Oktober, Marmorpalais, Im Neuen Garten 10, Potsdam, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17.30 Uhr, Eintritt:
8 Euro, Besichtigung im Rahmen des regulären Schlossbesuchs www.spsg.de


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