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Prinzipienfester Stadtwerkmeister

„Architekt der allerprächtigsten Republik Augsburg“ – Dem vor 450 Jahren geborenen Elias Holl widmet seine Vaterstadt eine Schau

Veit-Mario Thiede
24.08.2023

Elias Holl hat wie niemand sonst Augsburgs Stadtbild geprägt. Herausragendes Zeugnis seiner Baukunst und Wahrzeichen Augsburgs ist das Rathaus. Markante Erscheinungen sind auch das Zeughaus, die Stadtmetzg und der Rote Turm. Holl (1573–1646) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Architekten der Renaissance und ist in seiner Heimatstadt Augsburg trotz Konkurrenz durch den heiligen Ulrich, Jakob Fugger den Reichen und den Dramatiker Bertolt Brecht die wohl beliebteste historische Persönlichkeit.

Die Stadt ehrt den vor 450 Jahren geborenen Elias Holl mit einer großen Sonderausstellung, die sich durch das ganze Maximilianmuseum zieht und 334 Objekte umfasst. Nach dem Ausstellungsrundgang ist es empfehlenswert, einen Stadtbummel zu Holls Bauwerken zu unternehmen.

In Stadt und Ausstellung begegnen wir wiederholt Büsten und Ritzzeichnungen, die Holl darstellen. Sie orientieren sich am Kupferstich, den Lucas Kilian von seinem Freund Elias Holl 1619 schuf. Dem ging eine Kohlezeichnung voraus. Sie zeigt den mit Schnurr- und langem Kinnbart ausgestatteten Holl hoch erhobenen Hauptes. Selbstbewusst scheint er uns zu mustern. Der Kupferstich wandelt Holls Erscheinungsbild ab. Er hat nun den Kopf schief gelegt, blickt an uns vorbei und wirkt jünger.

Holl will dem Betrachter etwas zeigen. In den Händen hält er die aufgerollte Zeichnung seines Hauptwerkes: des Rathauses. Der Kupferstich ist mit einem lateinischen Text versehen, der uns den Portraitierten als „Architekten der allerprächtigsten Republik Augsburg“ vorstellt.

Die Amtsbezeichnung des gelernten Maurermeisters Holl lautete „Stadtwerkmeister“. Er war für die gesamte bauliche Infrastruktur der freien Reichsstadt Augsburg verantwortlich. Holl erstellte Kostenvoranschläge und Baugutachten, prüfte die Vermessung und Bewertung von Grundstücken, beschaffte und verwaltete die Baumaterialien. Für die städtischen Bauvorhaben zeichnete er die Grund- und Aufrisse. Sie sind in der Schau ebenso vertreten wie Holzmodelle der geplanten Bauwerke. Holl kam zugute, dass der Rat der Stadt bestrebt war, durch repräsentative Bauwerke Augsburg zu verschönern. Er war zunächst von 1602 bis 1630 Stadtbaumeister und konnte trotz des 1618 ausgebrochenen Dreißigjährigen Krieges ungestört weiterbauen.

Im Dreißigjährigen Krieg gewann anfangs Kaiser Ferdinand II. die Oberhand. Das bewog ihn, 1629 das Restitutionsedikt zu erlassen. Es bestimmte, dass alle nach 1552 der katholischen Kirche entzogenen Güter zurückzuerstatten seien. Für Augsburg bestimmte der Kaiser, dass nur Katholiken städtische Ämter bekleiden dürfen. Da Holl Protestant war und sich weigerte, zum katholischen Glauben überzutreten, beurlaubte ihn der Stadtrat 1630 und entließ ihn im Jahr darauf ehrenvoll aus seinem Amt. Die vom protestantischen König Gustav II. Adolf angeführten Schweden besetzten 1632 kampflos Augsburg. Nun war Holl wieder bis zu deren Abzug 1635 Stadtbaumeister.

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Holls erstes Meisterwerk ist das 1602 bis 1607 erbaute Zeughaus. Seine Federzeichnung (1603) der repräsentativen Ostfassade entspricht weitgehend dem realisierten Bau. Über dessen Portal ließ Holl 1607 die vom Tiroler Bronzeplastiker Hans Reichle entworfene Figurengruppe des Erzengels Michael anbringen, der Luzifer in die Hölle stürzt. Im Vertrag mit Reichle heißt es, die Bronzegruppe solle der Reichsstadt „Lob und Ruhm“ eintragen. Das tut sie.

Holls nächstes Hauptwerk ist das von 1606 bis 1609 errichtete Zunfthaus der Metzger, „Stadtmetzg“ genannt. Der von den Malern Joseph Heintz d. Ä. und Johann Matthias Kager erstellte „Halbe Fassadenriss zur Stadtmetzg“ (vor 1606) weist uns darauf hin, dass bei wichtigen Bauvorhaben auch Künstler Entwürfe für die Fassadengestaltung lieferten. Das Bäckerzunfthaus und viele andere Bauten Holls existieren nicht mehr. Die Schau erinnert an sie mit Entwurfszeichnungen und historischen Kupferstichen.

Fassadenrisse und Holzmodelle dokumentieren ausführlich die wendungsreichen Planungsphasen des Rathausneubaus. Die Grundsteinlegung erfolgte 1616. Vier Jahre später war der Bau vollendet.

Die zum Rathausplatz gerichtete Westfassade weist einen vorspringenden Mittelbau mit sechs Fensterachsen auf. Die niedrigeren Seitenteile haben eine Balustrade, auf deren Ecken die für Holl typischen Zierobelisken stehen. Über den beiden Treppenhäusern ragen die mit kupfergrüner Zwiebelhaube ausgestatteten Türme auf. Für die Fassadengliederung sorgen flache Eckquader, Wandvorlagen und die steinernen Überdachungen der Fenster, die in jedem Stockwerk anders gestaltet sind. Etwa als flacher Bogen oder als Dreiecksgiebel. Den zweistöckigen Rathausgiebel bekrönt Augsburgs Stadtsymbol: die Zirbelnuss, auch „Stadtpyr“ genannt.

Aufs Schönste demonstriert das Rathaus, was Holl auf seiner Italienreise von 1600 bis 1601 gelernt und in Augsburg eingeführt hat: Waren die Fassaden bis dahin eben und allenfalls illusionistisch bemalt, gewinnen die von Holl gestalteten Plastizität durch den Einsatz von Wandvorlagen, Gesimsen, Fensterrahmungen und die als Ohren oder Voluten bezeichneten Spiralbögen an den Ansätzen der Giebel.

Herzstück des Rathauses ist der Goldene Saal. Der 1643 unter der Regie des Stadtmalers Kager vollendete, mit Wand- und Deckenmalerei sowie blattgoldgeschmückter Holzvertäfelung ausgestattete Saal ging bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg unter. Seine getreue Rekonstruktion erfolgte von 1980 bis 1996.

Auf dem Weg zu ihm begegnen wir im südlichen Treppenhaus Holls in die Wand eingelassenem originalen Grabstein. Auf ihm wird auch seiner beiden Ehefrauen gedacht, mit denen er 21 Kinder hatte. Eines der Deckenbilder des Goldenen Saals zeigt Holl, der sich mit der Göttin der Baukunst berät.

Bis 17. September im Maximilianmuseum, Fuggerplatz 1, Augsburg, geöffnet täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, Eintritt: 12 Euro. www.kmaugsburg.de/holl


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