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Einwanderungswelle

Problem eskaliert – Regierung streitet

Brandenburgs Kommunen beklagen Überlastung. Doch zwischen CDU und Grünen herrscht Uneinigkeit

Hermann Müller
21.03.2023

Mit fast 39.000 Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und Asylsuchern hat Brandenburg vergangenes Jahr mehr Menschen aufgenommen, als die märkische Stadt Fürstenwalde Einwohner zählt. In diesem Jahr muss das Land mit einer ähnlich hohen Zuwanderungszahl rechnen.

Der parteilose Landrat von Oberspreewald-Lausitz, Siegurd Heinze, hat mittlerweile mehrfach gewarnt, dass die Belastungsgrenze der Kommunen erreicht sei. Zu den Forderungen des Landrats aus dem Südosten Brandenburgs gehört eine „Rückführungsoffensive“ für Personen, die keine Asylchance haben. Heinze fordert auch eine andere Verteilung in der EU und ein Umdenken bei den freiwilligen Aufnahmeprogrammen von Bund und Land.

Der anhaltende Zustrom setzt längst nicht nur die märkischen Landkreise unter Druck. Eine extrem kurzfristige Absage eines „Flüchtlingsgipfels“ durch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) hat öffentlich gemacht, wie zerstritten die rot-schwarz-grüne Landesregierung beim Thema Zuwanderung ist. Ursprünglich wollte der Innenminister mit Landräten und Oberbürgermeistern am 10. März über Maßnahmen zur Bewältigung der massiven Zuwanderung reden. Nur einen Tag vorher sagte das Innenministerium die Konferenz allerdings ab.

Tiefe Gräben in der Koalition

Zur Begründung sagte Stübgen: „Die Kommunen erwarten vollkommen zu Recht, dass sich die Landesregierung einig ist bei der Frage, wie sie die kommunale Ebene bei der Verteilung und Integration von Flüchtlingen nachhaltig entlastet.“ Weitere Hintergrundinformation zur Absage lieferten regionale Medien. Sie berichten über Streit innerhalb der rot-schwarz-grünen Koalition. Wie tief die Gräben in Brandenburg zwischen den Koalitionspartnern CDU und Grünen klaffen, war schon wenige Tage vor dem geplatzten Gipfel deutlich geworden, als ein internes Arbeitspapier des Innenministeriums durch Berichte der „Märkischen Oderzeitung“ und des rbb öffentlich wurde.

In dem offensichtlich durchgestochenen Papier schlägt das Ministerium vor, in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Frankfurt an der Oder und in Wünsdorf die Zahl der Plätze um rund 3000 aufzustocken. Asylbewerber ohne Bleibeperspektive will Stübgen zudem nicht auf die Kommunen verteilen. Diese Asylbewerber sollen nach dem Plan des Innenministeriums zunächst bis zu 24 Monate in der Erstaufnahme bleiben. Danach könnten diese Ausländer in einer neuen „Landesobhut“ untergebracht werden.

Zur Umsetzung dieses Plans müsste Brandenburg sein Landesaufnahmegesetz ändern. Das Problem dabei: Federführend wäre hier nicht der Innenminister, sondern Integrationsministerin Ursula Nonnemacher von den Grünen. Deren Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag, Petra Budke, wies den Plan aus dem Innenministerium allerdings scharf zurück: „Wir als Bündnis 90/Die Grünen stehen dafür, Geflüchtete und besonders auch schutzsuchende Frauen möglichst schnell in den Kommunen unterzubringen“, so Budke. Sie meldete zudem Zweifel an, wie der Innenminister die Bleibeperspektiven der Asylsucher bewerten will. Der SPD-Fraktionschef Daniel Keller stimmte wiederum der Vergrößerung der Erstaufnahmeeinrichtungen und längeren Verweildauern zu. Allerdings kritisierte er Stübgens Plan, auch in Frankfurt noch mehr Plätze zur Unterbringung zu schaffen.

Unterbringung allein reicht nicht

Tatsächlich hat die Oderstadt unter dem Linkspartei-Oberbürgermeister René Wilke bereits überproportional viele Asylsucher und ukrainische Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Auf Anfrage von Stadtverordneten der AfD hatte Wilke erst vor zwei Monate erklärt, die Stadt werde wegen fehlender Kapazitäten zunächst keine weiteren Asylsucher mehr aufnehmen. Trotz der unübersehbaren Integrationsprobleme in der Stadt sollen in Frankfurt an der Oder nach dem Willen des brandenburgischen Innenministeriums nun weitere 800 Asylsucher in einem ehemaligen Hotel untergebracht werden. Dabei scheinen die Probleme bereits programmiert. Der Standort für die Massenunterkunft liegt im Außenbereich der Stadt, zwischen zwei kleinen Ortschaften mit wenigen Hundert Einwohnern. Dementsprechend mager sieht es bei den Freizeitangeboten, Einkaufsmöglichkeiten und sonstiger Infrastruktur aus, wenn sich an dem ländlich geprägten Ort die Zahl der Bewohner mehr als verdoppelt.

Inzwischen weisen immer mehr Kommunalpolitiker darauf hin, dass es mit bloßen Plätzen für die Unterbringung von Asylsuchern oder ukrainischen Kriegsflüchtlingen nicht getan sei. Parallel müssten in kürzester Zeit auch immer noch Kitaplätze, Schulplätze, Sprachunterricht und andere notwendige Angebote geschaffen werden.


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