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Nachdem die Politik den Weg freigemacht hat für das „Sondervermögen“ der Bundeswehr, stellt sich die Frage, wie das Geld sinnvoll und effektiv verteilt wird. Im Fokus steht dabei eine Behörde, die bei Kritikern als Inbegriff aufgeblähter Bürokratie gilt
Das 100 Milliarden Euro schwere „Sondervermögen“ für die Bundeswehr ist in trockenen Tüchern. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag als Opposition und die unionsgeführten Länder im Bundesrat sorgten zusammen mit den „Ampel“-Parteien dafür, dass eine entsprechende Ergänzung des Grundgesetzes im Artikel 87a mit der in beiden Kammern notwendigen Zweidrittelmehrheit über die Bühne geht. Im Zuge dieser Änderung wird auch die Kreditaufnahme nicht auf die Schuldenregel des Artikels 115 des Grundgesetzes angerechnet.
Ab sofort geht es nun um die praktischen Folgen dieser Entscheidung, vor allem um das Beschaffungswesen der Bundeswehr. Dabei lassen wir nachfolgend zwei Dinge außer Betracht: Nämlich dass erstens die 100 Milliarden bei der aktuellen Inflationsrate am Ende der laufenden Legislaturperiode nur noch 65 bis 70 Milliarden Euro der heutigen Kaufkraft wert sein könnten. Und dass zweitens die 100 Milliarden nun doch auch für ein anderes Ziel, nämlich das „Zwei-Prozent-Ziel“, verwendet werden. Das heißt: Die seit Langem bestehende Vereinbarung der NATO-Mitglieder, dass jedes Land zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Verteidigung aufwenden soll, wird nun nicht außerhalb des 100-Milliarden-Projekts, sondern bis 2025 exakt mit diesen 100 Milliarden erreicht werden. Was danach kommt, steht in den Sternen. Denn dann würde der Jahresetat der Bundeswehr wieder von rund 70 bis 75 Milliarden auf aktuell rund 50 Milliarden – was einem BIP-Anteil von rund 1,5 Prozent entspräche – zusammenschnurren. Das wäre angesichts großer Rüstungsprojekte, die sich wie im Falle des zusammen mit Frankreich und Spanien geplanten Projekts eines FCAS-Kampfjets (FCAS = Future Combat Air System) bis 2040 hinziehen könnten, eine problematische Entwicklung.
Die Monsterbehörde „BAAINBw“
Ein großes Problem freilich muss jetzt endlich gelöst werden: Die Bundeswehr leidet seit Jahren unter einem aufgeblähten, überbürokratisierten und lahmen Beschaffungswesen. Letzteres hat obendrein eine wechselhafte Vorgeschichte. In aller Kürze: Am 26. Oktober 1950 war Theodor Blank (CDU) zum „Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“ ernannt worden. Dieses „Amt Blank“ wurde Keimzelle des späteren Verteidigungsministeriums. Am 12. September 1952 wurde dem „Amt Blank“ die Sonderabteilung „Besatzungslastenverteilung“ übertragen. Der Standort dieses Bereiches wurde von Bad Homburg nach Koblenz verlagert und damit in die Nähe des Regierungssitzes Bonn. Die Unterbringung erfolgte in dem von der französischen Besatzungsmacht geräumten ehemaligen Hotelkomplex „Koblenzer Hof“ am Rheinufer. 1955 dann wurde das „Amt Blank“ zum Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Per Erlass des späteren Verteidigungsministers Franz Josef Strauß wurde die Abteilung XI des BMVg 1958 in „Amt für Wehrtechnik und Beschaffung“ umbenannt.
Zuständig für den gesamten Bereich Beschaffung ist nunmehr ebendort in Koblenz das „Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr“ (BAAINBw) als der maßgebliche „Einkäufer“ der Bundeswehr. Am 1. Oktober 2012 war das BAAINBw als Zusammenschluss des „Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung“ und des „Bundesamtes für Informationsmanagement und Informationstechnik“ gegründet worden. Das BAAINBw ist verantwortlich für die Ausstattung der Bundeswehr mit Technik, Gerätschaften und Ausrüstungsartikeln – sozusagen vom Klopapier bis zum Kampfjet. Aber auch die Aussonderung und Verwertung von Wehrmaterial ist Aufgabe des BAAINBw. Obendrein steht das gesamte Beschaffungswesen wie die Bundeswehr insgesamt vor einem Paradigmenwechsel: In den letzten Jahren war man auf „Out-of-Area“-Einsätze fokussiert, nun steht wieder die Landesverteidigung im Vordergrund.
Wie auch immer: Aus dem BAAINBw ist eine Monsterbehörde geworden. Kritiker sagen, das BAAINBw arbeite ineffektiv, es sei der Inbegriff aufgeblähter Bürokratie. Geleitet wird die Behörde von einer „zivilen“ Präsidentin, von einer „zivilen“ Vizepräsidentin und einem Militär-Vizepräsidenten im Range eines Generalmajors. Zehn Stabsstellen und zehn Abteilungen gibt es. Dienststellen sitzen außer der Zentrale in Koblenz in Trier, Oberjettenberg, Manching, Eckernförde, Greding, Wilhelmshaven, Meppen, Munster, Kiel, Warnemünde, Reston (USA), ferner Güteprüfstellen in Berlin, Bremen, Donauwörth, Dresden, Düsseldorf, Emden, Freiburg, Freisen, Hamburg, Heidelberg, Immenstaad, Kassel, Kiel, Koblenz, Köln, London, Lübeck, Maintal, Manching, München, Nürnberg, Oberndorf, Ottobrunn, Ulm, Unterlüß, Unterschleißheim. Rund 11.000 Beschäftigte hat das BAAINBw insgesamt – an 116 Dienstorten.
Ein Amt in der Dauerkritik
Ins Gerede kam die Behörde zuletzt vor allem in den Jahren 2018/2019 im Zuge der „Berateraffäre“. Weil viele Aufträge nicht mehr rechtzeitig erledigt wurden, hatte die damalige Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) sogar einfachere Aufträge an externe Berater wie Accenture und McKinsey ausgelagert. Gesamtkosten für diese externe Beratung: rund 200 Millionen Euro.
Die Kritik am BAAINBw reißt jedenfalls nicht ab – trotz aller Neu- und Umstrukturierungen. Das scheint auch bei Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) angekommen zu sein. Im Januar versprach sie: „Ich werde das Beschaffungswesen gründlich modernisieren.“ Das war noch vor der „Zeitenwende“ durch den Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Ministerin meinte damals bereits, dass die Prozesse und Strukturen des ganzen Beschaffungsapparats überprüft und optimiert werden sollen.
Das Beschaffungswesen muss reformiert werden. Lambrecht gab bekannt, dass es für Anschaffungen bis zu 5000 Euro (bislang 1000) keine Ausschreibung mehr geben müsse; das mache etwa 20 Prozent aller Anschaffungen aus und würde das Koblenzer Beschaffungsamt in die Lage versetzen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Außerdem soll die Bundeswehr fortan mehr Rüstungsgüter „von der Stange“ erwerben, statt auf Maßanfertigungen zu bestehen, deren Herstellung länger dauert und kostenintensiver ist.
Dem Deutschlandfunk sagte Lambrecht dazu am 2. Juni: „Das entlastet, das schafft Kapazitäten frei, um gerade in den großen Projekten dann auch schneller werden zu können. Wir haben uns entschieden, dass wir in Zukunft auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, vom europäischen Vergaberecht abzuweichen – immer dann, wenn es für die nationale Sicherheit wichtig und dringlich ist, und wenn das jetzt nicht der Fall ist, dann weiß ich nicht mehr wann. Auch das eine Erleichterung.“
Erste Reformschritte
Nun ist ein „Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz“ auf den Weg gebracht. Außerdem wird es Änderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geben. Zum Beispiel werden Unternehmen aus Drittstaaten keine Anträge auf Nachprüfung des Vergabeverfahrens mehr stellen können. Und es werden die Wartefristen bei der Vergabe aufgehoben; der unterlegene Anbieter hat dann keine 15 Tage mehr Zeit zu intervenieren. Am 18. Mai hat das Bundeskabinett dazu bereits beraten. Der Entwurf dazu enthält unter anderem folgende Absichten: Das Nachprüfverfahren wird beschleunigt; das bedeutet, dass die bei einer Vergabe unterlegenen Firmen weniger leicht auf die Entscheidung über den Auftragnehmer einwirken können. Die oft langen Gerichtswege können damit vermieden werden. Zudem soll es bei der Beschaffung weniger um neuentwickelte Produkte, sondern um marktverfügbare Produkte gehen. Und die Inspekteure der Teilstreitkräfte werden stärker eingebunden.
Zur Ehrenrettung des BAAINBw muss man aber auch sagen, dass es die Politik und die Truppe selbst dem Amt nicht immer leicht machen. Denn kaum ist ein Auftrag einmal erteilt, werden immer neue Anforderungen nachgeschoben, wie ein Hubschrauber, Schiff oder Flugzeug ausgestattet und gestaltet sein muss (Stichwort: „Goldrandlösungen“). Außerdem tut sich das Amt schwer, das notwenige Fachpersonal anzuwerben. Mehrere hundert Dienstposten sind unbesetzt, weil es vor allem an Ingenieuren, Juristen und Ökonomen fehlt.
Das Hickhack um das G36
Als Beispiel, wie schwerfällig Neuanschaffungen aufgrund problematischer politischer Vorgaben und aufgrund langwieriger Gerichtsverfahren vonstattengehen, mag die Anschaffung eines neuen Sturmgewehrs herhalten. Das bisherige Sturmgewehr G36 ist seit Ende der 1990er-Jahre Nachfolger des G3. Hersteller ist das Rüstungsunternehmen Heckler & Koch mit Sitz in Oberndorf am Neckar. Im April 2012 wurden Berichte veröffentlicht, nach denen das G36 in Afghanistan nach mehreren hundert Schuss zu heiß werde und die Treffsicherheit leide. Gegen die Mängelbehauptung klagte Heckler & Koch beim Landgericht Koblenz. Der Klage wurde im September 2016 stattgegeben.
Die damalige Verteidigungsministerin von der Leyen hatte zuvor bereits selbstherrlich entschieden, 167.000 G36-Gewehre auszumustern und durch 120.000 Sturmgewehre eines neuen Modells zu ersetzen. Eine vom damaligen Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus (2010–2015) und dem Verteidigungsexperten Winfried Nachtwei (Bündnis 90/Die Grünen) geleitete Befragung unter 200 Soldaten im Einsatz wurde ignoriert, obwohl diese zu dem Ergebnis kam, dass beim G36 keine Mängel aufgetreten waren. Im Gegenteil: Die Waffe sei leicht, bedienungsfreundlich und sehr zuverlässig.
Dennoch wurde nach einer Ausschreibung entschieden, das MK 556 von C.G. Haenel aus Suhl zu beschaffen. Infolge einer Beschwerde des bisherigen Haus- und Hoflieferanten Heckler & Koch wegen möglicher Patentrechtsverletzungen wurde die Auswahlentscheidung jedoch aufgehoben. Nach einer Entscheidung des Verteidigungsministeriums vom März 2021 wird nun wiederum Haenel der Auftrag entzogen, er soll doch an Heckler & Koch gehen. Dagegen ging wiederum Haenel vor Gericht. Derzeit „schlummert“ der Streit beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf vor sich hin. Das OLG hat eine Urteilsverkündung für den 22. Juni 2022 in Aussicht gestellt. Nach Abschluss dieser Verhandlungen müsste dann noch eine entsprechende sogenannte 25-Millionen-Vorlage durch die zuständigen Ausschüsse im Bundestag gebilligt werden, bevor der Vertrag unterzeichnet werden darf. Da der Bundestag Anfang Juli in die Sommer-Sitzungspause 2022 geht, wäre eine Befassung der Bundestagsgremien frühestens im September möglich. Entscheidet das Oberlandesgericht allerdings im Sinne von C.G. Haenel, müsste mit weiteren Verzögerungen gerechnet werden. Und so weiter und so fort. Das BAAINBw ist an diesem Tohuwabohu nicht schuld.
Alles in allem: Das entscheidende Kriterium bei der Beschaffung von militärischem Material darf zukünftig nicht mehr ausschließlich die Frage der Rechtssicherheit sein, sondern die Frage, wie schnell und günstig das Material in die Truppe kommt. Dabei geht es freilich nicht darum, dass das Geld, hier die 100 Milliarden, schnell ausgegeben wird. Das würde auf dem Markt die Vorstellung wecken, man könne auch mit 08/15-Material punkten.
Es ist jedenfalls eine Herkulesarbeit, die die Politik und das Verteidigungsministerium vor sich haben. Implizit stellt sich damit aber auch die Frage, ob die Spitze des Verteidigungsministeriums richtig besetzt ist.
Winfried Kurt Walter am 13.06.22, 12:03 Uhr
"wie das Geld sinnvoll und effektiv verteilt wird"
Lieber Herr Kraus, Sie haben wohl übersehen, dass hier wieder Schulden bis über die Dachpfannen hinweg gemacht werden , u.z. von Politikern , die nicht rechnen wollen und auch nicht können, die nicht einmal die Preiserhöhungen bei Treibstoffen in den Griff bekommen, weil sie einfach die gesetzl. Vorschriften nicht kennen bzw. ausgehandelt haben. Mögliche Gründe: Dummheit oder und Korruption, letzteres nicht auszuschließen, da sich Hunderte von Lobbyisten in B rumtreiben, um uns zu besch...........