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Laatziger Ablage – Vor 76 Jahren wurde der Testbetrieb eingestellt
Wollin ist eine Insel in Hinterpommern zwischen dem Stettiner Haff im Süden und der Pommerschen Bucht der Ostsee im Norden und umfasst rund 265 Quadratkilometer. Nach Stettin im Süden sind es etwa 60 Kilometer. Die Insel war zunächst von ostgermanischen Stämmen bevölkert, wurde dann von slawischen Wenden besiedelt und ab 1000 oft von den Wikingern heimgesucht. Nach der Christianisierung um 1124 herrschten die Pommernherzöge. Anfang des 18. Jahrhunderts fiel Wollin an Preußen, das für eine ökonomische Entwicklung in der preußischen Provinz Pommern sorgte. Nach dem II. Weltkrieg kam die Insel an Polen. Sie ist heute vor allem wegen ihrer feinen und breiten Sandstrände und dem traditionsreichen Seebad Misdroy bekannt.
Einst Militärgebiet in reizvoller Landschaft
Doch wer abseits vom Ostseestrand eine Insel-Rundfahrt unternimmt, kann noch viel mehr entdecken. Das reicht von reizvollen alten Alleen, den Strauchmoränen im Insel-Zentrum sowie den moorigen Grundmoränenflächen im Osten über den Nationalpark Wollin mit einer Fläche von 11.000 Hektar und einer Herde der fast ausgestorbenen Wisente bis zur Stadt Wollin und der Laatziger Ablage. Hier war ein geheimes Testgelände für die V-Waffen der Nationalsozialisten. Peenemünde auf der nahen Nachbar-Insel Usedom ist als Testgelände für die V 1 und V 2 weltbekannt. Hier pilgern jährlich die Touristenströme hin. Dagegen liegt die Laatziger Ablage vergessen im Abseits der Insel Wollin. An das einstige Testgelände für V3-Waffen erinnern heute nur noch wenige Rudimente. Vor 76 Jahren wurde der Testbetrieb eingestellt, die Anlage zerstört und von der deutschen Besatzung verlassen, ehe die von den Resten der Anlage überraschte Rote Armee davon Besitz ergriff. Das V steht für den Begriff der Vergeltungswaffe. Die V 3 wurde während des Zweiten Weltkrieges als Superkanone für den Beschuss Englands entwickelt und wird in einigen Quellen auch als Englandkanone bezeichnet.
Ursprünglich amerikanische Patente
Ihre Anfänge gehen allerdings auf erste amerikanische Patente von 1855 zurück, die vom französischen Ingenieur Louis-Guillaume Perreaux zu einem Mehrkammergeschütz 1878 weiterentwickelt wurden. Die Pläne für diese Kanone kamen 1940 bei der deutschen Besetzung Frankreichs in den Besitz deutscher Ingenieure der Röchling-Werke in Wetzlar, die auf dieser Grundlage eine eigene Version eines Mehrkammergeschützes entwickelten. Der Chefentwickler hieß August Coenders, der 1943 in der Heeresversuchsanstalt Hillersleben damit erste vielversprechende Schießversuche unternahm. Die HVA Hillersleben lag in der Colbitz-Letzlinger Heide zwischen Haldensleben und Magdeburg. Daraus sollte dann parallel zur V1- und V2-Entwicklung in Peenemünde auf Usedom eine weittragende Superkanone als weitere Vergeltungswaffe für den Beschuss Englands entstehen.
Für die Serienversuche wurde der Höhenzug südlich der Laatziger Ablage auf der Insel Wollin ausgewählt. Das Gelände besaß die Neigung für die Einrichtung des 130 m langen Kanonenrohrs, war weitaus unbesiedelt, bot mit der angrenzenden Ostsee ein weites Schussfeld und erhielt 1943/44 den Tarnnamen „Pumpwerk Misdroy“.
Fast parallel entstand in Mimoyecques bei Landrethun-le-Nord bei Calais an der französischen Kanalküste die Einsatzanlage für den Beschuss Englands, die für eine Zielentfernung bis 165 Kilometer gedacht war. Doch der Komplex bei Calais wurde von der Luftaufklärung der Alliierten entdeckt und dann, wie auch Peenemünde auf Usedom, mehrfach bombardiert.
Anlage in Calais entdeckt
Dazu kam die Landung der Alliierten in der Normandie und deren Vormarsch auf Deutschland. Deshalb befahl SS-Gruppenführer Hans Kammler als Chef über alle V-Waffen den Bau der Abschussanlage Lampaden bei Trier für die V3, die während der deutschen Ardennenoffensive im Dezember 1944 bis Januar 1945 zum Beschuss der vorrückenden Alliierten an der Westfront zum Einsatz kam. In diesem Zusammenhang gab es 44 belegte Treffer der Superkanone von Lampaden aus im Stadtgebiet von Luxemburg. Nach dem Scheitern der Ardennenoffensive wurde die Stellung in Lampaden abgebaut und ins Landesinnere verlagert. In dieser Zeit gingen die Tests in der Heeresversuchsanstalt Hillersleben und vom Testgelände auf der Insel Wollin weiter, zumal die Geschosse nicht die angestrebten Geschwindigkeiten erreichten und teilweise Rohrbrüche verursachten.
Testgelände blieb unentdeckt
Deshalb wurde bis zuletzt die Qualität der Gussrohre verbessert. Im Unterschied zur Abschussanlage bei Calais und dem V- Waffen-Komplex in Peenemünde auf Usedom blieb das Testgelände für die V 3 auf Wollin aber unentdeckt. Es war bis zum 12. Februar 1945 in Betrieb. Doch dann konnte man schon die Geschütze der heranrückenden Roten Armee hören. Deshalb gab es an diesem Tag durch den Chef über die V-Waffen den Befehl zur Beendigung der Versuche und die Zerstörung der Anlage. Als dann die Rotarmisten die Laatziger Ablage mit den Überresten des Testbetriebes für die V3 erreichten und hinzugezogene sowjetische Spezialisten das deutsche Projekt entschlüsselten, war das Staunen groß.
Heute erinnern an die V3-Aktivitäten auf Wollin, bei Calais und in Lampaden bei Trier nur noch wenige Überreste.
Franz Lischka am 08.04.21, 21:53 Uhr
Interessanter Artikel ,schade , dass so wenig Fotos von der Anlage existieren ,so wenig Material ,man vermutet immer noch einen Eingang ,unter dem Berg ,der im April 1945 verschüttet wurde.