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Familie

Puzzleteile einer neuen Ordnung

Die Bundesregierung plant die „größte familienrechtliche Reform der letzten Jahrzehnte“. Und die Konservativen schweigen. Weil ihnen andere Themen, wie fast immer, wichtiger sind – und Familie auch bei Ihnen allzu oft nur als „Gedöns“ gilt

Birgit Kelle
31.07.2022

Stell dir vor, es ist Kulturkampf – und du bekommst es nicht mit. So in etwa geht es der CDU und den gesamten Konservativen im Land, die seit Langem dabei zusehen, wie jene Grünen, mit denen sie vielerorts paktieren, im Verbund mit anderen linken Kräften und Aktivisten der LGBTQ-Bewegung (das Kürzel steht für Lesbisch, Schwul, Bi, Trans und Queer) einen fundamentalen Umbau der Gesellschaft betreiben. Während „LGBTQ“ früher ein Randphänomen war, bestimmt die Szene zunehmend den Geist und die Politik unserer Zeit.

Angesichts dieses Durchmarsches fragen sich viele Bürgerliche, wie es dazu kommen konnte. Die Antwort ist einfach: Wer über Jahrzehnte nicht wahrnehmen will, dass er sich in einem Kulturkampf befindet, wacht nach einem halben Jahrhundert eben in eine Regenbogenfahne gewickelt wieder auf.

Ignoranz der Konservativen

Taktisch klug haben sich die Grünen, aber auch die SPD, in jenen Politikfeldern breit gemacht, die für Konservative meist als „softe“ Themen galten, und deren dazugehörige Ressorts man in Koalitionsverhandlungen hinterhergeschmissen bekam, weil der bürgerliche Politiker lieber in Feldern wie Finanzen, Steuern, Verteidigung oder Sicherheit brillieren will. Familienpolitik galt – wie bei SPD-Altkanzler Schröder – als „Frauen und Gedöns“. Sozialpolitik, Minderheitenpolitik, Gleichstellungspolitik und selbst das Justizministerium hat man über Jahre im wahrsten Sinne des Wortes „links“ liegen lassen.

Seit wenigen Monaten plant die neue Bundesregierung immer neue Gesetzesvorhaben und trifft Personalentscheidungen, die dazu geeignet sind, das Land von unten aufzurollen, allerdings mit Segen und Steuergeld von oben. Vorrangige Themen sind Frauen- und LGBTQ-, aber auch grundsätzlich Minderheitenrechte. Es sei „die größte familienrechtliche Reform der letzten Jahrzehnte“, die man im Koalitionsvertrag vereinbart habe, verkündete zu Beginn dieser Umwälzung Justizminister Marco Buschmann von der FDP, die den willigen Helfer von Grünen und Sozialdemokraten gibt.

Keine Frage: Die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP plant im Geiste diverser Superlative nicht nur die ökologische Weltenrettung, sondern auch nicht weniger als eine Revolution der Gesellschaft, beginnend dort, wo gemeinhin die kleinste Keimzelle jeder Gesellschaft vorzufinden ist – in der Familie.

Abbau der natürlichen Familie

Faktisch führt Buschmann jedoch nur zu Ende, was lange vor ihm bereits von SPD und Grünen vorbereitet wurde, was die einen aber wegen des Koalitionspartners CDU, die anderen wegen ihres Oppositionsstatus' dann doch nicht durchbekamen. Mit einer Salamitaktik wird jedoch seit Langem an der Dekonstruktion der natürlichen Familie gearbeitet. Die „Ehe für alle“ war hier nur ein Baustein innerhalb eines viel größeren Kontextes.

Tatsächlich stehen wir vor einem Perspektivwechsel, der den Fokus weglenkt von der Mehrheitsgesellschaft und ihrem statistischen und kulturellen Normalfall aus „Vater-Mutter-Kind“ als natürlicher Familienform aller menschlichen Zivilisationen. Für sie gibt es keinen einzigen Vorschlag der Regierung. Stattdessen versteht sich „Familienpolitik“ heute als eine Gleichheits- und Geschlechterpolitik, die um kleine identitäre, sich selbst über sexuelle Vorlieben und ihre Identitätsfindungsstörungen definierende Gruppen tanzt wie um ein goldenes Kalb.

Alles, was heute im Koalitionsvertrag steht, wurde bereits seit 2015 vom damaligen Justizminister Heiko Maas (SPD) vorbereitet. Was man heute „Anpassung an gesellschaftliche Realitäten“ nennt, ließ dieser einst von einer exklusiven „Arbeitsgruppe Abstammungsrecht“ vorbereiten. Der 130-Seiten-Abschlussbericht verwarf damals gar den Begriff der biologischen Abstammung von Kindern als „missverständlich“ und empfahl stattdessen die „rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung“ als Ersatzbegriff für natürliche Elternschaft. In 91 Thesen entwarf man Pläne und Vorschläge auch für in Deutschland bis dato unter Strafe stehende Praktiken wie die Embryonenspende, Eizellspende oder die Leihmutterschaft. Heute macht man sich an die Umsetzung.

Themen wie Mitmutterschaft für lesbische Paare in der Geburtsurkunde eines Kindes oder das gerade erst präsentierte Selbstbestimmungsgesetz, wonach demnächst jeder Bundesbürger ab 14 Jahren sein Geschlecht auf dem Standesamt frei wählen können soll, sind hingegen langjährige Lieblingsprojekte der Grünen. Federführend damals wie heute: Sven Lehmann, schwuler Grünen-Politiker, der jetzt mit einem Regierungsposten als neuer „Queer“-Beauftragter eine Planstelle und ein Budget bekommen hat, um das umzusetzen, was man bisher nur als LGBTQ-Lobby fordern konnte.

Weitere Umbauvorhaben

Doch man hat noch mehr Gesellschaftspläne: Mehr-Elternschaft für homosexuelle Lebensgemeinschaften mit bis zu vier Erwachsenen und Kindern sowie die Schaffung eines neuen Rechtsinstituts namens „Verantwortungsgemeinschaft“, um „damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen zu ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen“. Der Justizminister zitiert dazu gerne Beispiele wie die Senioren-Wohngemeinschaft oder die Wahlverwandtschaft von zwei Alleinerziehenden mit Kindern, die sich gegenseitig unterstützten, so als habe er als Jurist noch nie etwas von notariellen Vollmachten gehört, mit denen man längst vom Nachlass bis zu Mietverträgen alles regeln kann.

Buschmann betont, man nehme dadurch niemandem etwas weg – faktisch ebnet er jedoch jeder Studenten-WG einen neuen Gemeinschaftsstatus und öffnet jedem Missbrauch der Regelung etwa für den Familiennachzug von Zuwanderern Tür und Tor, oder auch der Polygamie. Den betroffenen Herren Muslimen wird es sicher gefallen, wenn sie künftig mit all ihren Frauen endlich offiziell in der „Verantwortungsgemeinschaft“ leben dürfen und diese dann auch in die Familienversicherung Aufnahme finden.

Streitthema Abtreibung

Der erste Teilsieg für die Ampelkoalition und speziell für das Familienministerium der Grünen Lisa Paus war die Abschaffung des Paragraphen 219a des Strafgesetzbuchs, der bislang ein Werbeverbot für Abtreibungen vorschrieb. Teilsieg auch deswegen, weil es nur der Einstieg war in die Grundsatzdebatte um die komplette Legalisierung der Abtreibung in Deutschland.

Auf den Zuschauerrängen des Bundestages hatten sich dazu gar Claqueure und Aktivisten versammelt und quittierten die Abstimmung mit einem schaurigen Applaus von den Rängen. „Schaurig“ deshalb, weil erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik die Werbung für eine Straftat gegen das Leben legalisiert wurde und das Töten damit auf dem Weg ist, eine normale medizinische Dienstleistung zu werden.

Mindestens peinlich, wenn nicht abstoßend zeigte sich die SPD-Fraktion im Bundestag, die gar eigens zur Abschaffung des 219a ein „lustiges“ Video verbreitete, bei dem sich Abgeordnete übermütig gegen eine überdimensionale Wand aus Schaumstoffbauklötzen werfen, bedruckt mit dem Schriftzug „219a“, um den Durchbruch bei der Legalisierung von Abtreibungswerbung zu feiern.

Doch die Ampel-Pläne gehen noch weiter: Adoption und künstliche Befruchtung für Alle sowie die Tötung eines Menschen im Mutterleib als verpflichtende Ausbildung der kommenden Ärztegeneration. Familienministerin Paus hat bereits erste Gespräche mit Gesundheitsminister Lauterbach in der Sache geführt. Kommt es dazu, wird niemand mehr Arzt, der das Töten nicht auch gelernt hat. Eine Verweigerung aus Gewissensgründen wird es für Ärzte dann nicht mehr geben, nur noch eine Pflicht zum Mitmachen.

Zudem will die Regierung Wege finden, die Abtreibung jenseits des Strafrechts zu regeln – eine hübschere Formulierung für die stückweise Abschaffung des Paragraphen 218 StGB. Lächerlich und nahezu absurd wird es gerade in diesem Zusammenhang, wenn die Koalition fordert, man wolle „Vereinbarungen zu rechtlicher Elternschaft, elterlicher Sorge, Umgangsrecht und Unterhalt schon vor der Empfängnis ermöglichen“.

Man will also das Kind bereits im Mutterbauch töten dürfen und verweigert ihm seine Menschenwürde bis zur Geburt, aber Elternschaft soll für dasselbe Kind sogar schon vor der Zeugung juristisch festgelegt werden dürfen. Das ist nicht nur paradox, sondern vor allem ein Entgegenkommen an die Fraktion der LGBTQ-Paare, die mit Hilfe von bislang illegaler Leihmutterschaft ihr vermeintliches Recht auf „Kinder für alle“ realisierten.

Die Embryonenspende will man zum Teil ebenfalls legalisieren, Eizellspende und „altruistische Leihmutterschaft“ prüfen. Kommt das auch, wäre es ein Türöffner für das internationale Geschäft der Reproduktionsmedizin. Das zu zeugende Kind würde mit dieser Regierung zu einem Objekt und zur Ware. Die gebärende Frau, in der Regel aus ärmeren Ländern, wird zum Brutkasten für wohlhabende Kinderlose degradiert.

Widerspruch wird nicht geduldet

Das Puzzle einer neuen Gesellschaftsordnung wird zusammengelegt und das Bild wird zunehmend sichtbar. Beunruhigend ist vor allem auch, dass man sich etwa bei der Frage, welches Geschlecht ein Mensch habe, nicht nur von biologischen Fakten verabschiedet hat, sondern gleichzeitig an Gesetzen gegen „Hassrede“ arbeitet, die einen politischen Diskurs nicht nur ersticken, sondern Widerrede gegen die politischen Forderungen in den strafbaren Bereich verschieben.

Zusammen mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz soll beispielsweise auch das sogenannte „Offenbarungsverbot“ einhergehen, wonach es dann unter Androhung hoher Ordnungsgelder verboten sein wird, darauf hinzuweisen, dass etwa der Grünen-Abgeordnete „Tessa“ Ganserer juristisch und anatomisch ein Mann namens Markus ist, auch wenn er von den Grünen als „Transfrau“ mit Frauenquotenplatz in den Bundestag gehievt wurde.

Aus den Reihen der Christdemokraten war bislang kein Aufschrei gegen all diese Gesetzespläne zu hören, schließlich war man dort fieberhaft damit beschäftigt, mit den Grünen in NRW und Schleswig-Holstein zwei Landesregierungen zu bilden. Wer will da schon den neuen Koalitionspartner noch vor dem Start der schwarz-grünen Zweck-Ehe verärgern? Einen seiner ersten großen öffentlichen Auftritte absolvierte der neue CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst dann auch brav auf dem Kölner Christopher Street Day an der Seite von Claudia Roth und besagtem Sven Lehmann in der ersten Reihe.

Seine grün-lesbische Familienministerin Josefine Paul hat unterdessen verkündet, in ihrem Ministerium eine Meldestelle für „queerfeindliche und rassistische“ Vorfälle einzurichten, und dass man beabsichtige, auch Taten „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ statistisch zu erfassen. Im Klartext: Ein NRW-Ministerium will also Aussagen und Handlungen erfassen, die zwar erlaubt sind, von den Grünen aber als „Diskriminierung“ klassifiziert werden.

Jetzt fehlt nur noch eine Statistik für Gedankendelikte, dann könnte man die Realpolitik postum als einen Kafka-Fortsetzungsroman veröffentlichen. Und die CDU schweigt.

• Birgit Kelle ist Publizistin. Zuletzt erschien „Noch Normal? Das lässt sich gendern! Gender-Politik ist das Problem, nicht die Lösung“ (FinanzBuch Verlag 2020).
www.birgit-kelle.de


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Kommentare

A. Lorenz am 01.08.22, 19:50 Uhr

@Carola Beierlein:
Das ist so nicht richtig, die Meldestellen erfährt man überall, wenn Bedarf besteht. In Deutschland gibt es noch eine Beratungspflicht vor Abtreibung und jeder Frauenarzt arbeitet mit dererlei Institutionen zusammen. Dafür ist das Kippen des Werbeverbots definitiv nicht gebraucht worden, diese Gesetzesänderung wird in nicht allzulanger Zeit dafür sorgen, dass auch der Abtreibungsparagraph aufgeweicht wird, getreu der Maxime: "Wir stellen mal was in den Raum und sehen, wie die Leute drauf reagieren. Wenn diese Reaktion nicht erfolgt, dann gehen wir einen Schritt weiter."

Carola Beierlein am 01.08.22, 09:40 Uhr

Ich stimme in vielen Dingen zu, dass die Familie eher geschützt und gestärkt werden sollte. Dass der abtreibungsparagraph jedoch gefallen ist, ist richtig und wichtig. Es geht hier nicht darum dass werbeplakate mit Abtreibung werben, nach dem Motto "die 10. Ist gratis" es geht darum, dass Frauen Adressen genannt bekommen, an die sie sich wenden. Und ich denke keine Frau fällt diese Entscheidung leichtfertig. Es gibt Gründe, die dafür sprechen, zb. Auch bei sehr jungen Frauen. Das Leben der Betroffenen Frau muss auch geschützt werden. Und es wäre schrecklich, kämen wir zurück zu Zuständen wie im Mittelalter wo auf dem Küchentisch mit der Stricknadeln abgetrieben wurde. Das beratungsgespräch sollte aber als Voraussetzung erhalten bleiben.
Ansonsten sehr schön formuliert.

sitra achra am 31.07.22, 11:23 Uhr

Mich wundert. dass sich Psychologen und Pädiater nicht diesbezüglich zu Wort melden. Die müßten doch am besten wissen, welcher immense Schaden den Kindern als Opfern dieser perversen pädophilen Verirrung angetan wird.
Wo bleibt die Stellungnahme der Kirchen?
Aber ohne eindeutige Reaktion überlässt man diesem Riesentölpel "Bundesjustizminister" (eigentlich Zerstörer der ethisch fundierten Rechtsnormen) Siffmann die Initiative. Muss wirklich jeder widerliche moralische Abfall aus den USA liniengetreu kopiert werden?
Hier ist immer noch Deutschland. Das Land muss unbedingt von diesen Narren gesäubert werden, durch welche Mittel auch immer!

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