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Gebeutelte Idylle: Sonnenuntergang über dem pazifischen Kiritimati, das einst als Gelände für Atomtests genutzt wurde
Bild: imago/dreamstimeGebeutelte Idylle: Sonnenuntergang über dem pazifischen Kiritimati, das einst als Gelände für Atomtests genutzt wurde

Weihnachtsinseln

Raue Wirklichkeiten hinter einem verheißungsvollen Namen

Vier Eilande rund um den Globus dürfen sich mit dem Namen des Festes der Geburt Jesu schmücken. Das wahre Leben aber bescherte den Landflecken ein oft wenig festliches Schicksal

Wolfgang Kaufmann
31.12.2024

Im trüben Grau des deutschen Dezembers 2024 möchte so mancher ganz weit weg von hier flüchten. Bei der Suche nach einem passenden Reiseziel richtet sich der Blick dann vielleicht auch auf die eine oder andere Weihnachtsinsel. Denn davon gibt es immerhin vier. Doch auf keinem der Eilande wird der des Hierseins Überdrüssige pure festliche Heimeligkeit vorfinden. Vielmehr machen sich manche Probleme dieser Welt auch oder gerade auf den Weihnachtsinseln bemerkbar, wobei das winzige Christmas Island vor der Küste von Cape Breton Island in der kanadischen Provinz Nova Scotia noch am wenigsten betroffen ist.

Die Insel erhielt ihren Namen von den ersten europäischen Siedlern, die hier ab 1802 anlandeten und auf den Anführer des ortsansässigen Ureinwohnervolkes der Mi'kmaq stießen, der „Noel“ hieß, was im Französischen „Weihnachten“ bedeutet. Heute pflegt man auf Christmas Island das gälische Erbe der schottischen Einwanderer und betreibt darüber hinaus ein Postamt, welches in der Weihnachtszeit einen besonderen Dienst anbietet: Ausreichend frankierte und an die Adresse 8499 Grand Narrows Highway, Christmas Island, NS, B1T 1A0, Canada gesendete Grußkarten oder Briefe werden mit einem speziellen Weihnachtsstempel versehen an Empfänger in aller Welt weitergeleitet.

Entdeckt am 25. Dezember
16.000 Kilometer südöstlich der kanadischen Weihnachtsinsel liegt das politisch zu Australien gehörende Territory of Christmas Island im Indischen Ozean. Die Entfernung zur indonesischen Insel Java beträgt nur 350 Kilometer, während es bis nach Australien sehr viel weiter ist. Das Eiland erhielt seinen Namen von William Mynors, dem Kapitän des der English East India Company gehörenden Schiffes „Royal Mary“, der es am 25. Dezember 1643 mit seinem Fernglas sichtete.

Eine Annexion durch das Empire erfolgte jedoch erst am 6. Juni 1888 nach der Entdeckung reicher Phosphatvorkommen. Anschließend wurden Arbeitskräfte für die Tagebaue aus China und Malaysia importiert, deren Nachkommen heute die Bevölkerungsmehrheit stellen. Deswegen ist die dominierende Religion auf dieser Weihnachtsinsel, welche am 1. Oktober 1958 an Australien überging, auch der Buddhismus.

Der Phosphatabbau hat der Umwelt der 135 Quadratkilometer großen Insel sehr geschadet, weil er zur Rodung großer Regenwaldflächen führte. Daher beschloss die australischen Regierung 1987, die Gruben zu schließen. Diese Entscheidung machte sie allerdings 1990 auf Druck der Phosphate Mining Company of Christmas Island und der Bergarbeitergewerkschaft Union of Christmas Island Workers wieder rückgängig. Die danach erteilten Bergbaulizenzen laufen noch bis 2034.

Australiens Lager für Asylsucher
Eine weitere Einrichtung auf der Insel, welche immer wieder für Schlagzeilen sorgte, war das 2001 eröffnete Zentrum zur Unterbringung asylsuchender Bootsimmigranten aus Südostasien. Die Weihnachtsinsel liegt innerhalb der australischen Migrationszone, die sich weit in internationale Gewässer hinein erstreckt. Wer in diese Zone ohne gültiges Visum per Boot eindringt, verliert sein Recht auf Asyl in Australien und wird wegen „Unautorisierter Ankunft“ in „Einwanderungshaft“ genommen. Das Verfahren zur Eindämmung der illegalen Immigration erforderte die Errichtung einer ganzen Reihe von Lagern auf Inseln des Indischen Ozeans und Pazifiks, darunter auch solchen, die Drittstaaten wie Nauru oder Papua-Neuguinea gehören.

Das von einer Tochter des deutschen Baukonzerns Bilfinger Berger für 400 Millionen Australische Dollar hochgezogene Zentrum wurde im Oktober 2018 geschlossen. In den 17 Jahren seines Bestehens beherbergte es streckenweise bis zu 2000 Personen gleichzeitig, welche oftmals mit Hungerstreiks oder gewalttätigen Protesten gegen ihren Arrest aufbegehrten. Aufgrund erneut angestiegener Asylsucherzahlen erfolgte im Mai 2019 eine Wiedereröffnung der Einrichtung.

James Cook als Namensgeber
Die dritte Weihnachtsinsel, die zu dem seit 1979 unabhängigen pazifischen Inselstaat Kiribati gehört und nunmehr Kiritimati genannt wird, was auf kiribatisch ebenfalls „Weihnachten“ heißt, wurde am 24. Dezember 1777 von dem britischen Seefahrer und Weltumsegler James Cook entdeckt. Sie ist 388 Quadratkilometer groß und damit das ausgedehnteste Korallenatoll der Welt. Kiritimati steigt langsam aus dem Ozean auf, wodurch die zentrale Lagune zusehends austrocknet. Das straft alle Behauptungen der Klima-Apokalyptiker Lügen, die Insel würde durch den Klimawandel bis 2070 im Meer versinken. Dafür gibt es jedoch andere Umweltprobleme.

Hauptgrund ist wie auf dem australischen Christmas Island der Abbau von Phosphat. Das Vorkommen dieses Düngemittels war der Grund dafür, dass das Eiland 1857 von einem Kapitän namens J. L. Pendleton für die USA in Besitz genommen wurde. Allerdings meldete das britische Empire ebenfalls Ansprüche an, woraus am 17. März 1888 eine formelle Annexion resultierte, der am 30. Juli 1919 die Eingliederung in die Kronkolonie Gilbert and Ellice Islands folgte.

Bis 1957 diente das britische Christmas Island lediglich der Phosphatgewinnung und dem Anbau von Kokospalmen. Dann beschloss die Regierung in London, hier Kernwaffentests durchzuführen. Die erste Atombombe der Briten war schon am 3. Oktober 1952 auf Trimouille Island an der Nordwestküste Australiens gezündet worden, wonach ab 1953 etliche weitere Tests in Maralinga im Bundesstaat South Australia folgten. Nun wollte Großbritannien aber auch noch eine Wasserstoffbombe entwickeln.

Die ersten drei Versuche mit dieser Waffe fanden im Mai und Juni 1957 auf dem unbewohnten Atoll Malden 700 Kilometer südlich von Christmas Island statt. Dann explodierte am 8. November 1957 direkt über der südöstlichen Spitze des heutigen Kiritimati im Rahmen des Projekts Grapple X eine weitere Wasserstoffbombe, deren Sprengkraft eine Megatonne betragen sollte, aber tatsächlich fast beim Doppelten lag. Diese Fehlberechnung war umso gefährlicher, als die Briten darauf verzichtet hatten, die Zivilbevölkerung der Insel vollständig zu evakuieren.

Von Atomtests gezeichnet ...
Der nächste Test auf Kiritimati namens Grapple Y am 28. April 1958 führte zur Zündung der stärksten jemals erprobten britischen Wasserstoffbombe mit einer Sprengkraft von drei Megatonnen. Dem schloss sich zwischen dem 22. August und 23. September die Versuchsreihe Grapple Z mit vier weiteren Testexplosionen an, wobei die Bomben nun an Fesselballons über dem südöstlichen Teil der Insel hingen.

Nach den insgesamt sechs britischen Kernwaffentests auf Christmas Island übernahmen die USA das Erprobungsgelände und veranstalteten 1962 im Rahmen der Operation Dominic 24 weitere Versuche mit Wasserstoffbomben. Diese wurden direkt über der Insel oder in deren näherer Umgebung von B-52-Maschinen abgeworfen und besaßen eine Sprengkraft von bis zu 7,7 Megatonnen. Damit handelte es sich um das größte Nuklearwaffentestprogramm in der Atmosphäre während des gesamten Kalten Krieges.

Umfassende Untersuchungen über die Folgen des radioaktiven Niederschlages für die Bewohner von Christmas Island wurden bis heute weder von Großbritannien noch den USA durchgeführt, obwohl es zahlreiche Hinweise auf gesundheitliche Schäden gab. Daran änderte auch eine Petition Kiribatis an das EU-Parlament im Jahr 2004 nichts. London fand sich lediglich dazu bereit, einige Abschnitte der Insel zu dekontaminieren.

Vor diesem Hintergrund kann kaum verwundern, dass die Regierung von Kiribati der internationalen Aktiengesellschaft Sea Launch, welche sich mehrheitlich im Besitz des staatlichen russischen Raumfahrtkonzerns RKK Energija befindet, die Genehmigung erteilt hat, Zenit-3-SLB-Trägerraketen für den Transport von zivilen Satelliten in geostationäre Umlaufbahnen von Plattformen innerhalb der Hoheitsgewässer der Inselrepublik zu starten. Es war eine Art Revanche, denn die russische Operation verärgerte sowohl die USA als auch Großbritannien.

... und dennoch ein Naturparadies
Die gute Nachricht bei alldem ist, dass das australische Christmas Island und das nunmehrige Kiritimati trotz des Raubbaus an der Natur und der radioaktiven Verseuchung in der Vergangenheit einzigartige Refugien für die Tierwelt von heute darstel00len. Christmas Island wird mittlerweile sogar als das „Galapagos des Indischen Ozeans“ bezeichnet. Das Prädikat gründet nicht zuletzt auf dem einzigartigen Vorkommen an Roten Landkrabben, die nur hier und auf den Kokosinseln leben. Bei der jüngsten Zählung im Jahr 2022 wurden 190 Millionen Exemplare dieser Zehnfußkrebs-Spezies registriert. Darüber hinaus gibt es neun Arten von Meeresvögeln, welche ausschließlich auf der Weihnachtsinsel brüten, darunter der Weihnachtskauz.

Wo die Vögel unter sich sind
Auf Kiritimati wiederum sollen rund 15 Millionen Vögel leben, wobei die dortige Population des Phönixsturmvogels die größte der Welt ist. Weitere Paradiese für Seevögel sind die vierte Insel mit dem Namen Christmas Island und deren kleine Schwester Little Christmas Island. Diese beiden unbewohnten Felsplateaus von 64 und zwei Hektar Größe befinden sich nordwestlich beziehungsweise östlich der Küste der zu Australien gehörenden Insel Tasmanien. Wer sie einst entdeckte und taufte, ist unbekannt. Jedenfalls bieten auch diese Inseln wichtige Brut-, Aufzuchts- und Rastplätze für Seevögel. Außerdem sind auf dem größeren Eiland die seltenen und hochgiftigen Tigerottern beheimatet.

Die australische Weihnachtsinsel im Indischen Ozean erhielt 1980 einen Nationalpark, der mittlerweile zwei Drittel der Inselfläche umfasst. Und in Kiribati existiert sogar schon seit Mai 1975 das Schutzgebiet Christmas Island Wildlife Sanctuary. Ebenso steht das vor Tasmanien liegende Christmas Island nun bereits 32 Jahre lang unter staatlichem Schutz. Das Christmas-Island-Naturreservat ist damit nur noch ausgewählten Forschern zugänglich. Gleiches gilt seit 2005 für Little Christmas Island. Wer auf den letzteren beiden Inseln in weihnachtliche Stimmung kommen will, lebt also ganz besonders tief im Reich der Illusionen.


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