Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Deutschordensritter führten den Anbau von Trauben in Ostpreußen ein – Die Bevölkerung zog Wein dem Wasser vor
Wenn es um alkoholische Spezialitäten aus Ostpreußen geht, denken die meisten an Spirituosen wie Bärenfang, Pillkaller oder Trakehner Blut. Denn die Provinz mit ihrem eher rauen Klima eignet sich kaum für den Anbau von Wein. Doch das war nicht immer so. Im Mittelalter und zu Beginn der Frühen Neuzeit existierten auch in Ostpreußen ausgedehnte Weinberge, wovon später noch entsprechende Straßennahmen kündeten. Ermöglicht wurde die damalige Weinproduktion durch das mittelalterliche Klimaoptimum, welches um das Jahr 900 herum einsetzte.
Infolge der stetig steigenden Durchschnittstemperaturen wanderte die Grenze, bis zu der Weinbau in Europa möglich war, um 500 Kilometer nach Norden. Dadurch fiel die Anbaufläche am Ende etwa fünfmal größer aus als heute. In Deutschland setzte die Expansion um 1070 ein, als Bischof Benno von Meißen den ersten Weinstock nach Thüringen brachte. 1128 breitete sich die Rebenzucht dann auch nach Pommern aus. Das geschah auf Initiative des Bischofs Otto von Bamberg, der damals seine zweite Missionierungsreise durch die Region absolvierte. Und schließlich war es auch in Ostpreußen so weit, nachdem der Deutsche Orden im 13. Jahrhundert das Land der Prußen erobert und niederdeutsche Kolonisten zahlreiche Dörfer und Städte gegründet hatten.
Besonders verdient um die Förderung des Weinanbaus in dem christianisierten Gebiet machte sich dabei der 22. Hochmeister Winrich von Kniprode, welcher das Amt von 1351 bis 1382 ausübte. Unter ihm erlebte der Ordensstaat seine Blüte, was nicht zuletzt aus der gezielten Förderung der Landwirtschaft resultierte. In deren Rahmen ließ Winrich von Kniprode für sehr viel Geld erfahrene Winzer aus Süddeutschland und Italien kommen, die dem Weinanbau im Ordensstaat entscheidende Impulse verliehen. So entstanden Weinberge bei Osterode, Goldap, Rastenburg, Königsberg, Tilsit und Memel.
1379 belief sich die Weinproduktion des Ordens bereits auf über 600 Tonnen. Der veredelte Rebensaft wurde teils verschenkt, teils selbst konsumiert. Die Verfügungsgewalt über die Vorräte hatten der Großkomtur und Stellvertreter des Hochmeisters sowie der Oberste Marschall. Die Weinherstellung unter der Ägide des Deutschen Ordens ging mit allerlei Zeremonien einher, wie beispielsweise dem feuchtfröhlichem Füllungsfest: Wenn das erste und das letzte Fass eines Jahrgangs abgefüllt wurden, versammelten sich die Ordensritter am Ort des Geschehens und erwarteten unter beständigem Trinken den Abschluss des Vorgangs. Man kann erahnen, wie hoch es dabei herging ...
Dass der Wein aus dem Ordensland durchaus von akzeptabler Qualität gewesen sein muss, beweist ein Ereignis im Jahre 1363. Damals weilte der bayerische Herzog Rudolf auf der Marienburg. Aus diesem Anlass tranken die versammelten Adeligen und Ordensritter nacheinander aus einem großen goldenen Becher auf das künftige Kriegsglück. Nachdem dies geschehen war, rief der Gast ebenso euphorisch wie anerkennend: „Langt mir noch einmal den Becher her, der Trank ist echtes Öl, davon einem die Schnauze anklebt!“
Aber auch die normale Bevölkerung konsumierte damals relativ viel von dem Rebensaft, unter anderem weil die Qualität des Trinkwassers sehr zu wünschen übrig ließ und Wein die hygienischere Alternative war. Wem das ungewohnte Getränk nicht mundete, der half mit Wermut und Honig nach, um den Geschmack „aufzubessern“.
Ab 1540 setzte dann eine deutlich spürbare Klimaabkühlung ein, die schließlich in die sogenannte „Kleine Eiszeit“ mündete, die etwa bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts währte. Nun gab es vermehrt lange und frostreiche Winter wie den von 1556/57. Das war aber nicht der einzige Grund dafür, dass der Weinbau in Regionen wie Ostpreußen wieder aufgegeben wurde.
Die zunehmende Abholzung der Wälder veränderte auch das Mikroklima: Immer öfter pfiffen kalte Winde durch die Weinberge. Dazu kamen Rebkrankheiten und die Konkurrenz in Form von hochwertigen Weinen aus Frankreich und Italien. Darüber hinaus sorgte die wachsende Beliebtheit von Bier für einen Rückgang der Nachfrage. Gleichzeitig verfügte die Obrigkeit eine Umwidmung der Flächen für den Weinbau, weil Ackerland für die Getreideproduktion benötigt wurde. Aufgrund der sinkenden Erträge nach dem Ende des mittelalterlichen Klimaoptimums musste zunächst erst einmal die Versorgung mit Brot gesichert werden.
Dennoch starb die Tradition des ostpreußischen Weinbaus nicht vollkommen aus. Das resultierte daraus, dass der Winzer Martin Melck angesichts des unaufhaltsamen Niedergangs seines Handwerks nach Südafrika auswanderte und dort 1763 das an den Ausläufern des Simonsberges bei Stellenbosch östlich von Kapstadt gelegene Weingut Muratie übernahm. Dieses existierte bereits seit 1685 und war von dem Deutschen Laurens Campher und der vormaligen schwarzen Sklavin Ansela van de Caab aufgebaut worden. Die Nachkommen des Ostpreußen Martin Melck betreiben Muratie noch heute.