Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Der Staatspräsident plant einen „Kanal Istanbul“ zur Entlastung der stark befahrenen Meerenge zwischen Europa und Asien. Das Prestigeprojekt spaltet Regierung und Opposition
Seit April 2011 verfolgt der einstige türkische Premierminister und heutige Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan das Ziel, westlich des Bosporus einen Kanal durch den Großraum Istanbul anzulegen. Das von ihm selbst „verrückt“ genannte Projekt reiht sich in die Liste früherer gigantomanischer Bauvorhaben zur Aufwertung der türkischen Metropole ein.
Der sogenannte „Kanal Istanbul“ soll rund 45 Kilometer lang, 25 Meter tief sowie mindestens 275 Meter breit werden und das Marmarameer mit dem Schwarzen Meer verbinden. Aus Erdoğans Sicht entstünde so ein „Bypass“ zur Entlastung des Bosporus, durch den pro Tag mehr als 100 große Schiffe fahren und der deshalb oft verstopft ist.
Allerdings lagen die Projektunterlagen viele Jahre lang beim Ministerium für Umwelt und Städtebau, bis dieses dann endlich am 23. Dezember 2019 alle Umweltverträglichkeitsprüfungen abschloss und grünes Licht für die Bauarbeiten gab. Seither drängt Erdoğan auf beschleunigte Ausschreibungen, damit die Bagger alsbald anrollen können – und zwar ungeachtet der wirtschaftlichen Turbulenzen durch die Corona-Krise.
Kosten von rund 14 Milliarden Euro
Gleichzeitig brach eine Welle des Protestes los. Diese resultierte aus den Bedenken der Ökonomen und Ökologen, welche die ministerielle Zustimmung für nachgerade skandalös hielten. Die Kosten für den Kanalbau werden mittlerweile auf umgerechnet rund 14 Milliarden Euro geschätzt. Derart viel Geld aufzuwenden, entbehre „jeder wirtschaftlichen Vernunft“, meinen Kritiker wie der Wirtschaftswissenschaftler Mustafa Sönmez.
Der Schiffsverkehr auf dem Bosporus gehe seit Jahren kontinuierlich zurück, weil die russischen Ölexporte nun vermehrt über die Ostsee liefen. Überdies werde der Kanal im Gegensatz zum Bosporus auch recht flach sein. Deswegen könnten ihn die großen Containerfrachter und Tanker letztlich gar nicht passieren.
Noch gravierender sind die Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umwelt. Der neue Schifffahrtsweg soll zwei Seen anschneiden, die ein Drittel des Trinkwasserbedarfs Istanbuls abdecken. Außerdem steht eine Störung des sensiblen ökologischen Gleichgewichts im weitgehend abflusslosen Marmarameer zu erwarten. Deshalb prophezeite der prominente türkische Meeresforscher Cemal Saydam von der Hacettepe-Universität in Ankara, dass sich im Bereich des Südausgangs des Kanals jede Menge Schwefelwasserstoff bilden und Istanbul dann häufig nach faulen Eiern stinken werde.
Weitere Probleme drohen an Land. Auf der vorgesehenen Route der Wasserstraße liegen geschützte Dünenfelder und Wälder, in denen hunderte seltene Tier- und Pflanzenarten beheimatet sind. Nach Berechnungen des Umweltexperten Doğanay Tolunay von der Universität Istanbul müssten für den Kanalbau rund 400.000 Bäume auf einer Fläche von 450 Hektar gefällt werden.
Darüber hinaus könnte die Umsetzung des Projektes auch zur Erhöhung des Erdbebenrisikos im Großraum Istanbul führen, in dem über 15 Millionen Menschen leben. Immerhin liegt die tektonisch sensible Marmarameer-Verwerfung nur zwölf Kilometer von dem geplanten Kanal entfernt.
An die Spitze des Widerstandes gegen den „Kanal Istanbul“ setzte sich der Oberbürgermeister der Metropole, Ekrem İmamoğlu, der Erdoğan bereits vorher ein Dorn im Auge war, weil er nicht der herrschenden radikalislamischen Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP, Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung), sondern der oppositionellen kemalistischen Cumhuriyet Halk Partisi (CHP, Republikanische Volkspartei) angehört.
2023 soll der Kanal fertig sein
İmamoğlu sprach ganz offen von „Verrat“ und „Mord“ an seiner Stadt und kündigte das Kooperationsabkommen mit der Zentralregierung in Ankara.
Damit brach vor dem Hintergrund des Bauprojektes ein Machtkampf zwischen İmamoğlu und Erdoğan los, in dem der Staatspräsident immer polemischer agierte. Zuerst schmetterte er dem Bürgermeister entgegen: „Nicht du entscheidest über den Kanal Istanbul, die Befugnis, darüber zu entscheiden, liegt bei mir!“
Dann nannte Erdoğan die geplante künstliche Wasserstraße „ein Werk von Weltklasse“ und beteuerte: „Wir werden nicht zulassen, dass Menschen ohne Visionen, die keine Ziele, keine Liebe und Hoffnung für unser Land haben, uns davon abbringen. Wir werden uns niemals mit der bösartigen Agenda der Opposition befassen, weil wir keine einzige Sekunde verschwenden wollen.“ Und zu guter Letzt spielte er schließlich auch noch die Nationalismus-Karte aus: „Für die Türkei schickt es sich nicht, klein zu denken und klein zu handeln.“
Nun muss die Zukunft zeigen, ob diese hehren Absichtserklärungen tatsächlich umsetzbar sind.
Siegfried Hermann am 19.05.20, 09:13 Uhr
Ich lach mich wech.
100 Schiffe am Tag, macht bei 2 Kanälen 50 Schiffe pro Kanal.
Ist das viel!?
Auf viel wichtigeren Panamakanal fahren am Tag 1400 Schiffe.
Auf dem weit aus wichtigeren Suezkanal 1700 Schiffe am Tag.
Und in unseren Kaiser-Wilhelm-Kanal, auch Nord/Ostsee-Passage genannt schippern satte 3000 Schiffe, ok, Kähne und Jollen, manchmal auch die "modernsten Bundesmarine-U-Boote" der Welt, die ne Schraube ganz locker haben, rum.
Was soll man dazu noch sagen!?