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Corona-Maßnahmen

„Rechtlich fragwürdig“

Ein Bundestagsgutachten bemängelt die Pressepolitik von Angela Merkel und Ex-Regierungssprecher Steffen Seibert

Wolfgang Kaufmann
29.12.2022

Bereits im Juli vergangenen Jahres enthüllte der Berliner „Tagesspiegel“, dass die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Regierungssprecher Steffen Seibert jeweils am Vorabend der Bund-Länder-Konferenzen zur Vereinbarung von Corona-Maßnahmen mit einer Gruppe handverlesener Journalisten zusammentrafen, um diese auf den rigiden Kurs der Regierung einzuschwören. Daraufhin brachten die involvierten Fernsehsender und Zeitungsverlage am Morgen des Folgetages Beiträge, durch welche die Bürger verängstigt und die Ministerpräsidenten unter Druck gesetzt werden sollten, der Merkelschen Lockdown-Politik zu folgen. 

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sieht darin eine unzulässige staatliche Beeinflussung der Medien. Es bleibe völlig unklar, „welche Kriterien die Bundesregierung bei der Auswahl ihrer Gesprächspartner angelegt hat“. Deswegen forderte er bei den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages (WD) ein Gutachten „Zur Informations- und Pressetätigkeit öffentlicher Stellen“ an, das nun am 20. Dezember öffentlich vorgestellt worden ist. 

Eine Initiative Wolfgang Kubickis 

Nach Ansicht der Verfasser des Papiers steht es der Bundesregierung und anderen Behörden grundsätzlich frei, im Rahmen der ihnen „zugewiesenen Aufgaben und Kompetenzen sowie unter Berücksichtigung des von der Rechtsprechung entwickelten Neutralitätsgebots bzw. Gebots der Sachlichkeit ... Presse- und Informationsarbeit (zu) betreiben“. Das könne durchaus „auch in individuelleren Formaten wie Hintergrundgesprächen“ erfolgen. Ebenso sei es zulässig, „freiwillige Informationen ... aus eigener Initiative und unter eigener Themenauswahl an Journalisten (zu) übermitteln“. 

Laut den WD sind aber zwei entscheidende Einschränkungen zu beachten, wie sie beispielsweise auch schon vom Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 18. September 2019 formuliert worden sind: „Die Informationsweitergabe ... darf nicht auf eine Reglementierung oder Steuerung der Medien oder eines Teils von ihnen hinauslaufen. Außerdem gilt im Rahmen staatlicher Informations- und Pressetätigkeit der Anspruch der Presse auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb.“ Sollte es dennoch eine Auswahl unter den zu informierenden Journalisten geben, so „muss diese sich an sachgerechten Erwägungen und meinungsneutralen Kriterien messen lassen“. 

„Mauer des Schweigens“ 

Für Kubicki und etliche weitere Kritiker der Merkelschen Corona-Politik besagt das Gutachten ganz eindeutig, dass das Gebaren der früheren Bundeskanzlerin und ihres Sprechers „rechtlich fragwürdig“ gewesen sei. Darüber hinaus kritisiert der FDP-Politiker die beteiligten Medien mit scharfen Worten. Anstatt ihrer Rolle als Wächter, Korrektiv und „Vierter Gewalt“ gerecht zu werden, wären sie im Zuge der Corona-Pandemie zu willfährigen „Verkündern des Regierungsnarrativs“ geworden. Das zeuge von einem „beispiellosen Versagen“. 

Allerdings stehen nicht nur Pressevertreter und Fernsehjournalisten im Verdacht, sich zu Handlangern des Staates gemacht zu haben, sondern auch die angeblich unabhängige Justiz. Als der „Tagesspiegel“ offizielle Anfragen zu den genauen Inhalten und Teilnehmern der Hintergrundgespräche an das Bundeskanzleramt richtete, verweigerte Letzteres jegliche Auskunft. Daraufhin reichte das Blatt unter Verweis auf entsprechende Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes Klage ein.

Doch das Oberverwaltungsgericht Berlin entschied dazu diesen Juni, dass keine presserechtlichen Ansprüche gegen Merkel und Seibert mehr geltend gemacht werden könnten, weil beide aus ihren Ämtern ausgeschieden seien, was die vom „Tagesspiegel“ angeforderten Informationen „unerreichbar“ mache. Und dies, obwohl das Büro der Altbundeskanzlerin nach der Rechtsprechung desselben Gerichts eine Bundesbehörde darstellt und Seibert als nunmehriger deutscher Botschafter in Israel dem Auswärtigen Amt untersteht.

Insofern hat Kubicki zweifellos Recht, wenn er mit Blick auf die Aufarbeitung des Regierungshandelns während der Pandemie von einer „Mauer des Schweigens“ spricht.

 


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