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Der Wochenrückblick

Reich durch „Rechts“?

Wie der Rechtspopulismus auf die Wirtschaft wirkt, und wie Konzernlenker den Sozialismus entdecken

Hans Heckel
13.04.2024

Endlich haut mal einer auf den Tisch und spricht offen aus, was unser wirkliches Problem ist. Nicht etwa zu hohe Steuern, die überbordende Bürokratie oder der Mangel an Personal belasten die deutsche Wirtschaft am meisten, enthüllt uns Alexander Schirp, Chef der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, sondern: „Das Standortproblem heißt Rechtspopulismus.“

Wären Sie von selbst darauf gekommen? Ich nicht. Gut deshalb, dass das jetzt raus ist. Schirp will dem größten Problem der deutschen Wirtschaft nicht länger tatenlos zusehen: „Ja. Meinungsfreiheit und Toleranz für Andersdenkende sind elementar“, beteuert er. Doch die AfD stehe „in vielen Punkten quer zu den Grundlagen einer offenen Gesellschaft und den Interessen der Wirtschaft“. Als Beispiele führt er unter anderem an, dass die AfD „die Zuwanderung stark begrenzen“ wolle und den Plan verfolge, „die D-Mark wieder einzuführen“.

Darf ich demnach ab sofort nichts mehr äußern, was nicht zur „offenen Gesellschaft“ oder zu den „Interessen der Wirtschaft“ passt? Nein, nein, Sie können beruhigt sein: Ihre Meinungsfreiheit bleibt auch am Arbeitsplatz garantiert, hat er gesagt. Es sei denn, Sie bezweifeln die Qualität des Euro als alternativlose Währung oder sie denken offen über eine Begrenzung der ungezügelten Zuwanderung nach. Da hat Ihre Freiheit ihre Grenzen, da ist die Toleranz von Herrn Schirp zu Ende. Über eine Begrenzung der Zuwanderung soll nach der soeben veröffentlichten Kriminalstatistik für 2023 mit den bemerkenswerten Anstiegen bei der Ausländerkriminalität ja tatsächlich hier und da geflüstert worden sein. Nicht zu tolerieren!

Dabei hat Alexander Schirp noch zwei weitere skandalöse Themen übersehen, die wir hier nachreichen. Man sollte den Mitarbeitern auch keinesfalls gestatten, über die Stellung der Rechtspopulisten in anderen europäischen Ländern zu reden. Nur ein paar Beispiele: In Italien und Ungarn führen sie die Regierung an, in den Niederlanden ist Geert Wilders der starke Mann in überaus zähen Koalitionsverhandlungen. Marine Le Pen läuft sich warm, um in ein paar Jahren französische Präsidentin zu werden. Die „Brandmauer“ ist ein äußerst deutsches Bauwerk, das in Rest-Europa seinesgleichen vergeblich sucht. Denn praktisch überall gehören die Rechtspopulisten längst ganz selbstverständlich zum Konzert der Parteien, es wird mit ihnen geredet, verhandelt und teilweise sogar gemeinsam regiert. Was, wenn das in den Betrieben von Berlin-Brandenburg die Runde macht?

Zudem sollte man seinen Angestellten verbieten, europäische Wirtschafts-Statistiken zu lesen. Es ist ausgerechnet das Brandmauer-geschützte Deutschland, das die rote Laterne in der Konjunkturentwicklung der EU-Volkswirtschaften hält. Sämtliche Rechtspopulismus-offenen oder sogar von jenen dunklen Gestalten regierten Nationen sind an uns vorbeigezogen. Wer unbedingt einen direkten Zusammenhang zwischen der Behandlung des Rechtspopulismus und dem wirtschaftlichen Wohlergehen eines Landes sehen will, der muss zu einem entsetzlichen Schluss kommen: Rechtspopulismus müsste, wenn man es wirklich so simpel betrachtet wie Alexander Schirp, kein Standortproblem, sondern ein Standortvorteil sein.

Es ist schon tragisch, mit anzusehen, wie da jemand auf seiner eigenen ideologischen Schleimspur ausrutscht. Aber das macht eigentlich nichts. Schirp hat bewiesen, dass er auf der richtigen Seite steht. Das allein wird ihm von der Politik ganz bestimmt hoch anrechnet. Da ist es völlig gleich, was für einen Blödsinn er redet.

„Wirtschaftskapitäne“ wandeln sich
Die Nähe zur etablierten Politik scheint für Wirtschaftsvertreter ohnehin immer wichtiger zu werden. Eine frühe Sternstunde dieser Annäherung bereitete uns der damalige Daimler-Chef Dieter Zetsche, als er im Herbst 2015 angesichts der jähen Massenzuwanderung von einem neuen Wirtschaftswunder schwärmte, das diese vielen neu Hereingeschneiten in Deutschland auslösen würden. Nun ja, wir wollten jetzt eigentlich nicht gleich wieder in der Kriminalstatistik herumbohren, aber „gewundert“ haben sich die Deutschen dann doch auf eine etwas andere Weise. Und das nicht erst jetzt, sondern schon wenige Wochen nach Zetsches Bonmot angesichts der Silvester-Exzesse von Köln und anderswo.

Unser Bild vom Wesen der „Wirtschaftskapitäne“, wie man sie früher respektvoll nannte, scheint mit der Wirklichkeit von heute nur noch teilweise übereinzustimmen. Das Bild wurde geprägt in der Zeit des wirklichen Wirtschaftswunders. Damals bestand die Kunst des Unternehmers darin, sich den möglichen Kunden ganz genau anzusehen, um herauszubekommen, was dem wohl gefallen könnte. Dann hat er das produziert, auf den Markt gebracht und dort gewinnbringend verkauft – vorausgesetzt, er hat am Anfang richtig hingeguckt. Wenn nicht, hat er eben Pech gehabt.

Heute geht das ganz anders: Weil die Kunden ohne staatliche Prämie keine E-Autos mehr wollen, bieten ihnen die Konzerne eben nicht einfach wieder Verbrenner an, wie sie der Konsument offenbar haben will. Nein, VW-Chef Oliver Blume fordert im Interview mit dem NDR stattdessen eine „vielseitige Unterstützung“ durch die Politik. Das seien „verbindliche Regelungen, das sind angemessene CO₂-Ziele, das ist Unterstützung der Ladeinfrastruktur. Und das sind auch Förderungen ...“ Er warnt davor, am geplanten Verbrenner-Aus im Jahre 2035 zu rütteln. Man dürfe die Elektromobilität nicht infrage stellen, sondern brauche einen „Konsens in der Gesellschaft“ für das E-Auto.

Fassen wir zusammen: Verbindliche Regelungen statt freier Entscheidung des Kunden, was er haben will, „Konsens in der Gesellschaft“ statt Technologie-Offenheit, per Steuergeld finanzierte Zuschüsse statt am Markt erkämpfter Gewinne aus freiwillig vom Kunden bezahlten Kaufpreisen – viel sozialistischer kann es nicht mehr werden aus dem Mund eines Konzernlenkers, der immer noch in einer angeblichen Marktwirtschaft operiert.

Was sagt eigentlich die FDP als vorgebliche Wirtschaftspartei und Anwältin des freien Marktes zu solchen Abwegen? Ach, die hat momentan ganz woanders zu tun, und damit meine ich nicht den dauernden Ampelzwist. Parteichef Lindner sprüht vor tollen Ideen. Ausländische Fachkräfte will er mit Steuerprivilegien ins Land locken. Gleichzeitig spricht der Finanzminister davon, dass man den Deutschen wieder mehr „Lust auf Überstunden“ machen müsse. Soll wie aus einem Guss klingen, dürfte bei den Beschäftigten aber trotzdem nur mittelgut ankommen. Wie die sich wohl fühlen, wenn man ihnen einerseits ankündigt, sie wegen ihres bisherigen Wohnorts steuerlich benachteiligen zu wollen, um sie im selben Atemzug zu ermuntern, doch mal mehr zu arbeiten? Oder fragen wir besser – frei nach Holger Fuß: Vielleicht will die FDP gar nicht, dass es sie gibt?


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