15.12.2024

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Nördliches Ostpreußen

„Reiseziel“ Königsberg-Kaliningrad

Reisen in die Russische Föderation sind zwar immer noch möglich, aber mit einigen Hürden versehen

Bärbel Beutner
30.06.2024

Die Anführungsstriche haben besondere Bedeutung für meine Erlebnisse auf der Reise ins Königsberger Gebiet am
17. Mai 2024. In meinem Heimatdorf Heiligenwalde [Uschakowo] wurde das 680. Jubiläum der dortigen Kirche gefeiert, ein großes Ereignis, denn die wunderschön restaurierte Ordenskirche ist ein Touristenmagnet für Tausende von Besuchern.

Aus terminlichen Gründen fuhr ich mit einer anderen Busfirma als bisher und machte eine Fülle neuer Erfahrungen. Es begann schon mit dem Zusteigeort Bielefeld-Brackwede. Ein geschlossener Bahnhof, keine Menschenseele weit und breit, kein Hinweis auf irgendwelche Fahrpläne gen Osten – das war mein erster Eindruck bei meiner Ankunft dort. Doch plötzlich tauchte ein Dutzend Menschen mit Reisegepäck auf und ein Bus mit dem Reiseziel „Kaliningrad“ kam. Später sollte ich erfahren, dass diese scheinbare „Fuchs- und Hase-Gutenacht-Station“ ein pulsierender „Umschlag-Platz“ für Reisen in den Osten ist.

Aufmerksamer Service
Die große Überraschung aber kam in Berlin. Eine Riesengruppe stieg ein, jeder Platz war besetzt, man hörte vorwiegend Russisch, aber dann auch wieder Deutsch dazwischen. Einer der Busfahrer hatte vorher schon das Gespräch mit mir auf Deutsch gesucht und gefragt, wie weit ich die russischen Durchsagen verstanden hätte. Überhaupt erlebte ich einen in jeder Hinsicht aufmerksamen Service während der Fahrt sowohl hin und zurück.

Nach und nach kam man ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass die meisten Reisenden mit dem Bus nach Königsberg fuhren und von dort aus nach Moskau, Sankt Petersburg oder weiter nach Asien flogen, denn Direktflüge von Deutschland in die Russische Föderation sind ja nicht mehr möglich. Königsberg ist also zu einer Durchgangsstation geworden, und das Unternehmen hat sich darauf eingestellt. Das wurde bei der Ankunft am Busbahnhof in Königsberg deutlich. Während mich das Glücksgefühl durchströmte, wieder „in der Heimat“ zu sein, wurde im Bus durchgesagt, wann welche Taxis zum Flughafen ankommen. Alles war organisiert.

Die Ziele und die Anliegen der vielen Fahrgäste waren unterschiedlich. Manche Familien mit Kindern waren offenbar auf dem Weg zur Oma. Neben mir saß eine junge Frau, die Russisch und Englisch sprach. Sie flog weiter nach Sankt Petersburg zu ihren Eltern. Von wo aus sie nach Berlin gekommen war, konnte ich nicht herausfinden.

Zwei Tage anstatt acht Stunden
Wie lang der Weg heutzutage werden kann, erfuhr ich auf der Rückfahrt von einer Nachbarin, die als Russin seit dreißig Jahren in Berlin wohnt, weil sie mit einem Deutschen verheiratet ist. Aber ihre Eltern leben hinter dem Ural, und natürlich besucht sie ihre Eltern jedes Jahr zweimal. Was früher eine Flugreise von acht Stunden war, hat sich für sie nun zu einer Odyssee von mehr als zwei Tagen umgewandelt. Früher flog die Lufthansa von Berlin nach Moskau und von dort in den Wohnort ihrer Eltern, wo es eine Fabrik für Ersatzteile für die Lufthansa gab. Glückliche Zeiten. Inzwischen ist sie schon über die Türkei und über den Balkan geflogen und hat es nun auch mit dem Bus nach Königsberg versucht. Doch mit dieser Lösung ist sie auch nicht zufrieden.

Solche Sorgen hat ein anderer deutscher Fahrgast nicht. Er fährt jede Woche mit dem Bus nach Königsberg, das für ihn überhaupt nicht der Rede wert ist. „Ich mache meine Geschäfte in Moskau“, erklärt er. Ein Aufenthalt in unserer teuren Vaterstadt, in der von Deutschen und Russen geliebten Stadt Kants käme ihm nie in den Sinn, schwere Kost für die Nostalgiker, die wir inzwischen ja wohl sind. Denn im Königsberger Gebiet haben sich in den Jahren der Pandemie und durch die politische Lage viele Veränderungen vollzogen.

Königsberg verändert sich
Ein wahrer Bauboom lässt in der Stadt neue Hochhäuser und Glaspaläste und auf dem Land neue Wohnsiedlungen entstehen. Alles vom Feinsten. In die Seebäder fährt man über ein Autobahnnetz, im östlichen Samland auch. Angesichts des opulenten Warenangebotes in dem renovierten Basar in Königsberg verschlägt es einem die Sprache.

Doch ein Reiseziel ohne Anführungsstriche ist Königsberg ohne Frage, trotz der Warnungen vor großen Gefahren und Unannehmlichkeiten auf westlicher Seite. Einfache Reisende mit deutschem Pass haben nichts zu befürchten. An der Grenze fällt sogar die früher aufwendige „Deklaration“ weg, nach Geld wird überhaupt nicht gefragt, das Gepäck wird auf russischer Seite zwar durchleuchtet, aber ich habe bisher keine Beanstandungen erlebt.

Vor Ort gibt es keinerlei deutschfeindliche Reaktionen, im Gegenteil. Viele Autos mit deutschen Kennzeichen sind zu sehen, an manchen Touristenbussen steht groß „Königsberg“, und das alte Königsberg ist überall auf Abbildungen gegenwärtig, so wie wir es seit dem Beginn unserer Besuche kennen. Das Gebiet ist keineswegs „verschlossen“ und unzugänglich gemacht worden. Wer hinfahren möchte, sollte sich ein Herz fassen und sich auf den Weg machen.


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Kommentare

Engelhard Schaber am 02.07.24, 05:45 Uhr

Ich kann nur jedem empfehlen,unsere ehemalige Heimat zu besuchen.Natürlich ist das heutige Kaliningrad ein "Moloch" der alles wie ein Schwamm aus der Umgebung anzieht.Aber...wer sehen kann und will,wird die Schönheit unserer ehemaligen Heimat noch entdecken können.Fährt man über Land(Auto leihen kostet nichts),oder mietet sich für kleines Geld einen Taxifahrer,erlebt man Dinge ,die sprachlos machen, im positiven Sinne.Weites Land,ursprünglich und naturbelassen.Alleine das Gebiet des grossen Moosbruches,eine heute noch unikale Moorlandschaft und Schutzgebiet, ist umwerfend.Wer Glück hat kann im Frühjahr Elchkühe mit Nachwuchs ziehen sehen.Der Schrei des Kranich in der Morgenstille.Natürlich ist es etwas aufwendig wegem Visum und zum Teil langen Wartezeiten bei der Abfertigung auf polnischer Seite.Dafür belohnt einen diese faszinierende Landschaft,wie kurische Nehrung.Kilometer lange naturbelassene Strände,ohne "Piss und Fressbuden".Die Läden sind voll.Nicht muss man entbehren",das zum Thema Sanktionen.Nicht umsonst zieht es heute viele Deutsche ins ehemalige Königsberger Gebiet.Lebenshaltungskosten 25% von unseren und Benzin?58 Eurocent pro Liter. Fahrkarte für Tramwei ,Bus,oder Maschrutka 32 Rubel/35 Eurocent und Steuern zwischen 13+16 %.Und eines möchte ich noch sagen:In den 15 Jahren, die ich dort unterwegs bin ,habe ich nicht ein einziges blöses Wort von Russen gegenüber uns Deutschen gehört.Und das nach 27 Millionen Opfern, die wir ihnen im 2.Krieg zugefügt haben ,ist kein Hass nachgeblieben.Und das ist gut so.Also....wir sehen uns im ehemaligen Ostpreußen"Land der dunklen Wälder und kristallner Seen.E.Schaber

Axel Ulrich am 30.06.24, 16:46 Uhr

Ich bin vom 08.-12.05. dort mit dem eigenen PKW hingereist und kann alles vollauf bestätigen: Tharau, Mühlhausen, Friedland, Gerdauen, Cranz, Gumbinnen, Insterburg. Alles sehr angenehm, aufgeräumt, sehr zuvorkommende Menschen, wohin man auch kommt, sehr gute Angebote in allen Bereichen, besonders Gastronomie. Und es ist eine sehr gute Entwicklung sichtbar. Noch nicht perfekt, aber wenn man dort so weitermacht, ist das in einigen Jahren deutscher als hier:-)))

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