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Eine Sammelaktion soll helfen, Oppelns einstigem Friedhof sein Gesicht wiederzugeben
Am 1. November, also am katholischen Tag Allerheiligen, wird auf dem historischen Friedhof in der Breslauer Straße [ulica Wrocławska] in Oppeln Geld gesammelt. Mit den Spenden werden deutsche Grabsteine renoviert. Die Spendenaktion wurde 2023 von Beata Kubica vom städtischen Oppelner Sozialausschuss in Zusammenarbeit mit der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen in der Woiwodschaft Oppeln ins Leben gerufen.
Angestoßen hatte die Aktion der deutsche Historiker und Publizist Gerhard Schiller, der seit Jahren in Oppeln lebt. Der „Alte Friedhof“, wie man ihn heute nennt, zählte zu den ersten Orten, die der Koblenzer in Oppeln besuchte. Ihm fiel sogleich die Grabkapelle auf. Diese wurde für einen Pfefferküchler errichtet. „Das machte mich neugierig, denn ich komme aus dem Westerwald und das heißt bei uns Lebküchler“, erinnert er sich.
Bei seinen Recherchen fand er heraus, dass um 1810 verordnet wurde, Friedhöfe nur noch außerhalb der Stadtmauern zu errichten. „Dann kamen die Befreiungskriege, die Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und hier in Oppeln war eine Menge an Soldaten in den Spitälern. Und was passierte? Es breiteten sich Seuchen aus und es gab sehr viele Tote, die man begraben musste. Es war der Anfang von diesem Friedhof, der eigentlich eine Kompromisslösung war.“ Der Friedhof in der Odervorstadt wurde am 19. Dezember 1813 eingeweiht. „Er diente fortan der Stadtbevölkerung für beinahe 120 Jahre als Hauptbegräbnisstätte“, so Schiller.
Oppelns Einwohnerzahl stieg von 3000 im Jahre 1813 auf 45.000 im Jahr 1930. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begrub man auf dem „Oderfriedhof“ jährlich ungefähr 400 Erwachsene und etwa dieselbe Zahl an Kindern. So teilte am 18. Juni 1920 die Friedhofsdeputation dem Oppelner Magistrat mit, dass aus „Platzmangel ein neuer Friedhof angelegt werden müsse“, und nach langer Planung nahm man 1931 einen neuen städtischen Friedhof im Stadtteil Halbendorf [Półwieś] in Betrieb. Der alte „Oderfriedhof“ wurde mit Ausnahme der schon bestehenden Erbbegräbnisse und Familiengräber geschlossen.
„1945 wurde der Friedhof in der Breslauer Straße wiedereröffnet und diente den neuen Einwohnern der Stadt bis 1963 als letzte Begräbnisstätte“, so Joanna Filipczyk vom Museum des Oppelner Landes. Sie erarbeitete mit Schiller eine Internetseite, die über den Oderfriedhof in deutscher und polnischer Sprache informiert (cmentarzopole.pl). „Diese Internetplattform kann laufend ergänzt werden, denn Friedhöfe gehören zu den Themen, die uns alle betreffen. Einstige wie heutige Oppelner können Informationen zum Leben der hier Ruhenden oder Fotos von hier beerdigten Verwandten beisteuern. Wir hoffen, dass sich dieses Projekt verselbstständigt“, sagt Filipczyk. Eine Mitwirkung sei auch deshalb wichtig, weil es kaum Archivmaterial über den Friedhof gebe, so Beata Kubica, die sich mit Hobbyhistorikern und Stadträten bemüht, diese Nekropole vor dem Verfall zu bewahren. „Der Friedhof ist ein Stück Oppelner Geschichte, und deshalb hat es in den letzten Jahren bereits Initiativen zur Rettung gegeben“, sagt Kubica, die mit Schiller als Paar liiert ist.
In den vergangenen Jahren gab es Aufräumaktionen, Gelder für die Erstellung eines Flächennutzungsplans wurden akquiriert und „dank der deutschen Minderheit wurde der Friedhof in die Liste geschützter Denkmäler aufgenommen, was das Areal vor einer Umnutzung schützt. Denn es gab bereits Pläne, auf diesem Gelände einen Hundepark anzulegen“, erklärt Kubica. Sie und ihr Partner hoffen, dass aus dem „Alten Friedhof“ eine Parkanlage wird, die als kulturelles Denkmal dienen könnte. Schiller berichtet, dass er im niederschlesischen Hirschberg [Jelenia Góra] an einem ähnlichen Projekt gearbeitet habe. „Es war ein Barockfriedhof. Wir haben anhand der dort begrabenen Kaufleute gezeigt, wo sie gehandelt haben, in welchen Häusern sie wohnten, wie ihr Leben war. Das ließe sich in Oppeln auch gut machen – eben halt für eine andere Zeit, für das 19. Jahrhundert“, sagt er.
Doch bis es in Oppeln so weit ist, müssen noch viele Gräber erst saniert werden und dafür wollen Beata Kubica und ihre Helfer sich engagieren und am 1. November sammeln.