26.04.2024

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Italien

Rom streitet über Corona-Hilfen

Sozialdemokraten und Fünf-Sterne-Bewegung möchten eigene Klientelen bedient sehen

Bodo Bost
11.01.2021

Mit ganzseitigen Anzeigen in deutschen Tageszeitungen hatten sich im Sommer italienische Politiker, angeführt vom sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Carlo Calenda, an die „lieben deutschen Freunde“ gewandt und an die „Werte von Freiheit und Solidarität“ appelliert, um den Widerstand von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen gemeinsam finanzierte Corona-Hilfsfonds zu brechen.

Den Niederlanden, die nach dem Einknicken Merkels die Riege der „Sparsamen“ anführten, warf man in Rom einen „Mangel an Ethik und Solidarität“ vor. Stets argumentierte Italien mit seiner Ehre, wobei offenblieb, was damit genau gemeint war. Die Vertreter der Euro-skeptischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) fuhren erst gar nicht mit nach Brüssel zur Aushandlung der Corona-Hilfen, um den Eindruck der Harmonie nicht zu trüben.

Offen argumentierte Rom politisch – und nicht ökonomisch – für nicht rückzahlbare Corona-Hilfen. Es gelte ein Erstarken Matteo Salvinis und dessen EU-kritischer Lega zu verhindern. Als sich die EU dann auf ein gemeinschaftlich finanziertes Hilfssystem einigte, war nur noch von der Zukunftsgebundenheit der Hilfen die Rede. Diese muss bei der Antragstellung nachgewiesen werden.

Italiens Ministerpräsident Guiseppe Conte war der Gewinner dieser Pokerrunde in Brüssel. Italien durfte den größten Batzen, insgesamt fast 85 Milliarden Euro, als Geschenk der EU einkassieren und das bei einer Schuldenlast des Landes von 2,5 Billionen Euro, der höchsten aller EU-Länder und der dritthöchsten der Welt. Entsprechend gestärkt kehrte Conte aus Brüssel zurück und ruhte sich auf seinen Lorbeeren aus, während Corona in einer zweiten Welle Italien weitaus schlimmer heimsucht als noch im Frühjahr.

Ungeachtet grassierender Corona-Zahlen mit 500 bis 800 Toten pro Tag ist in Italien ein politischer Kampf in der Regierungskoalition um die Verteilung der geschenkten Milliarden entbrannt. Der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) und der Fünf-Sterne Bewegung, die mit den drei Gründungsparteien des linksgerichteten Parteienbündnisses Liberi e Uguali (LeU), Articolo 1 – Movimento Democratico e Progressista, Sinistra Italiana und Possibile, der von Matteo Renzi 2019 gegründeten Partei der politischen Mitte Italia Viva sowie der Interessensvertretung der Auslandsitaliener in Südamerika Movimento Associativo Italiani all'Estero (MAIE), Italiens Regierung stellen, ist die neue Macht und Selbstherrlichkeit des Technokraten Conte ein Dorn im Auge.

Angst vor Neuwahlen

Sozialdemokraten wie Fünf-Sterne-Bewegung wollen wie in den letzten Jahrzehnten gewohnt in erster Linie die eigene Klientel mit den Milliardenhilfen bedienen. Die Zweck- und Zukunftsgebundenheit der Mittel hindert sie daran nicht. Derartige Versorgung erwartende Wähler hat Conte als Parteiloser jedoch nicht. Der Premier hatte im Sommer, als sich die EU-Staaten auf den sogenannten Wiederaufbaufonds verständigt hatten, noch euphorisch eine „Neuerfindung Italiens“ und ein kräftiges Wachstum versprochen.

Nun lähmt der Milliardensegen jedoch die Regierung. Konkrete und vor allem bewilligungsfähige Projekte hat Rom bisher kaum vorgelegt, weil Conte wie ein Autokrat die Neuerfindung Italiens zur eigenen Sache gemacht hat. Renzi warf Conte die Ausnutzung von „vollen Machtbefugnissen“ vor. Der Ex-Premier drohte damit, seine Minister aus der Regierung zurückzuziehen.

Weder die Fünf-Sterne-Bewegung noch die PD verteidigten Conte im Parlament. Aber einen Sturz Contes versuchen beide Parteien zu verhindern, aus Angst bei Neuwahlen Parlamentsmandate zu verlieren. Ihre Angst ist begründet, denn Salvinis Lega Nord führt gegenwärtig noch in allen Umfragen.

Damit droht Italien eine zweijährige politische Lähmung, denn erst dann stehen turnusmäßig Parlamentswahlen an. Ob Italien in dieser Blockade zwischen Premier und Parlament bewilligungsfähige Projekte einreichen kann, bleibt abzuwarten. Bereits in den vergangenen Jahren hatte Italien jeweils nur vier Zehntel der für das Land reservierten EU-Strukturfonds-Mittel abgerufen wegen fehlender entsprechender Anträge. Dasselbe könnte nun mit den Milliarden aus dem sogenannten Wiederaufbaufonds auch passieren.


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Kommentare

Jan Kerzel am 12.01.21, 14:03 Uhr

Wir können uns glücklich schaetzen, die Probleme Italiens nicht zu haben. Gott behüte uns vor solchen Konflikten! Da sieht man es wieder einmal, Geld alleine macht auch nicht glücklich. Bei uns gibt es, wenn der Bedarf da ist, eine neue Steuer und gut ist es: keine Aufregung, kein Rumgemaule, ruckzuck ist die Kasse wieder voll und es kann weitergehen. Die Bürger sind kooperativ und einsichtig, das fehlt leider woanders oft. Kein Wunder, dass es dann eben zu solch unschönen Konflikten kommt.

Siegfried Hermann am 12.01.21, 13:08 Uhr

Die PAZ hatte doch das Thema schon unter einen anderen Namen!
Was soll dabei raus kommen!?
Das ist eine italienische Corleone-Pizza a la Florenz. Die Erben der Medici und Borgia sind schon immer ungekrönte Könige darin, anders Leuten Geld, das sie selbst noch nicht haben, schon ausgegeben zu haben.

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