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Der Berggeist kommt heute wieder in seiner Erscheinungsform des 16. Jahrhunderts zurück
Eine Ausstellung der Galerie BWA im Breslauer Hauptbahnhof erzählt noch bis zum 26. Januar 2025 die Geschichte von der einstigen Sagenhalle in Schreiberhau [Szklarska Poręba]. Die Präsentation der „Tempel der Märchen“ [Świątynia Baśni] macht den Berggeist Rübezahl aus dem Riesengebirge zur Hauptfigur – und zwar in seiner ursprünglichen Gestalt, wie sie Martin Helwig 1561 auf seiner bekannten Schlesienkarte darstellte und wie ihn kaum ein Deutscher vor Augen hat: als dämonische Figur mit Geweih und Hufen.
Julianna Biesok von der Galerie BWA, die die Ausstellung organisierte, führt durch die Präsentation und erklärt: „In Deutschland war er ein furchterregender, fast bösartiger Berggeist. In Böhmen hingegen ist er viel freundlicher, fast schon ein netter Opa mit Pfeife, dann wieder erscheint er als gehörnter Dämon.“
Die Idee für die Ausstellung hatte Joanna Kobyłt. Die Kuratorin ließ sich von einem historischen Führer durch die Sagenhalle inspirieren. In dieser Publikation von 1904, die in der Ausstellung ausliegt, habe Kobyłt einen Text von Bruno Wille gefunden, „der die Schreiberhauer Sagenhalle als künstlerisches Denkmal für die Liebe zur Natur beschrieb“. Dieser Satz sei für die Kuratorin ein Impuls gewesen darüber nachzudenken, „wie wir heute unser Verhältnis zur Natur definieren und wie sich unser Verhältnis zur Natur verändert“, sagt Biesok.
Die Sagenhalle in Mittel-Schreiberhau von 1903 war eine von vier Hallen, die Hermann Hendrich (1854–1931) gestaltete. Heute sind nur noch seine Walpurgishalle auf dem Hexentanzplatz in Thale im Harz und die Nibelungenhalle in Königswinter am Rhein erhalten. Außerdem überdauerten einzelne Gemälde Hendrichs im Richard-Wagner-Museum in Bayreuth, im Nissen-Haus in Husum und in Museen in Orten, in denen der Maler des Symbolismus künstlerisch tätig war.
Verliebt in das Riesengebirge widmete Hendrich seine Sagenhalle dem Berggeist Rübezahl. Darin schuf er großformatige Landschaften mit Bergpanoramen, die die Unberechenbarkeit und Kraft der Naturphänomene darstellten.
Die Schau im Breslauer Hauptbahnhof soll einen zeitgenössischen Tempel schaffen, der sowohl eigens für diese Ausstellung angefertigte Werke als auch historische Arbeiten zeigt. So wird beispielsweise ein fast 120 Jahre alter Wandteppich von Wanda Bibrowicz präsentiert. Die in Grätz [Grodzisk Wielkopolski] bei Posen geborene Bibrowicz (1878–1954) hatte an der Königlichen Kunst- und Gewerbeschule in Breslau Kunstweberei studiert.
Die zeitgenössischen Werke beziehen sich meist auf Rübezahl und wie die Künstler ihn heute sehen. Das Ölgemälde „Rübezahl“ von Henryk Waniek (*1942) und das Werk „Pan Jan in Excelsior“ von Urszula Broll, die wie Waniek aus Oberschlesien stammt, bilden den Anfang der Ausstellung. „Waniek, der uns hier oft besucht, verriet uns, dass sowohl der abgebildete Wanderer in seinem Bild als auch Rübezahl Wanieks Gesichtszüge trägt“, berichtet Biesok. Ihr Lieblingsobjekt sei aber eine Installation des Duos Ula Lucińska und Michał Knychaus. „Diese Künstler verarbeiten die Vision einer Verflechtung von Natur und Technik nach dem Motto: Es gibt Blumen, die aus dem Schlamm wachsen. Sie verarbeiten Kabel, Metall, Stoffreste, also eher Hässliches zu Pflanzen, die leuchten“, erklärt sie. In eine ähnliche Richtung zielt Paweł Kulczyńskis Klanginstallation, die sowohl Naturphänomene als auch Maschinengeräusche nachahmt. Diese beunruhigen, können aber auch meditativ wirken.
Ein anderer Teil der Schau „zeigt, was wäre, wenn wir anstatt Christus dem antiken griechischen Philosophen Apollonios von Tyana folgen würden. Ein Tabernakel, in dessen Mitte ein Ammonit platziert wurde, soll uns darauf aufmerksam machen, wie kurz unser Dasein auf diesem Planeten ist“, erklärt Beata Marszałek.
Breslau bot polnischen Künstlern nach 1945 eine Neuschöpfung künstlerischer Ausdrucksformen an, denn anders als im traditionsbeladenen Krakau wurde man hier nicht mit Vorbildern erschlagen. Daraus entwickelte sich eine neue Avantgarde. Im Breslauer Hauptbahnhof wird der deutsche Besucher Rübezahl eher weniger erkennen, zumal die Ausstellung dreisprachig ist – polnisch, englisch und ukrainisch.