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Rückkehr der alten Dessauer

Nach über zehn Jahren sanierungsbedingter Schließung ist die Anhaltische Gemäldegalerie in Dessau-Roßlau wiedereröffnet

Veit-Mario Thiede
16.02.2024

Die Meisterwerke der in Dessau beheimateten Anhaltischen Gemäldegalerie waren lange nicht zu sehen. Ihr Domizil, das Schloss Georgium, war zwecks Generalsanierung ab 2012 geschlossen. Nun aber ist alles neu hergerichtet. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff schwärmte: „So schön hat es hier noch nie ausgesehen.“

Das Sanierungsprojekt war nach den Worten von Dessau-Roßlaus parteilosem Oberbürgermeister Robert Reck eine „knifflige Aufgabe“: Denkmalschutz musste mit den Ansprüchen hochempfindlicher Kunstwerke in Einklang gebracht werden. Für die Bauarbeiten und die Einrichtung der neuen Dauerschau gaben Stadt, Land und Bund etwas mehr als 15,5 Millionen Euro aus. Ende 2020 begann der Wiedereinzug.

Doch die „Einklimatisierung“ der Räume wollte nicht so recht gelingen. Temperatur und Luftfeuchtigkeit schwankten. Inzwischen aber herrscht ein stabiles Raumklima, sodass Galeriedirektor Ruben Rebmann sich freut, den „Reichtum zu präsentieren, der lange nicht zu sehen war“. Aus dem 1800 Gemälde umfassenden Fundus stellt er 250 Werke zur Schau. Die ältesten stammen aus dem späten

15. Jahrhundert, die jüngsten aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Wegen der Alten Meister gehört die Kollektion zu den besten Mitteldeutschlands.

Tochter des „Alten Dessauers“
Im Erdgeschoss wird den Besuchern mittels Wandtexten und Medientischen die Geschichte des Hauses und der Sammlung erzählt. Den Kernbau ließ sich Johann Georg von Anhalt-Dessau nach dem Entwurf des bedeutenden Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff 1780 bis 1784 als Sommersitz errichten. Der wurde 1893 um zwei Seitenflügel erweitert. Das Georgium und sein Landschaftsgarten sind Teil des Gartenreichs Dessau-Wörlitz, das zum Unesco-Welterbe gehört.

Der Freistaat Anhalt gründete 1927 die Anhaltische Gemäldegalerie. Die ist seit 1959 im Schloss Georgium untergebracht. Der Grundstock der Sammlung geht auf Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau zurück. Sie war das jüngste der zehn Kinder Fürst Leopolds I. Der als der „Alte Dessauer“ berühmte Haudegen gehörte der preußischen Armee an. Die 1793 gestorbene Henriette Amalie verfügte, dass ihre Gemäldesammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Amalienstiftung überließ die Bilder 1927 der gerade gegründeten Anhaltischen Gemäldegalerie. Weitere bedeutende Zugänge kamen aus der von Fürst Franz im Gotischen Haus von Wörlitz untergebrachten Bildersammlung. Der Begründer des Gartenreichs Dessau-Wörlitz war der ältere Bruder von Johann Georg.

Im ersten Obergeschoss erwarten den Besucher die Alten Meister. Eines der frühesten Werke ist das vom Nürnberger Meister geschaffene „Doppelbildnis des Berthold Tucher und der Christina Schmidtmayer“ (1484). Das frisch vermählte Paar schaut ernst drein. Ehefrauen lebten damals gefährlich. Nach der Geburt des 22. Sprösslings starb Christina im Kindbett.

Nach der Arche muss man suchen
Lucas Cranach der Ältere ist mit einem seiner bedeutendsten Werke vertreten: dem „Marienretabel“ (1509/10) mit der uns scheinbar anlächelnden Muttergottes im Bildzentrum. Auf den Seitenflügeln treten die von ihren Schutzpatronen begleiteten Stifter in Erscheinung. Links der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, rechts sein Bruder Johann der Beständige.

Die Sammlung der alten Holländer und Flamen zeichnet sich durch zahlreiche kurzweilige Wimmelbilder aus. Der Holländer Hendrick Averkamp zeigt uns aus der Vogelperspektive eine „Winterlandschaft mit Eisläufern“ (1610). Es handelt sich um ein eisig graues Bild mit zahlreichen Farbtupfern, die sich als Alt und Jung auf Schlittschuhen entpuppen. Der Flame Jan Brueghel der Ältere präsentiert uns den „Einzug in die Arche Noah“ (nach 1613). Am Ufer und im Geäst, auf dem Wasser und am Himmel sind in großer Zahl einheimische und exotische Tiere versammelt. Nach der Arche aber muss man suchen – und entdeckt sie schließlich schemenhaft ganz weit im Hintergrund.

Das niedrige, früher als Depot dienende zweite Obergeschoss wird nun ebenfalls für die Dauerausstellung genutzt. In einigen der Räume wird die Präsentation wechseln, um immer neue Einblicke in die Sammlung zu geben. Momentan stehen Gemälde aus der Kollektion Henriette Amalies im Blickpunkt.

Die von Direktor Rebmann vorgenommene symmetrische Hängung entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Harmonie schreiender Gegensätze: Neben den friedlichen Blumenstillleben (um 1620) Jacob Flegels hängen blutrünstige Stücke Christian Wilhelm Ernst Dietrichs wie „Die Blendung des Polyphem durch Odysseus“ (1760/70).

Schwerpunkt im zweiten Obergeschoss ist die Kunst der Goethezeit. Deren Wiederentdeckung der Gotik spiegelt sich zum Beispiel in Joseph Wintergersts Gemälde „Der Kirchenbau im Mittelalter“ (nach 1838) wider. Johann Wolfgang von Goethe war der erste, der Caroline Bardua zu einem Porträt saß. Ihr Gemälde von 1806 zeigt ihn im roten, antikisierenden Gewand. Der Dessauer Johann Heinrich Beck präsentiert den streng dreinschauenden „Moses mit den Gesetzestafeln“ (2. Viertel 19. Jh.).

Beck erhielt seine Ausbildung in Dresden, wo er mit Caspar David Friedrich Bekanntschaft schloss. Die ebenfalls in Dresden ausgebildete Bardua stand mit Friedrich sogar jahrzehntelang in freundschaftlichem Kontakt. Ein Jahr vor seinem Tod schuf sie das „Bildnis des Malers Caspar David Friedrich“ (1839), der Pinsel und Palette wegen eines Schlaganfalls gegen den Krückstock eintauschen musste. Das anrührende Gemälde wird zu den Attraktionen gehören, die ab August in der zu Friedrichs 250. Geburtstag gewidmeten Sonderausstellung im Dresdener Albertinum präsentiert wird.

Anhaltische Gemäldegalerie im Schloss Georgium, Puschkinallee 100, Dessau-Roßlau, geöffnet täglich außer Dienstag von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 8,50 Euro. Internet: gemaeldegalerie.dessau-rosslau.de


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