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Biographie

Rückzug aus dem Politikbetrieb

Katja Suding war die Hoffnungsträgerin der Liberalen, bis sie sich 2021 ins Private zurückzog. In ihrem Buch „Reißleine“ schildert sie ihre Gründe

Dirk Klose
04.10.2022

Sie hätte in der Politik ganz nach oben kommen können: Die 46-jährige Katja Suding war für die FDP 2011 in die Hamburger Politik gegangen, wurde dort rasch Landesvorsitzende und nach der Bürgerschaftswahl 2015, als ihre Partei wieder ins Parlament kam, Fraktionsvorsitzende. 2017 wechselte sie in den Bundestag, wo sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende wurde. Bald gehörte sie auch dem Bundesvorstand ihrer Partei an. Heute wäre sie sehr wahrscheinlich Mitglied im Bundeskabinett.

Aber plötzlich steigt sie aus. 2020 informiert sie zuerst den Parteivorsitzenden, dann ihren Hamburger Landesverband, dass sie 2021 alle ihre Ämter aufgeben und sich ins Privatleben zurückziehen werde. Entgeisterung, Zustimmung und Verständnis ringsum sind die Folge.

Die Autorin beschreibt in diesem sehr persönlich gehaltenen Buch „Reißleine“ ihren langsamen „Abnabelungsprozess“. Ihre Ideale von einer liberalen und allen Menschen gleiche Chancen gebenden Politik sah sie in der FDP am ehesten verwirklicht. Mit Idealismus und Engagement stürzte sie sich ab 2010 in das politische Tagesgeschäft, was sie zwar rasch nach oben führte, aber zwangsläufig auch den strapaziösen politischen Alltag mit endlosen Sitzungen, Konferenzen, Reden und TV- sowie immer wieder Wahlkampfauftritten mit sich brachte.

Es liest sich überzeugend, wie gern und engagiert sie in den ersten Jahren in Hamburg und bald auch bundesweit für ihre Partei arbeitete. Ihr Schwerpunkt war die Bildungspolitik in Land und Bund. Aber schon bald merkt sie: „Das strahlende Lächeln ist den Kameras und den öffentlichen Auftritten vorbehalten. Bin ich allein mit mir, sinke ich oft in mich zusammen.“

Endgültig im Bundestag hören die nagenden Zweifel nicht mehr auf: Eine freie Gesellschaft brauche Menschen, die auch in ihrem Denken wirklich frei sind. Bald ist für sie klar: Ich höre auf. Im September 2020 gibt sie auf dem Landesparteitag der Hamburger FDP ihren Entschluss bekannt. Vorher hat sie Parteichef Christian Lindner informiert. „Wow“, ist dessen erste Reaktion, und dann: „Ich verstehe dich.“ FDP-Vize Wolfgang Kubicki ganz entgeistert: „Das kannst du doch nicht machen! Ohne dich macht es gar keinen Spaß mehr.“

Dieses so ehrlich, auch selbstkritisch geschriebene Buch mag man als Mahnung vor dem zermürbenden, oft leeren Politikbetrieb lesen, ja, als Mahnung vor dem Moloch überhaupt, der heute vielerorts herrscht. Freilich: Nehmerqualitäten, um in der Boxersprache zu reden, muss man wohl haben.


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