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Was die WM von Katar alles an Gutem bringt, und warum wir noch viel mehr Bürokratie benötigen
Eigentlich war das ganz geschickt ausgeklügelt. Die Lage war ja die: Der Profifußball war in einem Maße zur reinen Geldmaschine verkommen, dass es selbst für die marktwirtschaftlichsten Fans zu müffeln begann. Daher musste die Sache „idealistisch“ parfümiert werden, damit der Gestank der Gier die Millionen Fußballfreunde nicht vollends aus den Latschen schießt.
Man hätte es mit Patriotismus versuchen können. Aber nachdem die verantwortlichen Funktionäre die Deutsche Nationalmannschaft für einige Jahre hinter dem Etikett „Die Mannschaft“ versteckt hatten, wäre das kaum glaubhaft gewesen. Außerdem kommt das Nationale auch nicht „woke“ daher und ist deshalb kaum geeignet, die erhofften Streicheleinheiten von den Mainstream-Medien zu kassieren.
Also kamen die Fußballmanager auf den Regenbogen – und alles lief bestens. Bis jetzt. Die Blamage von Katar, wo die deutschen Spieler ihre bunten Armbinden hektisch verschwinden ließen aus Angst vor ein paar gelben Karten, hat so einiges ans Licht gebracht, was im Dunkeln hätte bleiben sollen.
Der Vorgang erinnert an einen deutschen Weltkonzern, der sein Firmenlogo in der Werbung regenbogenmäßig einfärben ließ. Aber nur in Ländern, wo man dafür gestreichelt wird. In der Türkei und der arabischen Welt blieb das Logo grau.
Müssen wir uns jetzt über unsere „Mannschaft“ ärgern? Keineswegs: Die Geschichte endet nämlich in einer Pointe, die uns allen Mut machen sollte. Sie lautet, dass sich Feigheit eben nicht immer auszahlt. Schließlich sind unsere „Mannschafts“-Millionäre überhaupt erst in diesen peinlichen Schlamassel geraten, weil sie einstmals nicht einmal den Mut hatten, sich jeder politischen Inanspruchnahme zu widersetzen, egal, wie gut ihnen das jeweilige Ziel auch erscheinen mochte. Abgesehen von den beiden Diktaturen in Deutschland galt es schließlich als ausgemachte Sache, dass Sport Sport ist und die Politik draußen bleibt. Hätten sie den Schneid aufgebracht, diesen alten Grundsatz zu verteidigen, statt sich an den politischen Zeitgeist ranzuschleimen, stünden sie nun nicht mit runtergelassenen Hosen da.
Dass das Spektakel von Katar die mit Sicherheit elendeste WM werden wird, an welche sich die Zeitgenossen erinnern können, gebiert noch einen weiteren positiven Effekt. Bislang war es immer so, dass die Politik während der Weltmeisterschaft ganz im Schatten versank, weil alle nur noch Fußball gucken wollten. In jener Dunkelheit ließ sich dann so allerhand ermunkeln, was die Öffentlichkeit nicht mitkriegen sollte.
Das funktioniert diesmal nicht, weil die Kickerei viel weniger Leute in ihren Bann zieht als sonst immer. Deshalb kriegen wir so einiges mit, was uns in normalen WM-Zeiten glatt entgangen wäre. Etwa den denkwürdigen Auftritt von Annalena Baerbock in Paris, wo dieser Tage die dritte Geberkonferenz für die Republik Moldau stattfand. Dort verkündete die Außenministerin in ihrer gewohnt pathetischen Tonlage: „Wir lassen Moldau weder in Kälte noch in Dunkelheit noch in einer drohenden Rezession allein.“
Wie sie das wohl gemeint hat? Sind wir nicht selber knapp mit Gas und Strom? Droht uns nicht ebenfalls eine Rezession? Also wollte Baerbock wohl sagen: „Wenn ihr in Kälte, Finsternis und wirtschaftlichem Abstieg gefangen seid, sorgt euch nicht, ihr armen Moldauer. Denn die deutsche Politik hat in jahrelanger harter Arbeit dafür gesorgt, dass auch Deutschland noch in diesem Winter kalt und finster werden könnte und unsere Wirtschaft abschmiert wie lange nicht. Ihr seid also nicht allein!“ Ist das nicht echt solidarisch? Die Moldauer werden begeistert sein.
Alte Ortskräfte, neue Ortskräfte
Auf jeden Fall kriegt das kleine Land zwischen Rumänien und der Ukraine noch einmal Geld von uns. Aber das ist dann schon weniger überragend, denn das kriegen schließlich alle. Sogar China, dessen Rüstungsetat sechsmal so umfangreich ist wie unserer, soll Steuergeld aus Deutschland erhalten über den künftigen internationalen Klimafonds, der unter Baerbocks Teilnahme gerade in Ägypten beschlossen wurde.
Jetzt aber nicht polemisch werden, deutsches Steuergeld wird keineswegs nur ans Ausland verpulvert. Die Regierung pulvert auch ganz ordentlich an uns, zumindest an einige von uns. So hat die Ampelkoalition in der kurzen Zeit ihres Wirkens bereits mehr als 10.000 zusätzliche Stellen in ihren Ministerien und angeschlossenen Behörden geschaffen. Daran werden wir alle andächtig zurückdenken, wenn Christian Lindner demnächst mal wieder eine liberale Lanze für den „Bürokratieabbau“ bricht, was er mit höchster Sicherheit spätestens im nächsten Wahlkampf tun wird.
Zugegeben, das war jetzt ein bisschen polemisch, kehren wir zur Sachlichkeit zurück. Bürokratieabbau? Mancher hat vielleicht schon auf der Seite 5 dieser Nummer gelesen, dass in Berlin etliche Sozialämter für den Publikumsverkehr dichtmachen, weil sie völlig überlastet sind. Ergo benötigen wir keinen Abbau von Bürokratie, sondern einen kräftigen Aufbau.
Nachdem von den vier Millionen zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen, die seit 2012 in Deutschland entstanden sind, 1,5 Millionen (also fast die Hälfte) im öffentlichen Dienst kreiert wurden, sind wir zwar auf einem guten Weg. Doch der Aufbau zusätzlicher Bürokratie geht längst nicht in dem Tempo voran, wie es für einen erfolgreich scheiternden Staat angemessen wäre.
Allerdings tut die Politik alles, um ihr Pensum zu erfüllen. So geht laut Berliner Sozialamtsmitarbeitern die Überlastung zu einem Gutteil auf „immer neue Gesetzesvorgaben“ zurück, welche von der Politik ersonnen werden. Ein weiterer Auslöser für den Kollaps seien die „steigenden Geflüchtetenzahlen“. Auch da hängen sich unsere Regierenden mächtig rein. So finanziert die Bundesregierung aus Steuergeldern ein deutsches Schiff zum Immigrantentransfer übers Mittelmeer. Sehr zu unserem Ärger stellt sich die italienische Regierung zwar ziemlich an bei der Durchschleusung der Leute über ihr Territorium. Aber das kriegen Berlin, Paris und Brüssel gewiss noch geregelt.
Aus Afghanistan werden derweil immer noch Ortskräfte in großer Zahl evakuiert. Zigtausende sind schon hier, viele weitere sollen folgen. Ja, schön, aber was ist, wenn wir die allerletzte Ortskraft nebst deren weitläufiger Verwandtschaft in Deutschland begrüßt haben? Versiegt dann nicht dieser Quell neuer Fälle für die Ämter?
Auf keinen Fall, für Nachschub wird bereits gesorgt. Während die alten Ortskräfte evakuiert werden wegen der Gefahr, der sie aufgrund ihrer früheren Tätigkeit für deutsche Einrichtungen ausgesetzt seien, stellt die bundeseigene Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Afghanistan schon wieder neue Ortskräfte ein. Kein Witz!
Wer so was hört, möchte beinahe lieber wieder WM gucken – die bunte Armbinde mutig auf dem Sofatisch drapiert.
Richard Schnell am 29.11.22, 21:04 Uhr
"...ein erfolgreich scheiternder Staat..."
Köstlich, diese Formulierung. Wäre mir nie in den Sinn gekommen!
Emmanuel Precht am 26.11.22, 05:05 Uhr
Schon wieder sind Armbinden hochaktuell und stark achgefragt. In Deutschland kommen Armbinden eben alle paar Jahrzehnte wieder schwer in Mode. Ist das schon mal Gutgegangen?
Wohlan...