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Stunde Null einer Zeitenwende: Nach den Landtagswahlen in Mitteldeutschland können Regierungen nur noch unter Beteiligung von AfD oder BSW gebildet werden. Im Bild die Spitzenkandidaten von Thüringen, Höcke (AfD), Voigt (CDU) und Wolf (BSW)
Foto: paStunde Null einer Zeitenwende: Nach den Landtagswahlen in Mitteldeutschland können Regierungen nur noch unter Beteiligung von AfD oder BSW gebildet werden. Im Bild die Spitzenkandidaten von Thüringen, Höcke (AfD), Voigt (CDU) und Wolf (BSW)

Analyse

Sachsen und Thüringen wählen eine Zeitenwende

Nach den Wahlen vom Wochenende sind nicht nur die Berliner Ampelparteien schwerst beschädigt. In Dresden und Erfurt sind Regierungsbildungen nur noch unter Beteiligung der bisherigen Schmuddelkinder des Politikbetriebs AfD und BSW möglich

René Nehring
02.09.2024

Man hat sich im Zusammenhang mit Wahlen an das Wort vom „politischen Erdbeben“ gewöhnt. Und doch waren die Landtagswahlen von Sachsen und Thüringen am Sonntag nichts anderes als das – eine Erschütterung des bestehenden Parteiensystems. Zusammen kommen die in Berlin regierenden Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen noch nicht einmal auf die Hälfte der Stimmenzahl, die die größten Parteien CDU und AfD jeweils allein einfuhren. Die Kanzlerpartei SPD ist inzwischen so weit heruntergekommen, dass sie sich schon über das Überspringen der Fünfprozenthürde und den Wiedereinzug in die Landtage freut. Die Grünen haben diesen Wiedereinzug in Sachsen gerade so geschafft, in Thüringen sind sie jedoch aus dem Landtag geflogen. Und die Liberalen werden in beiden Ländern nur noch unter „Sonstige“ gelistet.

Damit bekommen die Ampelpartner einmal mehr eine klare Aussage darüber, was die Mehrheit der Bürger dieses Landes von ihrer Politik hält. Sie bekommen die Quittung für eine ungesteuerte Migrationspolitik, in deren Folge die öffentlichen Räume nicht mehr sicher sind, für eine Energiepolitik, die Privathaushalte und Unternehmen in finanzielle Nöte bringt, und auch für eine gegen die traditionellen Lebensformen gerichtete Gesellschaftspolitik (Stichworte: Gender-Gaga und „sexuelle Selbstbestimmung“).

Das zweite historische Ergebnis dieser Wahlen ist der weitere Aufstieg der AfD und der Erfolg des erst zu Jahresbeginn gegründeten BSW. Damit gewinnen genau jene Akteure, die in wesentlichen politischen Fragen der letzten Jahre den stärksten und deutlichsten Gegensatz zum politischen – und auch medialen – Mainstream verkörpern. Allein dies sollte allen etablierten Parteien zu denken geben. In Sachen AfD hat sich zudem gezeigt, dass alle Ausgrenzungsversuche der letzten Jahre, die „Brandmauer“-Politik der Wettbewerber wie die weitestmögliche Ignorierung durch die etablierten Medien, der Partei keineswegs geschadet haben. Ganz im Gegenteil ist sie – auch dies sollte den Etablierten zu denken geben – trotz allen Drucks heute stärker denn je.

Ein ernstes Problem ist das Wahlergebnis insbesondere für die CDU. Diese steht zwar deutlich stabiler als da als die Ampelparteien, doch ist sie für eine Regierungsbildung in Dresden und Erfurt künftig auf die Mitwirkung (in welcher Form auch immer) von AfD oder BSW angewiesen – und damit abhängig von genau jenen Parteien, denen sie bislang abgesprochen hat, auch nur zum demokratischen Parteienspektrum zu gehören. Sie wird also für den Machterhalt in Sachsen und die Wiedergewinnung des Ministerpräsidentenamtes in Thüringen mindestens eine sprichwörtliche Kröte schlucken müssen. Nach Lage der Dinge dürfte dies die Formation um Sahra Wagenknecht sein. 

Was für das BSW eine vergleichsweise entspannte Lage ist – schließlich haben die Neulinge nun die Rolle des Züngleins an der Waage –, dürfte die CDU schon bald vor eine innere Zerreißprobe stellen. Denn in beiden – durchaus strukturkonservativen – Ländern haben die Bürger mit zwei Dritteln nicht-linke Parteien gewählt. Insofern wäre es fatal, wenn sich die Union zur Mehrheitsgewinnung nun noch mit den Mitwerbern von links-außen zusammenschlösse, nur um eine Zusammenarbeit mit der ungeliebten AfD zu vermeiden.

Die AfD hingegen, in Thüringen erstmals bei einer Bundes- oder Landtagswahl stärkste Kraft und in beiden Ländern die große Siegerin der Wahl, wird spätestens dann, wenn der Jubel des Augenblicks in einigen Tagen verflogen ist, erkennen müssen, dass ihre zweifellos historischen Erfolge nichts wert sind, solange sie keinen Partner findet, der bereit ist, mit ihr eine Regierung zu bilden. In diesem Kontext gehört auch zur Wahrheit, dass nicht nur die etablierten Parteien Brandmauern zur AfD errichtet haben, sondern auch die AfD fleißig immer neue Ziegel für deren Weiterbau geliefert hat – etwa deren Thüringer Spitzenmann Björn Höcke, als er der CDU unlängst absprach, eine deutsche Partei zu sein.

Fakt ist: Ein einfaches „Weiter so!“ kann es nach diesem Wahlsonntag für keine politsche Kraft geben, vor allem nicht für die Ampelparteien. Selbst wenn die Umfragewerte für SPD, Grüne und FDP in anderen Regionen noch besser sind, geht auch dort der Trend in die gleiche Richtung – steil nach unten. Um so erstaunlicher, dass insbesondere den Sozialdemokraten für den Augenblick nicht mehr einfällt, als dass die eigene Politik künftig „besser kommuniziert“ werden müsse. Das spricht dafür, dass die SPD lieber mit ihren eigenen Irrtümern untergeht als diese zu korrigieren.

Eine fast schon automatisch aufkommende Frage des Wahlabends war, ob es nun zu baldigen Neuwahlen kommen müsse. Die Fragestellung verkennt, dass es zwischen einem sturen „Weiter so“ und Neuwahlen noch diverse andere Optionen gibt. So haben alle Ampelpartner die Möglichkeit, ihre jeweils problematischen Minister gegen unbelastete Kollegen auszutauschen und so einen glaubwürdigen Neustart zu versuchen. Und Kanzler Scholz, der bei seinem Amtsantritt vollmündig „Führung“ versprach, hätte gar die Möglichkeit, von seiner verfassungsmäßigen Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen und – wie jüngst bereits in Gesprächen mit der Union zur Migrationspolitik geschehen – bei grundlegenden Themen einen Richtungswechsel einzuschlagen. Angesichts der derzeitigen Schwäche seiner Regierungspartner ist es durchaus möglich, dass diese einen solchen Schritt noch nicht einmal zum Anlass nehmen würden, die Koalition platzen zu lassen und für sie katastrophale Neuwahlen anzustreben.

Wer jedoch glaubt, dass das Beben vom Sonntag nur ein regionales Ereignis ist, das schon bald abklingen wird, dürfte schon bald auch auf Bundesebene sein blaues Wunder erleben. Die Zahlen von AfD und BSW weisen deutlich darauf hin, dass die etablierten Parteien demnächst auch in anderen Landesteilen vor ähnlichen Problemen stehen dürften wie nun in Sachsen und Thüringen.


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Kommentare

K. M. am 04.09.24, 07:24 Uhr

Ja, der Artikel ist gut, aber heute, am 04.09.2024 können wir sehen, wie verlogen die BSW ist, und den Wähler getäuscht hat.

"Das BSW teilt in drei Punkten mit, es „wird keine Koalition oder Tolerierung unter Beteiligung der AfD geben“. Es werde zweitens auch „keine parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD geben: Wir besprechen auch keine inhaltlichen Anträge vor oder entwickeln sie gemeinsam“. Und drittens hält die Partei fest: „Wir werden keine Options- oder Sondierungsgespräche mit der AfD führen“.

Waren die O Töne vor der Wahl noch wohlgesonnen, von wegen, weg mit der Brandmauer, jetzt zeigt die BSW ihr wahres Gesicht. Ich kann nur hoffen, der Wähler in Brandenburg hat jetzt begriffen, wie die BSW wirklich tickt, und zieht seine Konsequenz daraus.

Wolfgang Wilhelm am 03.09.24, 17:26 Uhr

Das Wahlergebnis macht es den Altparteien leicht, trotz mäßiger Ergebnisse, an die Macht zu kommen. Da die AfD Stimmen ignoriert werden (Brandmauer), sind bunte Koalitionen unter CDU Führung möglich - dauerhaft.
Die Folgen für die Demokratie durch Missachtung von einem Drittel der Wählerstimmen nimmt man Kauf - das ist gefährlich, töricht und antidemokratisch.

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