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Vor 100 Jahren wurde Ephraim Kishon in Budapest geboren. Besonders die deutschen Leser schätzten den später in Israel lebenden Autor – und er sie
Als Satiriker war er unter dem Namen Ephraim Kishon bekannt. Geboren wurde der Autor am 23. August 1924 in Budapest aber unter dem Namen Ferenc Hoffmann als Sohn des Bankiers Dezsö Hoffmann und dessen Ehefrau Erzsébet. Der Vater hatte in Wien Wirtschaft und Jura studiert und sprach fließend Deutsch.
Anfangs wuchs Ferenc unter normalen Umständen in einer wohlhabenden Familie auf. Doch ab 1937 wurden alle jüdischen Ungarn zuerst aus leitenden, später auch aus den übrigen Positionen entfernt. Dezsö Hoffmann kam 1942 in ein Arbeitslager. Die Wohnungseinrichtung musste die Familie nach und nach verkaufen, um leben zu können.
1942 gewann Ferenc den Literaturwettbewerb für Abiturienten, durfte aber als Jude nicht studieren und begann eine Lehre als Goldschmied. Um die Jahreswende 1944/45 wurden die jüdischen Budapester Abiturienten per wochenlangem Fußmarsch in die Slowakei deportiert. Kishon berichtet im Buch „Nichts zu lachen“, dass im Arbeitslager Jolsva der Kommandant ihn und seinen Mitgefangenen János Lissauer beim Schachspielen sah und, weil er selbst gerne Schach spielte, Ferenc in sein Büro versetzte.
Mit Glück gelang es Ferenc und Lissauer, aus dem Lager zu fliehen. Ferenc fand in Budapest seine Familie. Freunde und Bekannte halfen der Familie durch die Zeiten. Ferenc, blond und blauäugig, sah arisch genug aus, um sich in der Stadt frei bewegen zu können. Als die Rote Armee in Budapest einmarschierte, versteckte er sich im Keller eines zerbombten Hauses. Dort fand er Papier und schrieb mit Bleistiftstummeln und abgebrannten Zündhölzern seinen ersten satirischen Roman über eine fiktive politische Bewegung gegen die Weltherrschaft der Glatzköpfe, wobei die Handlung Assoziationen an das Dritte Reich weckt. Dieser Roman, eigentlich die Ur-Zelle von Kishons Gesamtwerk, erschien auf Deutsch erst 1997 unter dem Titel „Mein Kamm“.
Nach der Einnahme Budapests fand sich der verdutzte Ferenc in sowjetischer Gefangenschaft wieder. Mit einer Kolonne wurde er Richtung Weißrussland in Marsch gesetzt. Unterwegs gelang ihm die Flucht. Als dies an der ungarisch-polnischen Grenze bemerkt wurde, füllte man die Kolonne mit einem polnischen Bauern auf. Nach Kriegsende schien es für Ferenc aufwärtszugehen. Er studierte Metallbildhauerei, erwarb sein Diplom, kreierte Orden für parteinahe Künstler und heiratete Chawa Klamer, ein Wiener Flüchtlingskind.
Eines Tages fand Ferenc' Tante die Zettel mit dem Roman über die Glatzköpfe; sie tippte sie heimlich ab, schickte das Manuskript an die größte literarische Wochenzeitschrift Ungarns – und Ferenc Hoffmann gewann den Literaturwettbewerb jener Zeitschrift! Der Roman wurde nicht veröffentlicht, weil der kommunistische Diktator Mátyás Rákosi selbst kahlköpfig war, aber die satirische Zeitschrift „Ludas Matyi“ stellte Ferenc als Redakteur an. Seine Artikel zeichnete er von Anfang an mit „Kishont“.
Die zunehmende Einflussnahme der Partei auf die Redaktion störte ihn. 1949 flohen Ferenc und Chawa über Prag und Wien nach Israel; von einem Einwanderungsbeamten erhielt Ferenc den Namen, unter dem er später weltberühmt werden sollte. Bis 1950 lebte das Ehepaar in einem Kibbuz. Kishon lernte in seiner Freizeit eifrig Hebräisch. Ab 1952 schrieb er eine tägliche Glosse in Israels größter Tageszeitung, und ein Jahr später wurde im Habimah-Theater in Tel Aviv sein Stück „Der Schützling“ uraufgeführt. In dieser Zeit ließ sich das Ehepaar scheiden.
Politisch klar konservativ
1959 heiratete Kishon die 1931 geborene Pianistin Sara Lipovitz, die in seinen späteren Büchern die „Beste Ehefrau von allen“ wurde. Die „New York Times“ wählte sein Buch „Look back Mrs. Lot“ (Drehn Sie sich um, Frau Lot!) zum Buch des Monats. Nun rissen sich auch deutsche Verlage um Kishon. Mehr als ein Dutzend Satiresammlungen erschienen auf Deutsch, übersetzt von dem österreichischen Publizisten Friedrich Torberg, mit dem Kishon bis zu dessen Tod 1979 eng befreundet war.
Kishon verfasste auch satirische Romane und Theaterstücke, die zum Teil verfilmt wurden, wobei er am liebsten selbst Regie führte.
1985 schrieb er erstmalig ein Buch in deutscher Sprache, die er aus seinen eigenen Büchern gelernt hatte: „Beinahe die Wahrheit – Die Geschichte meiner Geschichten“, eine Hommage an die deutschen Leser, in der Kishon Hintergründe zu seinen Satiren und aus seinem Leben enthüllte. Später folgte „Nichts zu lachen. Die Erinnerungen“.
Kishon schätzte die Deutschen sehr, da sie, wie er sagte, ein ähnliches Schicksal hätten wie die Juden: Sie seien unbeliebt in der Welt, und jede Gelegenheit werde genutzt, Vorurteile zu bestätigen. Er erläuterte auch seinen israelischen Patriotismus: Seit der Kreuzigung Jesu seien stets die Juden an allem schuld. Nicht dass die römischen Legionäre die Nägel in seine Hände geschlagen hätten, würde im Unterricht gelehrt, sondern dass die Juden den Sohn des Herrn kreuzigten.
Politisch war Ephraim Kishon klar konservativ. Nach dem Ende des Kommunismus schrieb er 1990 „Undank ist der Welten Lohn“, eine satirische Abrechnung mit diesem. Echte Hassliebe verband ihn mit der modernen Kunstszene; aus seiner Feder entstanden die Werke „Picasso war kein Scharlatan. Randbemerkungen zur modernen Kunst“ (1986) und „Picassos süße Rache. Neue Streifzüge durch die moderne Kunst“ (1995). In dem Schauspiel „Zieh den Stecker raus, das Wasser kocht“ (1965) zog er die Szene gekonnt durch den Kakao.
Kishon stand stets bedingungslos zu Israel und dem jüdischen Volk, ohne seine Heimat Ungarn zu vergessen. Er erklärte: „Die Frage nach den vaterländischen Wurzeln ist dennoch bei mir nicht ganz eindeutig zu beantworten. In Israel fühle ich mich zu Hause, weil es das einzige Land ist, wo ich kein Jude bin, aber Ungarn ist das einzige Land, in dem ich keinen ungarischen Akzent habe.“
Auf die Frage des Interviewers, ob es Israel hülfe, wenn sein Sohn im Reservedienst steinewerfenden Kindern in Gaza nachliefe, antwortete er: „Nein, es schadet Israel. Aber es schadet auch den Palästinensern, die ihre Kinder zu etwas Besserem als zum Steinewerfen erziehen sollten.“ Die Palästinenser müssten einsehen, dass ihre Mission nicht darin bestünde, die Juden ins Meer zu treiben. So lange müssten Israels Soldaten steinewerfenden Kindern in Gaza nachlaufen, Terroristen ausweisen und Provokateure im Zaum halten.
Obwohl sich Ephraim Kishon in Sachen Religion als Skeptiker sah, hielt er die abendländische Erziehung nach den Zehn Geboten für die bestmögliche. Satirisch stieg er erst mit fast 70 Jahren in das Thema ein: 1994 erschien „Ein Apfel ist an allem schuld. Gebrauchsanweisung für die Zehn Gebote“.
Kishons Familie war für ihn ewiger Quell satirischen Stoffes. So konnte seine Frau ihn 1996 mit einem eigenen Buch überraschen: „Mein geliebter Lügner. Bekenntnisse der ,besten Ehefrau von allen'“ war als satirische Antwort auf die Geschichten ihres Mannes gedacht, liest sich aber wie eine Liebeserklärung an den Gefährten.
Sara Kishon verstarb im März 2002 an Lungenkrebs. Gut ein Jahr später heiratete Kishon die damals 47-jährige österreichische Schriftstellerin Lisa Witasek. Am 29. Januar 2005 verstarb der Schriftsteller in Appenzell nach einem Herzanfall.
Peter Faethe am 30.08.24, 23:12 Uhr
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Sohn eines jüdischen Bankdirektors aus Budapest ein Genie ist, ist so etwas von gewaltig.
Mir fallen auf Anhieb nur die Kollegen E. Teller und J. von Neumann ein, aber es gibt noch viele mehr.