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Der Soziologe Steffen Mau erörtert in „Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt“ die Gründe für die bestehenden Ost-West-Unterschiede
Der Osten Deutschlands wird dauerhaft anders bleiben. Meint der 1968 in Rostock geborene, dort auch aufgewachsene und heute an der Humboldt-Universität in Berlin lehrende Soziologe Steffen Mau. „Ungleich vereint“ ist ein illusionsloses Buch: „Trotz der vielen Einheitserfolge lässt sich ein Fortbestand zweier Teilgesellschaften beobachten, die in ihren Konturen noch immer deutlich hervortreten,“ ein Gefühl, das in allen Bevölkerungsschichten herrsche.
Mau jammert nicht oder kritisiert allenfalls sehr leise eine gewisse Gleichgültigkeit des Westens, sondern forscht nach den Gründen. Es sind für ihn mehrere, was umso überzeugender klingt, da er die meisten Probleme aus eigenem Erleben kennt: Zum Ersten sozioökonomische, das heißt, der Osten sei bis auf wenige Ausnahmen nach wie vor die verlängerte Werkbank des Westens und habe einen enormen Strukturwandel mit noch immer gravierenden Folgen hinter sich: das Trauma der Arbeitslosigkeit oder frühe Berentung habe sich tief ins allgemeine Bewusstsein eingegraben. Zweitens die Demographie: Die Bevölkerung ist von etwa 16 Millionen (1989) auf heute 12,6 Millionen geschrumpft. Viele Regionen sind entvölkert, es herrscht vielerorts ein Männerüberschuss („rechte Frustregionen“; in Sachsen-Anhalt beispielsweise kommen auf 100 Frauen 140 Männer), Eliten gibt es kaum.
Drittens Fragen der Politik und Kultur: Leitungspositionen seien fast überall noch immer überwiegend von westlichem Personal besetzt. Die Anziehungskraft traditioneller Parteien verblasse, Extreme wie die AfD hätten ungebremsten Zulauf und, wie jüngst in Sachsen und Thüringen, enorme Wahlerfolge.
Bald nach der Wende zogen sich angesichts einer „ausgebremsten Demokratisierung“ viele Bürgerrechtler enttäuscht zurück. Sollte sich dieser Zustand vertiefen und verstärken, sieht Mau langfristig gravierende Schäden für die Demokratie und das ganze Land. Sein mit einiger Emphase erläuterter Vorschlag (nicht unbedingt gleich ein Patentrezept) sind Bürgerräte, also zu jeweils bestimmten gesellschaftlichen Themen per Los zusammengerufene Bürger, die in fairer Diskussion zu einem Urteil und einer Empfehlung für die Politik kommen. Erste und ermutigende Beispiele gebe es bereits.
Man liest dieses gut geschriebene, leicht verständliche Buch mit andauerndem Ja-Aber und spürt, dass dieses Thema ein Dauerbrenner für unser Land bleibt.
Steffen Mau: „Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt“, Suhrkamp Verlag, Berlin 2024, Taschenbuch, 170 Seiten, 18 Euro