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Verbindung aus Alt und Neu: Lesesaal in der Staatsbibliothek
Foto: Staatsbibliothek zu Berlin/Pk jfmüllerVerbindung aus Alt und Neu: Lesesaal in der Staatsbibliothek

Staatsbibliothek zu Berlin

Schatzkammer mit Bestandslücken

Der Bücherpalast Unter den Linden erstrahlt in neuem Glanz – Doch zigtausende wertvolle Bände fehlen

Norman Hanert
05.02.2021

Nur wenige Wochen nach der Eröffnungsfeier des Berliner Humboldtforums konnte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bei einem weiteren Großprojekt einen Erfolg melden. Ende Januar ist die Staatsbibliothek Unter den Linden nach einer 16 Jahre andauernden Grundsanierung mit einer – Corona-bedingten – digitalen Feier wiedereröffnet worden.

Der Bund hat die Kosten von 470 Millionen Euro für Sanierung und Ergänzungsbauten komplett übernommen. Die nun wieder herausgeputzte Fassade verbirgt allerdings, dass der Prachtbau im Neobarock-Stil seine ursprüngliche Mitte verloren hat. In der ursprünglichen Gestaltung des Architekten Ernst von Ihne stellte ein Kuppellesesaal das architektonische Zentrum der Bibliothek dar. Nach einem Bombentreffer im Jahr 1944 waren die Reste des Lesesaals 1975 komplett abgerissen worden. Der nun entstandene Ersatzbau in der Form eines Glaskubus überzeugt nicht jeden.

Einige Kommentatoren bezeichneten den Würfelbau mit orangefarbenem Bodenbelag bereits als „Apfelsinenkiste“. Aus dem historischen Kuppellesesaal gerettet und restauriert wurde immerhin eine große Uhr, deren Zeiger auf 22.25 Uhr, dem Zeitpunkt des Bombenangriffs, stehengeblieben sind. Mit Blick auf die Kriegszerstörungen und die Umbauten der Nachkriegszeit lobte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: „Aus dem Torso ist wieder ein Meisterwerk geworden.“ Parzinger weiter: „Heute endet irgendwie die Nachkriegsgeschichte dieses Gebäudes.“

Im Krieg gen Osten evakuiert
Tatsächlich fehlt dem Bibliotheksgebäude nach der Grundsanierung nicht nur der prächtige Kuppelsaal. Nutzer der Bibliothekskataloge stoßen bei Recherchen zu älteren Beständen auch immer wieder auf Vermerke wie „Kriegsverlust. Keine Benutzung möglich“. Die Stiftung geht davon aus, dass in den Kriegswirren bis zu 400.000 Bände vernichtet wurden, weitere 300.000 Bände gelten darüber hinaus als verschollen. Umfangreiche Bestände hatte die Preußische Staatsbibliothek zum Schutz vor Bombenangriffen ausgelagert. Dazu wählte die Bibliothek Klöster und Schlösser in ländlichen Gebieten Pommerns und Schlesiens aus. Diese Auslagerungsbestände fielen 1945 zum Teil in die Hände der Roten Armee und befinden sich bis heute in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.

Sehr umfangreiche und wertvolle Bibliotheksbestände, die in Schlesien gelagert waren, fielen zudem in polnische Hände. Unter der Bezeichnung „Berlinka“, mitunter auch als „Preußenschatz“ bezeichnet, lagern diese Bestände der Staatsbibliothek noch immer in der Jagiellonischen Bibliothek in Krakau. Diese Sammlung besteht aus mittelalterlichen Handschriften, Originalpartituren von Bach, Mozart und Beethoven, Handschriften Luthers, Goethes, Schillers, der Gebrüder Grimm und Heines. In polnischen Magazinen befinden sich zudem Nachlässe deutscher Dichter, unter anderem auch noch immer der größte Teil des Nachlasses von Hoffmann von Fallersleben, der den Text des Deutschlandliedes verfasste.

Streit um die Rückgabe
Der Streit um die Rückkehr der während des Krieges ausgelagerten Bibliotheksbestände dauert seit Jahrzehnten an. Der polnische Staat übergab in den 1960er Jahren der DDR 127.000 Bücher. Im Jahr 1977 überreichte der polnische Staats- und Parteichef Edward Gierek als „Gastgeschenk“ zudem sechs Handschriften von Mozart und Beethoven an Erich Honecker. Bundeskanzler Gerhard Schröder erhielt im Dezember 2000 im Anschluss an eine Rede im Sejm nochmals eine Luther-Bibel aus der Frühzeit des Buchdrucks zurück.

Diese Geste war mit dem Vorschlag zur Gründung einer Stiftung verbunden. Nach den Vorstellungen Warschaus sollte diese als Kompensation polnische Kunstwerke in deutschen Museen und Privatsammlungen auffinden und aufkaufen. Im Austausch für diese Kunstwerke soll die Regierung in Warschau bereit gewesen sein, die „Berlinka“-Sammlung an die Staatsbibliothek in Berlin zurückzugeben. Der damalige polnische Deutschlandbeauftragte Wladyslaw Bartoszewski warf nach dem Scheitern der Initiative Schröder vor, dieser habe leider nicht begriffen, wie einmalig und großzügig der polnische Vorschlag gewesen sei.
Mit den inzwischen von Warschau erneut hochgekochten polnischen Reparationsforderungen unter der PiS-Regierung sind die Chancen auf eine Rückkehr der Sammlung nach Berlin zumindest derzeit noch weiter gesunken.


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