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Erst kam Cäsar, dann die Normannen, später die Alliierten – Das Gebiet rund um Le Havre fasziniert Eroberer seit der Antike
Seit der Eroberung durch Caesar zwischen 58 und 51 v. Chr. über die Landung der Wikinger, der Normannen, im 9. Jahrhundert bis zur anglo-amerikanischen Invasion im Zweiten Weltkrieg war die Normandie immer ein umkämpftes Gebiet.
Im 9. Jahrhundert machten sich die Wikinger auf, fremde Küsten zu erobern. In Frankreich erkannte der König 911 ihre Eroberungen an. Um vor dem unternehmungslustigen Volk Ruhe zu bekommen, gab der Monarch ihm jenes Küstengebiet zum Herzogtum, das man nach den Nordmännern benannte: Normandie. Es entspricht der heutigen Haute-Normandie. Aufgrund ihrer Königstreue erhielten Herzog Robert und sein Sohn bis 933 alle Gebiete, die der gesamten heutigen Normandie entsprechen.
Dabei blieb es nicht. Im Thronfolgestreit um die englische Krone setzte der Normannen-Herzog Wilhelm II., später Wilhelm der Eroberer genannt, nach England über, siegte 1066 in der Schlacht bei Hastings und wurde König von England. Immer wieder sollten englisch-französische Konflikte folgen.
Ein einzigartiges Dokument der Eroberung Englands durch den Herzog der Normandie ist der Teppich von Bayeux. Die 70 Meter lange und 50 Zentimeter hohe Stickerei aus dem 11. Jahrhundert wurde von der UNESCO in das Register des Weltdokumentenerbes aufgenommen. In Bayeux hat der Teppich ein eigenes Museum. Besucher müssen sich jedoch beeilen. Laut Website ist es vom 1. September 2025 bis voraussichtlich Oktober 2027 wegen Renovierung geschlossen.
Nach dem Aussterben des französischen Königsgeschlechts der Kapetinger 1328 machten die englischen Könige ihrerseits Ansprüche auf den französischen Thron geltend. Das führte zum Hundertjährigen Krieg, in den das Wirken von Jeanne d'Arc fiel, die sich berufen fühlte, Frankreich von der englischen Besatzung zu befreien.
Ihr Engagement bezahlte sie bekanntlich mit dem Leben. Auf dem Marktplatz von Rouen erinnert ein hoch aufragendes schlichtes Kreuz an den Ort, wo die Jungfrau von Orléans am 30. Mai 1431 als Hexe verbrannt wurde. Direkt daneben ist Frankreichs heutiger Nationalheldin eine 1979 erbaute katholische Pfarrkirche aus Glas, Beton und Stahl geweiht. Ihre Form erinnert an ein umgedrehtes Boot – der Wikinger –, ihr eigenwilliges Dach und das der benachbarten Hallen an die Flammen des Scheiterhaufens.
Bei den hängenden Gärten
Für die ganze Geschichte der später heiliggesprochenen Heldin zieht Rouen im Historial Jeanne d'Arc mit Projektionen, Hologrammen, Klangeffekten und 3D-Abbildungen alle Register. Innerhalb des erzbischöflichen Komplexes der Kathedrale von Rouen gelegen, befindet es sich genau an dem Ort, wo die zwei Prozesse gegen Jeanne stattfanden.
In die Zeit von Ludwig XIV. fällt der Pfälzische Erbfolgekrieg und in diesem Zusammenhang die Seeschlacht von La Houghe im Ärmelkanal vor der Halbinsel Contentin, bei der im Mai 1692 die königliche französische Flotte von der englisch-holländischen Allianz versenkt wurde. Französische Wracks aus dieser Zeit wurden 1990 von einem Taucher entdeckt und 2022 identifiziert. Die daraus geborgenen Funde bilden den Mittelpunkt des kleinen Meeresmuseums auf der Insel
Tatihou vor Saint-Vaast-la-Hougue.
Um weitere englische Angriffe auf die Bucht zu verhindern, ließ Ludwig XIV. 1694 durch den Festungsbaumeister Benjamin de Combes auf der Insel Tatihou und dem gegenüberliegenden Hügel von La Hougue nach dem Vorbild von Vauban Festungstürme erbauen. Seit 2008 gehören die beiden Türme zusammen mit elf anderen von und nach Vauban erbauten Festungen zum UNESCO-Weltkulturerbe. Insgesamt umfasst die Geschichte der Festung drei Jahrhunderte. Zuletzt bezog die deutsche Wehrmacht sie in den Atlantikwall mit ein. Die Bunkeranlagen existieren bis heute.
Seit ihrer touristischen Öffnung 1992 wurde die Insel Tatihou in einen Exotischen Garten am Meer verwandelt. Denn nicht nur die britischen Kanalinseln Jersey und Guernsey profitieren vom feucht-milden Klima durch den Golfstrom, sondern auch die Küsten der Normandie.
Über Le Havre wacht das Fort de Sainte-Adresse, erbaut Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls zum Schutz vor Angriffen der Engländer. Im Zweiten Weltkrieg wurde es gleichfalls Teil des Atlantikwalls. Heute steht über dem Festungstor „Les Jardins Suspendus“, übersetzt die hängenden Gärten, was so allerdings nicht ganz stimmt.
Zwar beherbergt die 17 Hektar große Fläche zwischen den vier Bastionen einen Botanischen Garten mit bis zu 5000 Pflanzenarten, doch dieser „hängt“ nicht, sondern liegt nur erhöht. Sein Besuch gleicht einer botanischen Weltreise.
Erinnerungen an die Gefallenen
Allein schon die Sammlungen der zehn Gewächshäuser um Madagaskarpalme, Ficus, Katzenschwänzchen, Begonien
– hiervon allein 450 verschiedene Arten – und Passionsblume sind überwältigend. Sie entführen nicht nur in verschiedene Lebensräume wie Tropen, Feucht- und Trockengebiete oder die Vegetationszonen der Kanaren beziehungsweise der Makaronesischen Inseln vor der afrikanischen Atlantikküste. Sie widmen sich auch speziellen Pflanzenfamilien wie etwa Orchideen und Bromelien, Pfefferpflanzen und Gesneriengewächsen, Epiphyten, die auf anderen Pflanzen wachsen, Grünpflanzen ohne Blüten oder Fleischfressern. Dabei erinnern Schrifttafeln an französische Botaniker, die im 18. und 19. Jahrhundert von Le Havre aus die Welt bereisten.
Garniert wird das Vergnügen mit dem Blick über die Seine-Mündung, das Meer, den Hafen, den Strand und die Stadt. Le Havres historisches Stadtzentrum wurde bei der Invasion 1944 von den Alliierten komplett zerstört und bis 1954 durch eine moderne Musterstadt aus Stahlbeton, geradlinig und standardisiert, ersetzt. Frankreichs Star-Architekt Auguste Perret hatte ein Experiment gewagt und gewonnen. Seit 2005 ist Le Havres Stadtkern im Stil des „strukturellen Klassizismus“ UNESCO-Weltkulturerbe.
Mindestens für eine Ewigkeit, wie sie den ägyptischen Pyramiden beschieden ist, wird der Atlantikwall noch Frankreichs Küste beherrschen. Verhindern konnte er die Invasion nicht. La Cambe, 20 Kilometer westlich von Bayeux, ist mit über 21.000 Gefallenen der größte deutsche Soldatenfriedhof der Normandie. Vor fast dreißig Jahren entstand daneben ein Friedenspark mit über 1200 Ahorn-Bäumen als lebendige Symbole für Frieden und Versöhnung.