12.12.2024

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Verkehr

Schluss mit dem Nadelöhr

Freie Fahrt für Bahn und Schifffahrt – Passage der Großen Reglitz bei Stettin ist kein Hindernis mehr

Hermann Müller
02.03.2024

Die rund 350 Kilometer lange Eisenbahnstrecke zwischen den Großstädten Stettin und Breslau gilt an vielen Stellen als stark sanierungsbedürftig. Im pommerschen Teil der Bahnstrecke ist seit Kurzem ein ärgerliches Nadelöhr beseitigt worden. Verschwunden ist damit allerdings auch ein europaweit einmaliges Technikdenkmal.

Zusammen mit der Wasserwirtschaftsverwaltung Wody Polskie haben die Polnischen Staatsbahnen PKP in Stettin-Podejuch nach einem Jahr Bauzeit den Neubau einer Eisenbahnbrücke in Betrieb genommen. Die Brücke über die Ostoder ersetzt die bisherige Klappbrücke über die Große Reglitz in Podejuch. Durch den Neubau können Personenzüge den Oderarm nun mit einer Geschwindigkeit von bis zu 120 Kilometern pro Stunde überqueren. Die rund 300 Meter lange neue Brücke ist zweigleisig und verfügt über eine elektrische Oberleitung.

Kurze Bauzeit
Errichtet wurde die Brücke durch das Warschauer Bauunternehmen Budimex innerhalb des geplanten Zeitrahmen. Allerdings wurde das hohe Bautempo mit einer Totalsperrung des Streckenabschnittes für ein ganzes Jahr erkauft. Die Bauarbeiten hatten erst im Januar 2023 mit dem Abriss der alten Brücke begonnen. Die ursprünglichen Pläne der PKP hatten vorgesehen, die Klappbrücke zunächst weiter zu nutzen und parallel die neue Brücke zu bauen.

Der Nachteil dieser Variante wäre allerdings eine insgesamt längere Bauzeit gewesen. PKP und Budimex entschieden sich deshalb aus Zeitgründen dafür, zunächst die alte Brücke abzureißen und erst danach mit dem Neubau zu beginnen. Während dieser Zeit leitete die PKP Züge vom Stettiner Hauptbahnhof über Altendamm und Finkenwalde nach Podejuch um. Für Reisende brachte diese Umleitung eine zusätzliche Fahrtzeit von gut 20 Minuten mit sich.

Denkmalschutz für Klappbrücke
Vom fertiggestellten Brückenneubau über die Große Reglitz profitiert inzwischen nicht nur die Bahn durch höhere Transportkapazitäten auf der Strecke. Für Schiffe ist die Durchfahrtshöhe auf dem Oderarm nun wesentlich größer als bei der betagten Klappbrücke. Damit können nun sowohl größere Binnenschiffe als auch Eisbrecher die Stelle passieren.

Einer Empfehlung der Denkmalschützer ist es zu verdanken, dass zumindest ein kleiner Teil der alten Brücke auf der nördlichen Seite erhalten geblieben ist. Unterteilt in fünf Joche, war die alte Klappbrücke ein technisches Unikat in Europa gewesen. Besonderheit der „Breslauer Brücke“ war ein 17 Meter langes und fünf Meter breites Klappjoch, das mittels eines Gegengewichts von 100 Tonnen und einem 27 Kilowatt-Elektromotor bewegt wurde.

Technisches Unikat
Ursprünglich war die Brücke schon 1877 als Teil der Bahnstrecke Stettin–Breslau erbaut worden. Zum Kriegsende gesprengt, baute die polnische Verwaltung die Klappbrücke im Jahr 1949 wieder auf. Verwendet wurden dazu Brückenteile, die aus der Oder geborgen wurden.

Die Oderüberquerung blieb allerdings über Jahrzehnte ein Flaschenhals auf der Breslauer Bahn. Zwischen 1905 und 1909 war der Abschnitt bereits zweigleisig ausgebaut worden. Nach dem Krieg wurde die Brücke von der polnischen Verwaltung allerdings nur eingleisig wiederhergestellt. Nachdem ein Kahn an der Brücke Schäden verursacht hatte, war das Bauwerk im Jahr 2010 noch einmal in größerem Umfang repariert worden. Dennoch war nicht zu übersehen, dass die Zeit für einen Neubau überfällig war. Zum Schluss war die Klappbrücke in Podejuch nur noch einige Male täglich für wenige Minuten geöffnet worden.

Auch mit Weltbank finanziert
Die Gesamtkosten des Bauprojekts gibt die Infrastrukturtochter der Staatsbahn PKP mit 300 Millionen Złoty an. Umgerechnet entspricht dies derzeit etwa 69 Millionen Euro. Die EU hat den Brückenneubau kofinanziert. Zurückgegriffen hat die polnische Regierung für das Projekt unter anderem auch auf Gelder der Weltbank. Diese hatte der polnischen Regierung ein Darlehen über insgesamt 504 Millionen Dollar zur Flussregulierung der Oder und zur Verbesserung des Hochwasserschutzes zur Verfügung gestellt. Die ungehinderte Durchfahrt der Schifffahrt ist jetzt auch gewährleistet.

Umfassend modernisiert hat die Staatsbahn PKP mittlerweile auch den Bahnhof Stettin-Podejuch. Auf dem Bahnhof wurden die Gleisanlagen umgebaut. Zusätzlich entstand ein neues Stellwerk samt Zugsicherungsanlage. Obendrein macht nun ein höherer, doppelgleisiger Bahnsteig für Reisende das Ein- und Aussteigen auf dem Bahnhof Podejuch wesentlich angenehmer. Trotz der Verbesserung in Podejuch bleibt der Modernisierungsbedarf auf der Gesamtstrecke von Stettin nach Breslau noch immer hoch.


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