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Trauer nicht nur in London: Der Tod der britischen Monarchin bewegt auch viele Nicht-Royalisten
Foto: imagoTrauer nicht nur in London: Der Tod der britischen Monarchin bewegt auch viele Nicht-Royalisten

Zum Tode von Queen Elizabeth II.

Schmerzliche Leerstelle

Warum der Tod der britischen Monarchin gerade auch in Deutschland so viele Menschen bewegt, selbst wenn sie keine Monarchisten sind

Hans Heckel
09.09.2022

Die Anteilnahme anlässlich des Todes von Königin Elisabeth II. ist weltweit gewaltig. Die Gründe liegen auf der Hand: 70 Jahre auf dem Thron! Die verstorbene Queen war für den größten Teil der Menschheit eine Konstante, die alle Umbrüche überstanden hatte. Egal, welch grundstürzende Veränderungen den Planeten erschütterten – im Buckingham-Palast saß sie, darauf war Verlass.

Auch ist die britische Monarchie unter den verbliebenen gewiss die bedeutendste. 

Und doch wohnt der Begeisterung, mit der gerade die Deutschen das royale Treiben auf der Insel seit Generationen verfolgen, etwas Eigenartiges, ja, vielleicht sogar Befremdliches inne. Ist es die enge familiäre Verzahnung der „Royals“ in die Welt des deutschen Adels? Das mag bei vielen mitspielen, aber für die Masse der nicht sonderlich auf die eigenen Traditionen bedachten Deutschen dürfte das nur von untergeordneter Bedeutung sein. 

Ist es das reine Gepränge, die Pracht, das Erhabene, das eine Monarchie ausstrahlt, und gegen das die Bundesrepublik so grau und unnahbar aussieht? Ganz sicher. Und doch dürfte noch ein weiterer Faktor die Begeisterung der Deutschen für die britische Monarchie anfachen, der den meisten Zeitgenossen kaum bewusst ist und der tief in der deutschen Geschichte vergraben liegt. 

Bei Lichte betrachtet ist Deutschland eine Republik aus Versehen. 1918 meinten viele Deutsche, der Rache der Sieger des Ersten Weltkriegs zu entgehen, indem sie sich ihres Kaisers Wilhelm II. entledigten. Doch ausgerechnet der hellsichtige SPD-Vorsitzende und spätere Reichspräsident Friedrich Ebert wollte die Monarchie retten. Er befürchtete, dass das deutsche Volk ohne die sichernde Klammer des Kaisertums innerlich zerrissen werden könnte. Womit er durchaus Recht hatte, wie der Lauf der Geschichte schon bald zeigen sollte. 

In einer Kette aus unheilvollen Ereignissen, schweren Fehleinschätzungen und auch schlicht dummen Fehlern einiger Akteure stolperten die Deutschen zunächst in und durch die Republik sowie schon bald in die Katastrophe. Nicht wenige Beobachter fragten sich, ob eine konstitutionelle, also auf einer verfassungsmäßigen Grundlage fortbestehenden Monarchie das Staatsschiff hätte auf Kurs halten und den Untergang vermeiden können. 

In jedem Falle hat der Sturz der eigenen Monarchie bei den Deutschen eine schmerzliche Leerstelle hinterlassen, die nie wirklich gefüllt werden konnte. An Tagen wie diesen wird dies besonders spürbar.


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Kommentare

Frederick Lagarde am 17.09.22, 15:11 Uhr

Dass sich die Hohenzollen nahe den Braunen positioniert haben, ist eigentlich geschichtlich unstreitig. "Tag von Potsdam" und Bilder googeln.

Ralf Pöhling am 12.09.22, 15:36 Uhr

Der Tod der Queen ist ein unersetzlicher Verlust für das britische Empire. Nicht etwa, weil ihr Tod dem britischen Kolonialismus ein Ende setzen könnte, sondern weil Queen Elizabeth II. die Verwaltung des Empires über ihre gesamte Amtszeit mit äußerster Disziplin, Würde und Menschlichkeit vollzogen hat.
Man kann das britische Empire aus zwei Perspektiven sehen: Als Kolonialmacht oder als Vorbild.
War Großbritannien am Anfang in der Tat besetzende und zerstörende Kolonialmacht, hat es sich im Rahmen des Commonwealth zum Vorbild entwickelt.
In vielen Teilen der Welt wird der Adel kritisch gesehen. Ich sehe das anders. Für den Adel gilt das gleiche wie auch für die Verwaltung: Während Regierungen kommen und gehen, bleibt der Adel bestehen. Und das bringt Kontinuität und Orientierung am Chaos wechselnder Regierungen vorbei. Man bedenke, was auf das Ende der Herrschaft des Adels in Russland wie auch in Deutschland folgte und was den Briten bisher erspart geblieben ist.
Die Briten mögen die Zügel im Empire locker lassen. Aber sie sollten sich davor hüten, das Königshaus einzumotten.
Möge King Charles III. dem Vorbild seiner Mutter folgen.

Michael Mechtel am 10.09.22, 10:30 Uhr

Das Verschwinden des Kaisertums 1918 der damit verbundene plötzliche Zusammenbruch der gesamten Adelsschicht beendete abrupt eine über tausendjährige Tradition. Damit brach die bekannte gesellschaftliche Ordnungsstruktur völlig weg. Das muss für die damalige Zeit eine gewaltige Erschütterung gewesen sein, auch wenn man sich das heute kaum noch vorstellen kann.
Der Gedanke, dass die Instabilität der Weimarer Republik wesentlich mit dieser Leerstelle und der daraus resultierenden Verunsicherung zu tun hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Zumal die Ursache für die Abdankung Wilhelms nicht zuletzt externer Druck durch US-Präsident Wilson war, quasi eine erzwungene Enthauptung der Deutschen.

Chris Benthe am 10.09.22, 09:07 Uhr

Danke für den wertvollen Beitrag. Zumindest den verhängnisvollen Hindenburg hätte es nicht gegeben. Sicher, für Deutschland hätte die Kontinuität einer konstitutionellen Monarchie etwas Identitätsstiftendes bedeutet, indes, wie wäre eine solche mit der Krise 1918-23 umgegangen, einem faktischen Bürgerkrieg ? Wie mit den grenzsichernden Freicorps ? Wie mit der Inflation ? Hätte eine verständige Haltung hier den Hitlerismus verhindern können ? Wir wissen es nicht, darüber kann man nur spekulieren. Letztlich wäre in dem Fall nur eine Frage interessant: vorausgesetzt, den Ermächtigungspassus Art. 48 der Weimarer Verfassung hätte es dann auch gegeben, wie hätte sich der Kaiser bei der Kanzlerernennung 1933 verhalten ? Konträr zum realen Hindenburg ? Wie hätte sich die Hohenzollern-Monarchie gegenüber dem konservativen (auch katholischem Zentrums-) Lager positioniert ? Wie gegenüber den völkischen Nationalisten ? Wie gegenüber den Sozialdemokraten ? Fragen über Fragen. Eines steht jedoch fest: zunächst hätte Wilhelm zugunsten des Thronfolgers abdanken MÜSSEN. Ein überaus interessantes Gedankenexperiment.

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