20.04.2024

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Schmucke Kaiserbäder

In der „Badewanne Berlins“ – Auf Usedom entstand 1824 Preußens erstes Seebad an der Ostsee. Die Hohenzollern kamen regelmäßig zu Besuch und empfingen hohe Staatsgäste

Helga Schnehagen
01.08.2020

Die Konkurrenz zwischen den Seebädern begann, bevor diese existierten. Als 1793 bekannt wurde, dass Preußen sein erstes Seebad plane, schritt der Herzog in Schwerin umgehend zur Tat. Am 9. September forderte er einen Plan für ein eigenes Seebad an und schrieb im selben Brief: „Besonders, da es mir nicht gleichviel sein kann, manchen kranken Menschen dadurch glücklich zu machen, nicht zu gedenken, daß Geld im Lande verzehrt wird, was auswärtige Bäder demselben entziehen.“ Als der Regent über Mecklenburg-Schwerin keine zwei Wochen später am 21. September am Heiligen Damm von Bad Doberan höchst persönlich in die Fluten stieg, war das erste deutsche Seebad geboren. Schon die erste Saison 1794 führte 300 Gäste nach Heiligendamm.

Preußen ließ sich mit der Gründung seiner Ostseebäder jedoch Zeit. Erst 1824 eröffnete man am Südende der Insel Usedom in Swinemünde [Świnoujście], das erste Seebad in Pommern. Schon lange vorher waren unaufgefordert Badegäste gekommen. Im Jahr 1819 war ihre Zahl so groß, dass die Polizei Anordnungen hinsichtlich des Badens treffen musste.

Mit Unterstützung von König Friedrich Wilhelm III. begann die Entwicklung der Hafenstadt zum mondänen Badeort, um dessen Gäste nun aktiv geworben wurde. Heutigen Reiseführern durchaus vergleichbar, lieferte Richard Kind, Königlicher Kreis-Physikus und Bade-Arzt, schon in seinem 1828 erschienenen Buch „Das Seebad zu Swinemünde“ dazu alle nötigen Informationen. Auf 180 Seiten behandelte er die Geschichte von Ort und Seebad, Anreise, Unterkunft, Verpflegung, Bedienung, Anstalten der kalten und warmen Bäder, Vergnügungsorte und andere „Gegenstände, die für die Badegäste von Interesse sind“ sowie den „gesellige(n) Tone unter den Badegästen“.

1827 sollen laut Kind bereits 1200 (andere Quellen sprechen von 2200) Fremde dort gewesen sein, unter denen sich Personen der ersten Stände im Staate befunden hätten. Sogar preiswerte Unterkünfte gab es laut Kind genug: „Da die Mehrzahl der Einwohner von Swinemünde zur Aufnahme von Badegästen eingerichtet ist, so finden diese hierselbst sehr leicht und zu billigen Preisen eine passende Wohnung. ... zwei Zimmer mit Kammer, Küche, Speisekammer, Bedientenstube, Stallung u.s.w. (kosten) 40 bis 60 Reichstaler für die Badezeit.“

Treffpunkt von Kaiser und Zar

Im Jahr vor Beginn des Ersten Weltkrieg stieg die Gästezahl auf 40.247, und vor dem Zweiten Weltkrieg war Swinemünde hinter Kühlungsborn in Mecklenburg und Kolberg in Preußen das drittgrößte deutsche Ostseebad. Am 12. März 1945 machten US-Bomben Usedoms beliebtestes Seebad mit seinen prächtigen Hotels im Stil der Bäderarchitektur und der breiten Promenade zum Trümmerhaufen. Dabei fielen auch Tausende Flüchtlinge aus Ostpreußen, Danzig und Pommern dem Bombenhagel zum Opfer.

Nach 1849 hatte Preußen begonnen, Swinemünde zur Festung und zum Stützpunkt der Marine auszubauen. Wegen der engen Kontakte zwischen Berlin und St. Petersburg lagen im Hafen lange Jahre auch russische Kriegsschiffe ständig unter Dampf. Noch im Zweiten Weltkrieg war Swinemünde der größte Standort der Kriegsmarine an der Ostsee. Nach der deutschen Vereinigung 1990 wurden alle Militärstützpunkte auf Usedom aufgelöst und die Festung wurde zur Touristenattraktion.
In den Mittelpunkt des Weltinteresses rückte Swinemünde durch das Treffen am 4. August 1907 von Wilhelm II. mit dem russischen Zaren Nikolaus II., seinem Cousin. Kein Wunder, sollte es doch die politischen Verhältnisse in Europa auf Jahre hinaus ordnen und sichern. Nach Augenzeugenberichten wimmelte der ganze Strand von Swinemünde bis Bansin von Bewohnern und Urlaubern. Alle blickten gebannt auf die weiße Kaiserjacht „Hohenzollern“ und das schwarze Zarenschiff „Kronstadt“, die vor Swinemünde auf Reede lagen. Dabei soll der deutsche Kaiser die Uniform eines Kosakenoberst und der russische Zar die eines preußischen Dragoneroberst getragen haben. Mit der Kriegserklärung vom 1. August 1914 war alle gute Absicht sieben Jahre später Makulatur.

Besonderes Aufsehen erregten jedes Jahr die Besuche von Wilhelm II. zu den traditionellen Flottenmanövern am ersten Augustwochenende, den sogenannten Kaisertagen. Der Kaiser reiste gewöhnlich an Bord der Jacht „Hohenzollern“ an und blieb einige Tage. Zum Ritual wurden dabei seine regelmäßigen Besuche zum Nachmittagstee in Heringsdorf bei Elisabeth Staudt. Die Witwe des 1906 verstorbenen Konsuls Staudt züchtete unter anderem Pferde, die ausschließlich für den kaiserlichen Hof bestimmt waren.

Vor der 1873 erbauten Villa Staudt erinnert heute eine Büste von Kaiser Wilhelm I. an die Hohenzollern-Besuche auf Usedom. Als junger Prinz hatte Wilhelm I. (1797–1888) mit seinen Geschwistern und dem Vater, König Wilhelm III. von Preußen, das Fischerdorf 1820 zum ersten Mal bereist.

Auch Wilhelm II. (1859–1941) war schon als Kind auf Usedom. 1866 wohnte er zusammen mit seiner Mutter Kronprinzessin Viktoria (1840–1901), den Geschwistern Heinrich (1862–1929) und Viktoria (1866–1929) sowie dem Vater, dem späteren 99-Tage-Kaiser Friedrich III. (1831–1888), im Weißen Schloss.

Das „Nizza der Ostsee“

1817 hatte Bernhard von Bülow (1768–1854) – ein Vorfahr des Humoristen Vicco von Bülow (Loriot) – das Rittergut Gothen erworben, das sich bis zur Ostsee über den späteren Ort Heringsdorf erstreckte. Der Oberforstmeister lichtete einige Waldstellen und verkaufte sie an Büdner, die dann auch Fischerhütten errichteten und damit an der Küste eine Fischerkolonie gründeten.

Von Bülow erkannte auch schon Heringsdorfs Potenzial als Badeort. Auf dem Kulm, einem 34 Meter hohen Sandhügel, ließ er erstmalig Logierhäuser bauen, von denen sich das Weiße Schloss, ein schlichter Schinkel-Bau von 1825, erhalten hat. Kurz danach folgten eine Seebadeanstalt und ein Haus für warme Bäder. Auch die 1848 eingeweihte Kirche im Walde steht auf Grund, den von Bülow der Gemeinde überlassen hatte. Ein naher Gedenkstein erinnert an den „Gründer von Heringsdorf“ und Tourismus-Pionier.

Neben der Villa Staudt stand einst die Villa Delbrück. Heute durch exklusive Ferienwohnungen ersetzt, erinnert noch ein Gedenkstein an Hugo Delbrück (1825–1900). Mit seinem Bruder Adalbert, Bankier und Mitbegründer der Deutschen Bank, gründete er 1872 die „Aktiengesellschaft Seebad Heringsdorf“ und legte damit den Grundstein für Heringsdorfs Beinamen „Nizza der Ostsee“. Zusammen mit den Villen Oechsler und Oppenheim von 1883 und der Residenz Bleichröder von 1908 war Heringsdorf damals auf dem besten Weg, zum Seebad deutscher Bankiersfamilien zu werden.

Wohl nirgendwo an der Küste hat sich Preußens Aufschwung und Hochstimmung in der Kaiserzeit so augenfällig erhalten wie in den „durchsanierten“ Kaiserbädern Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin. Mindestens 600 unter Denkmalschutz stehende Prachtvillen und verspielte Sommerhäuser bilden hier das größte Ensemble an historischer Bäderarchitektur an Deutschlands Küste. Ihren Namen verdanken die Kaiserbäder den regelmäßigen Besuchen von Wilhelm II. Sein Lieblingsprojekt war das Kaiser-Wilhelm-Kinderheim in Ahlbeck, das er für Kinder ärmerer Familien 1913 aus seiner Privatschatulle finanzierte. Es dient noch immer demselben Zweck und steht unter Denkmalschutz.

In Swinemünde führte der Beitritt Polens zur EU 2004 und zum Schengener Abkommen 2007 zu umfassenden Erneuerungen. Dank EU-Fördermitteln sowie Einnahmen aus dem neuen Flüssiggas-Terminal und von Inhabern neuer exklusiver Hotels und Urlaubsappartements ist Swinemünde heute eine der reichsten Städte der Republik Polen und feiert als „viertes Kaiserbad“ sein Comeback. 2011 wurde Usedoms „Prachtboulevard“ von Bansin bis Swinemünde verlängert.Mit zwölf Kilometern ist er jetzt die längste Promenade Europas.

Seit 2018 überragt das Fünf-Sterne-Resort Radisson Blu mit seinen 15 Etagen die gesamte Usedomer Bucht und ihren breiten, feinsandigen, kilometerlangen Strand.

• www.usedom.de

Buchtipp: Jochen Stamm (Text)/Matthias Gründling (Fotos),
Usedom – die Entdeckung der Insel
Edition Braus, Berlin 2020, 172 Seiten, 19,95 Euro


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