26.04.2024

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Der satirische Wochenrückblick

Schmuddelecke der Nation

Wer und was so alles gekippt wird und jemand, der von allein kippen kann

Erik Lommatzsch
01.01.2022

Nein, eine so richtig gute Figur machte das deutsche Corona-Gesicht Nummer eins nicht. Da darf Karl Lauterbach, seit Kurzem als Bundesgesundheitsminister Nachfolger von Jens Spahn und im Gegensatz zu diesem gern als „Experte“ bezeichnet, nun endlich in der Bundespressekonferenz neben RKI-Chef Lothar Wieler sitzen. Und dann das: Beim Auftritt unmittelbar vor Weihnachten war zu beobachten, wie Lauterbach erst die Augen zufielen und dann der Kopf vornüberkippte. Der Herr Minister hatte sich zwar schnell wieder im Griff, aber die eine oder andere Frage bereitet uns schon Sorge. Sind wesentliche Entscheidungsträger überfordert? War schnöder Schlafmangel die einzige Ursache des Aussetzers? Ist Lauterbachs Wegkippen eine Art Omen für den künftigen Kurs? 

Allerdings hatten die um unser aller Wohlergehen besorgten großen Medien rücksichtsvollerweise darauf verzichtet, uns mit diesem doch etwas peinlichen Moment übermäßig zu behelligen und die Sequenz eher zurückgehalten. 

Auch anderweitig werden wir Medienkonsumenten geschont, etwa wenn es um die Vielzahl von Demonstrationen gegen die Corona-Politik geht, vor allem diejenigen, die nahezu täglich und in steigender Zahl in kleineren Städten und Ortschaften stattfinden. Möglicherweise würde eine Zusammenschau der Proteste verwirren und Anlass zu der Vermutung geben, dass ein doch nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung jenseits von „Rechtsextremen, Reichsbürgern und Corona-Leugnern“ der von oben eingeschlagenen Linie nicht mehr so ganz zu folgen vermag. 

Spannender sind ja vielmehr, neben Einzelmeldungen, Berichte über vermeintliche oder tatsächliche Verstöße gegen auferlegte Regelungen. Zu tun hat man es hier mit „einigen Irrgläubigen“, wie der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl uns dankenswerterweise erklärt. 

Diese hatten sich sogar am zweiten Weihnachtsfeiertag auf die Straße getraut. Bei einer Demonstration in Schweinfurt sah sich die Polizei bemüßigt, Pfefferspray einzusetzen. Somit ging zumindest ein Teil der Wünsche einer jungen Bundestagsabgeordneten der Grünen prompt in Erfüllung. Saskia Weishaupt hatte erst wenige Tage zuvor gefordert, dass man den ihr unliebsamen Bürgern „keinen Millimeter überlassen“ dürfe. Die Ordnungshüter müssten „im Zweifelsfall Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen“. Die Grünen fordern rigides Durchgreifen der Polizei – vieles hat sich verändert in unserem Land. 

Neue Herausforderungen, deutlichere Stellungnahmen. Das macht sich auch bei führenden Verbandsvertretern bemerkbar. Frank Ulrich Montgomery, nicht nur als Weltärztepräsident Spitzenfunktionär, hatte bereits von einer künftigen Corona-Variante gesprochen, die „so gefährlich wie Ebola“ sein könnte. Der eine oder andere, eher praktisch tätige Medizinerkollege hielt den Vergleich für schwierig, aber davon lässt sich ein Mann wie Montgomery nicht aufhalten. Im Gegenteil, er erschloss sich nun ein weiteres Feld: die Juristerei. Ein ihm eigenes Verständnis des Verfassungsgefüges der Bundesrepublik drängte ihn, Kritik am 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zu üben. 

Der Weltärztepräsident stieß sich daran, „dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten“. Beruhigend für Montgomery dürfte sein, dass seine Auffassung vom Amt des Richters auch andernorts geteilt wird. Dem 13. Senat wurde die Zuständigkeit „für den Infektionsschutz“ entzogen. Dass es sich hierbei keinesfalls um eine „Verschwörung“ handele und entsprechende Vermutungen vielmehr ein „gefundenes Fressen für Anhänger“ derartiger Theorien seien, ist etwa in der in Hannover erscheinenden „Neue Presse“ nachzulesen. Das Ganze sei „weit von einer politischen Intrige entfernt“. 

Wie man einen Spitzenforscher loswird 

Um der Verwirrung durch unsaubere Corona-Berichterstattung vorzubeugen, hat die Video-Plattform YouTube die Initiative ergriffen und den Kanal der „Achse des Guten“ gelöscht. Über 100.000 – jetzt ehemalige – Abonnenten müssen sich nicht weiter von abweichenden Ansichten belästigen lassen. Auch Stellungnahmen von Alexander Kekulé, einst Star-Virologe und einer der bekanntesten wissenschaftlichen Rückhalt-Geber für die Regierungsmaßnahmen, werden künftig kaum noch zu finden sein, zumindest nicht in den großen Medien. Die Universität Halle hat den Institutsdirektor vor die Tür gesetzt. 

Doch halt, hier ging es nicht um seine seit einiger Zeit vom offiziellen Corona-Kurs abweichenden Stellungnahmen. Nein, vielmehr habe Professor Kekulé seine vordringlichen Aufgaben – Forschung und Lehre – eklatant vernachlässigt, und zwar schon seit Jahren. Gut, dass das jetzt mal aufgefallen ist. Zum Glück ist Kekulé eine Ausnahme. Davon, dass Lehrstuhlinhaber ihren Studenten sowie der kleinteiligen Forschungsarbeit nur noch wenig Interesse entgegenbringen, hört man ja eher selten. 

Apropos Forschung: Öfter hingegen hat man in der Vergangenheit davon gehört, dass das Plagiieren einer Dissertation die Karriere relativ schnell beenden kann und der Verlust des zu Unrecht getragenen Doktortitels meist das geringste Problem ist. Aber auch hier weht ein neuer Wind in Deutschland. Irgendwann war die SPD-Frau Franziska Giffey zwar mal Ministerin und irgendwas war da mit einer Aberkennung, aber das ist weitgehend vergessen. Auf dem Weg an die Spitze der Hauptstadt war ihr die Angelegenheit nicht hinderlich, sie ist nun Regierende Bürgermeisterin von Berlin. Das kann man auch ohne akademischen Namenszusatz, Willy Brandt hatte sowas ja auch nicht. 

Dass fehlende Qualifikation sogar etwas ganz Sympathisches sein kann, ist im Fall der neuen Außenministerin Annalena Baerbock zu erfahren. Medialen Rückenwind gab es für ihr recht mäßiges Englisch. Das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ freute sich, dass die Grünen-Politikerin sich im Nachgang „scherzhaft und selbstironisch“ dazu geäußert habe. Zwar ging es bei der Kritik weniger um die Beherrschung von Fremdsprachen an sich, sondern eher um die Tatsache, dass man von einer – ausweislich ihres Lebenslaufs – international erfahrenen Frau, die unter anderem einen Masterabschluss einer Londoner Eliteuniversität vorzuweisen hat, hier möglicherweise etwas anderes erwartet hätte. Aber das muss nicht weiter stören. 

Auf das neue Jahr blickt so mancher sorgenvoll. Da ist es tröstlich zu wissen, dass uns Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident wahrscheinlich erhalten bleiben wird. In seiner Weihnachtsansprache sandte er wieder einmal eine klare direkt-indirekte Botschaft in die Schmuddelecke der Nation im Lande, indem er „aus vollem Herzen“ der „großen, oft stillen Mehrheit“, die „seit Monaten umsichtig“ handle, dankte. Schön, ein Staatsoberhaupt zu haben, das Gut und Böse so klar zu trennen weiß und souverän jeglicher Spaltung entgegenwirkt.


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Kommentare

Jan Kerzel am 04.01.22, 23:15 Uhr

Zum x-ten mal wird erwähnt, dass Frau Giffey ihren überflüssigen Doktortitel sang- und klanglos abgegeben hat. Dieses Ding hat heutzutage keine weitergehende Bedeutung, außer der Befriedigung einer gewissen Eitelkeit. Ausnahmen bestätigen die Regel. Für eine Hochschullaufbahn ist es natürlich angezeigt. Der Erkenntnisgewinn der meisten Doktorarbeiten geht gegen null. Was zählt in Politik , Wirtschaft und Staatsdienst ist praktizierte Kompetenz. Diese fachliche und politische Kompetenz ist bei Frau Giffey zweifelsohne vorhanden. Eine ähnliche Schimäre begegnet uns, wenn zur Bewertung einer Person auf den fehlenden Studienabschluss verwiesen wird. Studium und Abschluss sind zwei Paar Stiefel. Akademisierung und Kompetenz braucht per se keinen Abschluss. Der Abschluss ist zwar ein gewisser Hinweis, mehr aber auch nicht. Viele sind während des Studiums schon so in Action, dass für das formale Scheinsammeln einfach Lust und Zeit fehlen, es wäre oft auch kontraproduktiv. Teilweise vertiefen sie sich in nicht- prüfungsrelevante Gebiete und nehmen da vielmehr mit als jene, die den Pflichtkanon absitzen und dann eine kleine unwichtige Arbeit zusammenschreiben, die niemand lesen wird. Diese kleinbürgerliche und pseudoaufstiegsgeile Fehlbewertung des Formalen, hat zum heutigen niveaulosen Massenabitur geführt, denn jeder sollte ja sowas Schönes haben, er muss bloß ein bisschen mitspielen. Gottseidank hat man hier durch Aufwertung der beruflichen Bildung den Unfug etwas neutralisiert. Übrigens, dank der alten SPD. Was wir brauchen sind reale Kompetenzen, nicht das Ansammeln von Scheinen, Abschlüssen und sonstigen Urkunden. Und dann? Tapete? Wer ein Papierchen aus Zulassungsgründen braucht, wird es, wenn er kompetent ist, auch kriegen.

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