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Der Wochenrückblick

Schreien und zappeln

Was die Ampel fassungslos macht, und wieso uns manche Überraschung erspart bleiben könnte

Hans Heckel
25.11.2023

Der Schlag hat gesessen, Schrecken und Hilflosigkeit sind mit Händen zu greifen. Mit dem Urteil aus Karlsruhe hatten sie nicht gerechnet, bei „Hart aber fair“ verliert Kevin Kühnert völlig die Fassung und Katrin Göring-Eckardt steht bei „Anne Will“ ins Gesicht geschrieben, dass sie das Urteil zur Rechtswidrigkeit der Ampel-Finanztricks in eine Welt katapultiert hat, in der sie sich schlichtweg nicht zurechtfindet.

Es ist nämlich die Welt der Erwachsenen. Dort, wo man am Ende des Tages die Rechnung präsentiert bekommt für die Art, wie man mit dem Geld umgegangen ist. Und sich im Falle des völligen Versagens bestenfalls beim Schuldnerberater, schlimmerenfalls vor Gericht wiederfindet.

Die Welt der Ampel funktionierte hingegen eher so wie das süße Leben von verwöhnten Kindern reicher Eltern, die jederzeit damit rechnen, dass ihre Wünsche vom Familienvorstand bezahlt werden – schließlich „ist es ja nur Geld“, wie es Wirtschaftsminister Habeck mit Blick auf die Staatsfinanzen selbst formuliert hat.

Und die Wünsche schossen in Windeseile dermaßen in die Höhe, dass selbst ein alter Politikertrick nicht mehr funktionierte. Der besteht darin, den Leuten erst das Geld aus der Tasche zu ziehen, um ihnen danach einen deutlich kleineren Teil davon als „staatliche Hilfe“ oder „sozialen Ausgleich“ zurückzugeben – damit alle glücklich und dankbar auf ihre großzügigen, fürsorglichen Regierenden blicken. Nun aber waren die Wünsche so titanenhaft herangewachsen, dass Hunderte von Milliarden Extrageld hermussten, die man sich durch beispiellose und gesetzesbrecherische Mogeleien zusammen-„wummste“.

Alles gigantische Schulden, die das Land bald unter Wasser drücken würden, warnten Kritiker. Aber nein, hielt Habeck dagegen: Bloß eine „Brückenfinanzierung“, bis wir über die Subventionsbrücke hinweg das rettende Ufer der „klimaneutralen“ Wirtschaft mit wieder richtig günstigen und zuverlässigen Energiequellen wie Wind, Sonne und Wasserstoff erreicht hätten.

Dummerweise entpuppte sich die Brücke immer unübersehbarer als Seebrücke. Die unterscheidet sich von der Ufer-zu-Ufer-Brücke dadurch, dass sie an keine Gegenküste führt, sondern mitten im tosenden Wasser endet. Wobei das Wasser mit jedem Meter tiefer wird, den man auf der Seebrücke vorankommt.

Nun ist nicht der versprochene „Wumms“ eingetreten. Stattdessen ist die Seebrücke mit einem lauten „Rumms“ zusammengekracht. Jetzt werden alle nass, aber wäre sie später eingestürzt, wären wir alle in noch viel tieferes Wasser gefallen. Hat demnach auch sein Gutes, also der Zeitpunkt zumindest.

Wie es weitergegangen wäre, wenn die Brücke erst später unter der Last des Gesetzesbruches kollabiert wäre, hat uns dankenswerterweise Kanzler Scholz höchstselbst vorgeführt, damit wir es nicht vergessen: Fast zeitgleich mit dem explosiven Richterspruch aus Karlsruhe hat Scholz dem steinreichen Ölstaat Nigeria noch schnell vier Milliarden Euro für den Aufbau einer Wasserstoffproduktion versprochen – es ist ja nur Geld.

Jetzt zappeln sie im Wasser und schreien herum. Robert Habeck ist besonders wütend und zetert wie ein Mafiaboss, der nach seiner rechtskräftigen Verurteilung nicht etwa Reue und Einsicht zeigt, sondern rachsüchtig nach dem „Verräter“ fahndet, der ihn der Justiz ausgeliefert hat. Habeck ist schnell fündig geworden: Für die Mehrkosten bei Verbrauchern und den immensen Schaden für die Wirtschaft mögen sich die Betroffenen bei der Opposition „bedanken“.

Rasch die Regeln ändern?
Dass diese horrenden Mehrkosten und die zerstörerischen Belastungen nur durch die Ampelpolitik überhaupt entstanden sind, kommt in dieser Erzählung natürlich nicht vor. Welcher Angeklagte macht schon Angaben, die ihn selbst belasten. Aber so ist es nun einmal: Die Ampel hat, nach guter Vorbereitung durch die Merkel-Regierung (Atomausstieg 2011), das Energieangebot in Deutschland brutal heruntergeknüppelt. Zuletzt, indem sie selbst nach Ausbruch des Ukrainekrieges auf der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke bestand und das Wiederhochfahren von (noch) betriebsbereiten Meilern verbissen blockiert hat.

Verbunden mit mehr Auflagen und Bürokratie wurde Energie durch die gewollte Angebotsverknappung bestialisch teuer. Und nicht, weil die Regierung am Rechtsbruch gehindert wird. Nun sind wir wirklich gespannt, wie sich die Ampelleute da wieder rauswühlen wollen. Ihr erster Gedanke war bezeichnenderweise darauf gerichtet, die Gesetze zu ändern, um wie gehabt weitermachen zu können. Träumt nicht jeder Verkehrssünder davon, dass man die Straßenverkehrsordnung seinem Fahrstil anpasst, als dass er sich an die Regeln halten muss? Aber dazu müsste die Union mitspielen, wegen der notwendigen Zweidrittelmehrheit, die für eine Aufhebung der Schuldenbremse notwendig wäre, weil die ja im Grundgesetz steht. Die Schwarzen aber haben mit der Haushaltsklage ja gerade erst angefangen, als Opposition zu arbeiten, wie es ihre Aufgabe ist. Daher dürften die wohl nicht mitmachen.

Halbwegs kompetente Haushaltsexperten weisen jetzt darauf hin, dass man das Desaster lange hätte kommen sehen müssen, weil die Rechtswidrigkeit der Ampelwirtschaft doch klar ins Auge stach. Ja, hätte! Aber wer hinlänglich ideologiegesättigt ist, der sieht nur noch das Bild, das er sich von der Realität macht, während der die wahre Realität als finstere Erzählung böser Feinde verachtet.

Das gilt für viele andere Bereiche gleichermaßen: So war uns auch der Hinweis auf muslimischen Antisemitismus immer höchst verdächtig, derweil wir die Behauptung, es gebe sogar einen genuin linken Judenhass, als geradezu unmoralisch verworfen haben. Daher die große Überraschung angesichts von Linken, die plötzlich öffentlich gegen die Juden und Israel zu Felde ziehen.

Doch auch diese Überraschung hätten wir uns ersparen können. Michael Klonovsky weist in seinem Blog „Acta diurna“ auf eine Studie der Uni Bielefeld aus dem Jahre 2017 hin. Damals haben die Forscher Juden gefragt, die in Deutschland Opfer antisemitischer Übergriffe geworden waren, von wem diese Attacken ausgegangen seien.

Dabei sagten 81 Prozent aus, körperliche Angriffe aus antisemitischen Motiven seien von muslimischen Gruppen oder Einzelpersonen ausgegangen, 25 Prozent von Linksextremisten und 19 Prozent von Rechtsextremisten – also mehr von links- als von rechtsaußen. Vergleichen Sie diese Zahlen mal mit den medialen Darstellungen darüber, von welcher Ecke der Gesellschaft die größere Gefahr für Juden in Deutschland ausgehe.

Eigentlich hätte linker Antisemitismus längst einen Schwerpunkt der Debatte bilden müssen, nach dem muslimischen natürlich. Aber diesen Antisemitismus konnte man eben längst nicht so gut gebrauchen wie den von rechts. Ergo schlug das Bild die Realität, bis die Realität die Straße eroberte.


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