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Kultur

Schubert total

Das bedeutende Klassik-Festival La Folle Journée von Nantes trotzt der Pandemie mit Aufführungen der Werke Franz Schuberts

Stephanie Sieckmann
20.01.2022

Die diesjährige Auflage der Veranstaltung La Folle Journée im französischen Nantes stellt vom 26. bis zum 30. Januar mit großem Aufwand den Komponisten Franz Schubert in den musikalischen Mittelpunkt. Dabei trotzen die Organisatoren steigenden Corona-Fallzahlen.

Das Konzept von La Folle Journée („Der tolle Tag“) ist so ehrgeizig wie einzigartig. An fünf aufeinanderfolgenden Tagen werden von 12 Uhr mittags bis Mitternacht im Kongresszentrum von Nantes im Westen Frankreichs Konzerte gegeben. In diesem Jahr, bei der 28. Auflage, steht das Werk Schuberts auf dem Programm. Es ist bereits das dritte Mal, dass René Martin, Gründer und künstlerischer Leiter des Festivals, Schubert ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Nach „Schubert“ (1997) und „Schubert in all seinen Formen“ (2008) lautet die Überschrift 2022 „Schubert, der Wanderer“.

Der in Wien geborene und verstorbene Schubert verließ seine Heimatstadt und die nähere Umgebung nur selten. Zwar erteilte er den Kindern des Grafen Esterhazy Musikunterricht und reiste dafür mehrere Male nach Zelis ins Königreich Ungarn, doch als Wanderer im physischen Sinne des Wortes kann man ihn kaum bezeichnen. Der Titel „Schubert, der Wanderer“ ist vielmehr eine Anspielung auf das hervorstechende Motiv der Romantik: die Sehnsucht. In engem Kontext dazu steht das Motiv der Reise. In der Romantik ist dies vor allem der Wanderer, der zu Fuß und von der Sehnsucht getrieben die mystische Seite der Natur erlebt.

Der Wanderer in Nantes

Das Festivalplakat zeigt Schubert im Stil von Caspar David Friedrichs „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, von hinten gesehen vor der Kulisse beeindruckender schneebedeckter Gipfel. Poesie, Müßiggang, Fernweh – diese Elemente beherrschen die Kunst in der Zeit der Romantik. Einer der Wegbereiter dieser Epoche ist Ludwig van Beethoven, der 1827 ein Jahr vor Schubert verstarb.

Frédéric Chopin und Robert Schumann werden als Komponisten ebenfalls dieser Zeit zugeordnet. Novalis schreibt in dieser Zeit seine Werke. E.T.A. Hoffmann, Joseph von Eichendorff und Heinrich Heine halten mit der Feder ihre Gedanken auf Papier fest. Besonders poetische Gedichte sind für Schubert eine starke Quelle der Inspiration. Allein 80 Gedichte von Goethe vertont er zu Liedern. Mehr als 600 Lieder schreibt Schubert im Laufe seines kurzen Lebens.

Im Jahr 2021 wurde der ursprüngliche Termin der Konzerttage in Nantes von Ende Januar auf Mai verschoben. Gespielt wurden statt der zunächst geplanten 200 Aufführungen lediglich 24 Konzerte. Es war eine wegen Corona abgespeckte Notlösung, um nicht ganz auf das Musikfest zu verzichten. In diesem Jahr wird es wieder eine opulente Fülle an musikalischen Darbietungen geben. An den fünf Tagen der Veranstaltung werden mehr als 1000 Künstler rund 220 Konzerte geben. Auf den größten Saal im Kongresszentrum mit seinen etwa 1000 Sitzplätzen wird dabei jedoch bewusst aufgrund der Pandemie verzichtet.

Die große Anzahl von Konzerten ist für die Präsentation von Schubert wichtig, erlaubt sie es doch, einen großen Teil von Schuberts Werk zu präsentieren. Obwohl der deutsche Komponist im Jahr 1828 im Alter von gerade einmal 31 Jahren verstarb, brachte er mehr als 1000 Werke hervor.

Zu den diesjährigen Programmpunkten gehört die komplette Kammermusik von Schubert, insbesondere die Streichquartette. Ebenso wird das vollständige Werk der Klavierkompositionen für vier Hände präsentiert sowie ein Großteil der Chormusik. Darüber hinaus wird die 8. Sinfonie, genannt die Unvollendete, aufgeführt. Komponiert im Jahr 1822, ist dieses Werk in der ungewöhnlichen Tonart H-Moll verfasst.

So viel Schubert war selten

Des Weiteren gespielt wird die Sinfonie Nr. 5, ein Jugendwerk, das Schubert im Alter von 19 Jahren komponierte. Neben vielen Liedern werden Klaviertrios wie die bekannte Winterreise, die Messe in A-Dur, Notturnos, lyrische Stücke, zahlreiche Quartette und Oktette präsentiert. Und natürlich darf auch die Wanderer-Fantasie in C-Dur nicht fehlen.

„In dieser Form und Fülle, in dieser Kompaktheit, gibt es nur wenige Veranstaltungen, die Schubert so in den Mittelpunkt stellen“, so der Thüringer Bariton Matthias Vieweg. Der Sänger wird bei der Veranstaltung eine Premiere erleben: Er wird erstmals Schubert in Frankreich vortragen. Neben mehreren Solo-Darbietungen mit Kollegen ist er bei einigen der mehrstimmigen Männergesängen des Komponisten mit von der Partie.

Die Männerchöre gehören neben einigen weiteren der in Nantes vorgestellten Werken des Meisters zu dessen eher unbekannten, aber sehr berührenden und von Schubert-Kennern geschätzten Kompositionen. „Hier reiht sich Konzert an Konzert, manchmal überschneiden sie sich auch. Jeder Besucher kann von Konzert zu Konzert wandern und sich von der Musik berühren lassen“, begeistert sich Vieweg für das Konzept des Festivals, das inzwischen unter anderem in Bilbao und Tokio aufgegriffen wurde.

Vieweg war bereits einige Male in Nantes dabei und spricht aus Erfahrung. Sogar die Mitternachts-Konzerte sind gut besucht, und die Musik-Freunde sorgen auch zu später Stunde noch für eine beeindruckende Atmosphäre. Einige Einschnitte gibt es jedoch in diesem Jahr aufgrund von Corona: Die Cafeteria bleibt geschlossen. Auch die Aufführungen im Foyer drohen auszufallen.

Der intime Rahmen, die Annäherung, im vertrauten Kreise zu musizieren, „war für Schubert ein tiefes Bedürfnis, eine Notwendigkeit des Verstandes und des Herzens“, ist im Programm zu lesen. Die Aufführungen in den etwas kleineren Sälen und vor allem in kleinen Kongress-Räumen erwecken mit ihrem kleinen Rahmen die von Schubert geliebten regelmäßigen Treffen mit Freunden, Schubertiaden genannt, bei denen Schubert seine Stücke gerne vortrug, zu neuem, modernem Leben.

• Programm, Karten und Anfahrt unter: www.follejournee.fr (nur auf Englisch und Französisch)


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