18.01.2025

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Der Wochenrückblick

Schuss nach hinten

Wie die „Unwort“-Kür einen ganz neuen Zweck erfüllt, und was das mit der Zeitenwende zu tun hat

Hans Heckel
18.01.2025

Wahrscheinlich haben Sie es auf Seite 5 bei Vera Lengsfeld schon gelesen: Das neue „Unwort des Jahres“ ist da! Seit mehr als 30 Jahren markiert eine Jury Wörter als unsäglich, um sie aus unserem Sprachgebrauch zu verbannen und damit unsere Debattenkultur sauber zu halten.

Anfangs hat das auch ganz gut funktioniert: War eine Vokabel als „Unwort“ verdammt, mochte man sie kaum mehr in den Mund nehmen. Allerdings tropfte mit der Zeit die Erkenntnis durch, dass die ach so objektiv daherkommende Auswahl eine ziemlich heftige Schlagseite aufwies, nämlich eine stramm linke.

Seitdem erfüllt die „Unwort“-Kür eine andere, bei den Autoren der Auswahl gänzlich unerwünschte Funktion: Sie macht genau die Themen öffentlich sichtbar, welche die grünlinke Wokeria auf keinen Fall diskutiert sehen möchte – und über die alle anderen daher unbedingt reden sollten.

„Unwort“ Nummer 1 für das Jahr 2024 ist „biodeutsch“, was schon ein wenig verwundert vor dem Hintergrund der ideologischen Einfärbung der Jury. Denn eingeführt wurde der Begriff 1996 von der linken „taz“. Er war als spöttisches Etikett für die eingeborene Bevölkerung unseres Landes gedacht – gewissermaßen die Talkshow-taugliche Version von „Kartoffel“.

Aber irgendwann in der Zwischenzeit muss das Wort seinem Schöpfer-Biotop unheimlich geworden sein. So heißt es zur Begründung der Verdammnis nun, „biodeutsch“ sei 2024 im öffentlichen Gebrauch und in den sozialen Medien (die schon wieder!) verstärkt verwendet worden, „um Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer Abstammungskriterien einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren“, was laut der Jury schreckliche Folgen hat, denn: „Die mit dem Gebrauch von biodeutsch einhergehende Unterteilung in angeblich ,echte' Deutsche und in Deutsche zweiter Klasse ist eine Form von Alltagsrassismus.“

Zunächst stolpert man über die Anprangerung von „vermeintlich“ biologischen Abstammungskriterien. Dass ich der Sohn meiner Eltern bin, hat meinem bisherigen Bildungsstand zufolge schon etwas mit Biologie zu tun. Irre ich? Dann hätten wir ja schon einen heißen Kandidaten für das „Unwort“ des Jahres 2025: „biologisch“. Aber darum geht es hier nicht.

Die Frage lautet: Warum setzt eine linke Jury die Wortschöpfung ihres eigenen Lagers auf den Index? Vermutlich deshalb: Besonders seit der jüngsten Reform des Einbürgerungsrechts mit der Inflation von Doppelstaatlern hat sich der Durchschnittsgermane angewöhnt, die bloße Staatsbürgerschaft nicht mehr automatisch mit Volkszugehörigkeit gleichzusetzen. Fast jeder hat schon den Satz gehört: „Ich habe zwar den deutschen Pass, bin aber Türke“ (oder sonst was anders).

Manchen Zeitgenossen beschleicht nach solchen Aussprüchen das Gefühl, dass mit der derzeitigen Einbürgerungspraxis etwas nicht stimmt. Er flüchtet sich in die einst hämisch gemeinte Unterscheidung zwischen „Biodeutschen“ und anderen Leuten mit deutschem Pass, um das eigene Volk überhaupt noch erkennen zu können. Das dumme Gefühl hinsichtlich der Einbürgerungspraxis soll uns aber aberzogen werden, damit die Illusion von der Integration per bürokratischem Federstrich nicht auffliegt. Deshalb das „Unwort“-Verdikt.

Was wir nicht diskutieren sollen
Als „Unwort“ Nummer 2 ging „Heizungsverbot“ durchs Ziel, weil es laut den Juroren „klimaschützende Maßnahmen diskreditieren“ soll. Die Wahrheit lautet, um sie im Jargon von Klimaminister Habeck auf den Punkt zu bringen: Selbstverständlich verbietet Ihnen niemand das Heizen! Sie werden es sich nur nicht mehr leisten können, wenn wir mit der grünen Transformation erst fertig sind ... Es versteht sich von selbst, dass gewisse Kreise auch dieses Thema lieber nicht diskutiert sehen wollen, also ebenfalls „Unwort“.

In einem Sondervotum nahmen zwei Jury-Mitglieder noch ein drittes Wort aufs Korn, den „importierten Antisemitismus“. Der Begriff werde vor allem in rechten Kreisen benutzt, um Muslime und Migranten auszugrenzen und vom „eigenen Antisemitismus abzulenken“. Zur Erinnerung: Die Kür gilt dem Jahr 2024, dem Jahr nach dem Pogrom vom 7. Oktober 2023 in der Negev-Wüste und den abgründigen Kundgebungen des Israel- und Judenhasses auf deutschen Straßen durch ... ach ja, besser nicht sagen.

Nicht zu vergessen ist auch das Schweigen und Schwurbeln weiter Teile der linken Kultur-Schickeria, die sich sonst keine Gelegenheit entgehen lässt, wenn es gilt, den Hammer des Antisemitismusvorwurfs zu schwingen. Dass es dabei kaum um den Schutz von Juden ging und diese nur als Werkzeug im ideologischen Kampf dienten, wurde nach diesem 7. Oktober aufs Peinlichste offensichtlich. Nun wollen die Entlarvten ihre eigene Unehrlichkeit ebenso vergessen machen wie den importierten islamischen Antisemitismus, der so schlecht zu Multikulti passt.

Wie den Erfindern von „biodeutsch“ ist auch den Juroren des „Unworts“ die Herrschaft über die eigenen Begriffe schlichtweg entglitten. So geht es eben zu, wenn man in einer echten Zeitenwende lebt und nicht in einer, die ein schwacher Kanzler bloß herbeigefaselt hat: Alles scheint kopfzustehen und eben noch treffsichere Schüsse gehen zielgenau nach hinten los.

Da entstehen ganz neue Herausforderungen, denen einer wie Robert Habeck fintenreich zu begegnen trachtet. Er ist ein Virtuose darin, die Dinge auf den Kopf zu stellen, natürlich nur in seinem Sinne. Dieser Tage warnte der Vizekanzler vor einer „libertär-autoritären Ideologie“, die von „Tech-Milliardären“ wie Elon Musk zu uns herüberzuschwappen drohe. „Libertär-autoritär“ ist als Begriff so sinnig wie „ökologisch-umweltzerstörend“, also totaler Quatsch. Aber es klingt wahnsinnig analytisch und gibt dem Minister obendrein die Möglichkeit, die eigenen staatsautoritären Absichten als Akt des demokratischen Widerstands zu tarnen.

Auf seine eigene Wirkung und die Vergesslichkeit der Deutschen bauend wird Habeck mit den Begriffen dann aber doch ein bisschen leichtsinnig. Als Antwort auf die libertäre Bedrohung fordert er die „demokratische Einbindung von Märkten, ökonomischer Macht und technologischem Fortschritt“. Das klingt dann wieder dermaßen nach DDR-Staatswirtschaft, dass der rote Kern der grünen Melone jedem ins Auge stechen muss, dem die Floskelei des SED-Regimes noch in den Ohren dröhnt.

Es ist ja kein Zufall, dass die Ampel die deutsche Wirtschaft unter ein staatsbürokatisches Joch spannt, das den Betrieben die Luft zum Atmen abschnürt. Aber ausgerechnet Habeck fordert im Wahlkampf plötzlich „Erleichterung bei der Bürokratie“ für junge Unternehmen. Das dürfte im Gelächter des Publikums untergehen, denn sogar die dreisteste Propaganda stößt irgendwann an ihre Grenzen. Das kann, wie gesehen, selbst die „Unwort“-Jury nicht mehr verhindern.


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