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Sanktionsfolgen

Schwedt in der selbstgestellten Falle

Die brandenburgische Raffinerie kann nur noch mit Polens Hilfe versorgt werden. Warschau wittert Chancen

Hermann Müller
30.12.2022

Per Protokollnotiz haben die Bundesregierung und die Regierung Polens im vergangenen Mai erklärt, ab Anfang 2023 auf russisches Rohöl verzichten zu wollen, das bislang über die Druschba-Pipeline geliefert wird. Mittlerweile zeichnet sich ab: Mit der Entscheidung gegen das russische Öl macht sich Deutschland stark von Polen abhängig. 

Bis zum Ukrainekrieg deckte Deutschland gut ein Drittel seines Ölbedarfs über russische Lieferungen ab. Zwei Drittel davon flossen über die Druschba-Leitung in die PCK-Raffinerie in Schwedt und nach Leuna in Mitteldeutschland. Mit Blick auf Leuna erklärte Sven Schulze (CDU), Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, der Raffinerie-Standort sei gut auf ein Embargo gegen russisches Erdöl vorbereitet. Nach Angaben des Ministers hat der Leuna-Betreiber Total in den vergangenen Monaten erfolgreich daran gearbeitet, das Unternehmen unabhängiger aufzustellen. Demnach soll Öl aus anderen Ländern künftig vom Danziger Hafen aus nach Sachsen-Anhalt weitergeleitet werden. 

Zum Knackpunkt droht die künftige Versorgung der PCK-Raffinerie in Schwedt zu werden. Der Erdölverarbeiter sichert die Versorgung von Berlin, Brandenburg und weitere Regionen mit Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl. Wie Leuna wurden die riesigen Raffinerieanlagen in der Uckermark seit Jahrzehnten per Druschba-Leitung mit russischem Öl versorgt. Mitte Dezember erklärte Michael Kellner, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, PCK sei weitgehend ausgelastet und die Versorgung sei gesichert. Die Aussage von Robert Habecks Parteifreund sollte allerdings besser nur als Momentaufnahme aufgefasst werden. 

Künftig nur noch 70 Prozent 

Wie der Grünen-Politiker nämlich weiter erklärte, wird die Auslastung im Januar auf etwa 70 Prozent sinken. Und selbst dieser niedrige Auslastungsgrad hängt entscheidend von der Mitwirkung Polens ab. Die Kapazität einer kleineren, bereits bestehenden Ölleitung vom Rostocker Hafen kann die Versorgung von Schwedt nur gut zur Hälfte decken. Bis diese Pipeline ausgebaut ist, werden Jahre vergehen. Eine Aushilfe erhofft sich die Bundesregierung in dieser selbstgewählten Zwangslage daher von Polen mit dem Danziger Hafen. Nachdem die Verhandlungen mit Warschau lange gestockt haben, scheint Polen nun dazu bereit zu sein, bei der Versorgung von Schwedt mitzuwirken. 

Wie Kellner Mitte Dezember im Bundestag erklärte, sei er zu Gesprächen in Warschau gewesen: „Im Ergebnis haben wir jetzt die Zusage der polnischen Seite, ab Januar ausreichende Ölmengen zu liefern, die dem PCK eine komfortable Auslastung von rund 70 Prozent ermöglichen.“ Als Ziel gab der Staatssekretär aus, durch weitere Bezugsquellen die Auslastung der Raffinerie im Laufe des Jahres 2023 weiter zu steigern. 

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) zeigte sich überzeugt, die Versorgungslücke der Raffinerie mit Hilfe von Öllieferungen aus Kasachstan schließen zu können. Sollte tatsächlich Öl aus Kasachstan nach Schwedt fließen, würde es einen altbekannten Weg nehmen: über die Druschba-Pipeline. Bislang völlig unklar ist indes, ob angesichts der westlichen Sanktionspolitik der Kreml diese kasachischen Lieferungen über sein Gebiet tatsächlich akzeptieren würde. 

Greift polnische Orlen nach PCK? 

Die Pläne der Bundesregierung stehen nicht nur wegen der vagen Hoffnung auf Öl aus Kasachstan auf einer wackligen Basis. Ein beachtlicher Teil der deutschen Treibstoffversorgung wird ab Januar auch vom guten Willen der polnischen Regierung abhängen. Diese hatte erst im Oktober in der Form einer diplomatischen Note ganz offiziell Reparationsforderungen an Deutschland angemeldet. Mit der Versorgung von Schwedt über ihr Staatsgebiet bekommt Polens Führung nun auch noch eine starke Trumpfkarte gegenüber Berlin in die Hand. 

Schon jetzt mehren sich die Zeichen, dass der polnische Energiekonzern PKN Orlen als großer Gewinner aus der Entwicklung rund um die Schwedter Raffinerie hervorgehen könnte. Bereits im Mai hatte Polens Energieministerin Anna Moskwa (PiS) als Grundbedingung für eine polnische Kooperation benannt, dass sich die Raffinerie nicht mehr in russischem Eigentum befinden dürfe. Mittlerweile befindet sich der Betrieb in Treuhänderschaft des Bundes, faktisch ist der bisherige russische Eigentümer Rosneft damit zwar enteignet, doch noch nicht formell. Der polnische Rundfunk berichtete diesen Monat über eine gemeinsame Absichtserklärung der Bundesregierung und Polens Regierung, dem polnischen Energiekonzern PKN Orlen einen Einstieg in die Eigentümerstruktur der Raffinerie Schwedt zu ermöglichen.

 


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