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Die Kunstwelt in den neuen Bundesländern nimmt den 20. Todestag des Altmeisters der Leipziger Schule zum Anlass, sein imposantes Lebenswerk in fünf Sonderausstellungen zu präsentieren
Wenn die Besucher des Panorama- Museums in Bad Frankenhausen die letzten Treppenstufen zum „Bilddom der Superlative“ überwinden, verstummen fast automatisch alle Gespräche. Die Monumentalität des epochalen Panoramagemäldes mit 14 Metern Höhe und 123 Metern im Umfang erreicht buchstäblich jeden Betrachter. Diese „Sixtina des Nordens“ wurde zwischen 1976 und 1989 von Werner Tübke in Öl auf Leinwand geschaffen, macht die Umwälzungen durch Reformation und Bauernkrieg in Kirche und Gesellschaft sinnlich erlebbar und gehört mit über 3000 Einzelfiguren zu den größten Gemälden der jüngeren Kunstgeschichte. Das Monumentalgemälde verarbeitet in einer Wahlverwandtschaft zu Albrecht Dürer, Hieronymus Bosch, Pieter Brueghel und El Greco historisches Geschehen mit christlicher Ikonografie, spricht für sich und straft jene Kritiker Lügen, die Tübke als staatstragenden Maler der DDR abstempeln wollen. Es sichert ihm einen Platz in der internationalen Kunstgeschichte.
Nun nimmt die Kunstwelt in den neuen Bundesländern den 20. Todestag des Altmeisters der Leipziger Schule zum Anlass, um sein imposantes Lebenswerk zusätzlich zum Dauerangebot mit dem Monumentalgemälde im Panorama-Museum im Rahmen eines Tübke-Jahres in fünf Sonderausstellungen zu präsentieren. Bis zum 16. Juni sind im Leipziger Museum der Bildenden Künste die Italien-Ansichten des Meisters zu bewundern. Bis zum 28. Juli zeigt die Städtische Galerie ada in Meiningen 61 Lithografien, die parallel zum Panorama-Gemälde entstanden. Ab diesem Sonnabend bis zum 10. August sind in der Galerie Schwind im ehemaligen Wohnhaus von Tübke dessen interessante Strandbilder zu sehen. Ab dem 13. Juni bis zum 15. September zeigt das Theatermuseum Elisabethenburg in Meiningen als Premiere die Bühnenbilder und Kostümentwürfe, die der Künstler 1993 für die Bonner Opernaufführung des „Freischütz“ schuf. Zum Finale präsentiert das Panorama-Museum dann vom 13. Juli bis 3. November unter dem Titel „Anfang und Ende“ aus dem eigenen Bestand 82 Arbeiten aus der langen Schaffenszeit Tübkes, die mehrheitlich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt werden.
Exportschlager der DDR
Werner Tübke wurde am 30. Juli 1929 in der heute zum Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt gehörenden Stadt Schönebeck an der Elbe als Sohn bürgerlicher Eltern geboren. Er war ein verwöhntes Einzelkind. Schon früh offenbarte sich seine besondere zeichnerische Begabung. Nach einer Malerlehre und dem Besuch der Meisterschule nahm er in einer von Kriegstrümmern geprägten Zeit 1947 in Leipzig ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst auf. Anschließend studierte er in Greifswald Kunstgeschichte, Kunsterziehung und Psychologie.
Er begriff als junger Mensch mit der Erfahrung des Krieges die Nachkriegszeit als Chance für die Zukunft. Tübke wurde nach dreimaliger Ablehnung wegen seiner bürgerlichen Herkunft Mitglied der SED. In der Folge war er Mitarbeiter des Zentralhauses für Volkskunst, ehe er 1963 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst eine Lehrtätigkeit aufnahm und 1972 zum Professor und dann zum Rektor aufstieg.
Da hatte der gefragte Auftragskünstler, der aber immer seinen eigenen Stil durchsetzte, mit seiner Kunst bereits viel Lorbeer geerntet. Nach einem Italienaufenthalt 1971, dem weitere folgten, bekam er in Mailand als „ostdeutscher Maler“ seine erste Ausstellung in einem westlichen Land. Italien, das ihn inspirierte, wurde Ausgangs- und Bezugspunkt seiner beispielhaften Karriere in der DDR. 1974 entstand auf einer weiteren Reise „Erinnerung an Sizilien“, „eine in ihrer Magie nicht mehr zu steigernde Allegorie von prekärer, ambivalenter Schönheit“, um es mit den Worten des Panorama-Museums zu sagen.
Über Italien gelangte Tübke zum Manierismus. Er stellte auf der Documenta aus und spaltete die Kritiker in Ost und West. Großenteils war man fasziniert von seiner stupenden Virtuosität und Altmeisterlichkeit, seinem rigorosen Zugriff auf die Historie wie den Stil- und Motivfundus der Kunstgeschichte, dem Verschlüsseln seiner Bildsprache sowie seiner bewussten Abkehr von der jeweils gängigen Kunstnorm. Im Unterschied zu ihm dominierten im Westen die Anbeter der Moderne und im Osten die orthodoxen Parteisoldaten. Trotzdem oder gerade deshalb entwickelte sich Tübke, der den sozialistischen Realismus ablehnte, zum Exportschlager der DDR. Dazu kam dann der größte Staatsauftrag der DDR.
Projekt der Jahre 1976 bis 1987
Auf der Grundlage eines Politbürobeschlusses von 1973 schuf Tübke im neuen Panorama-Museum in Bad Frankenhausen sein Monumentalbild zum Bauernkrieg. Inmitten der endlosen Bilderfolge stürzt Ikarus wie ein gefallener Engel als Symbol der ikarischen Bauernerhebung auf Thomas Müntzer. Für die Entschlüsselung der vielen Bildsymbole erwartete der bibelfeste Malerfürst vom Besucher offenbar eine gewisse Bibelkundigkeit – oder aber einen erklärenden Audioguide, den das Museum inzwischen in einem Dutzend Sprachen anbietet. Für Tübke waren die Jahre der Arbeit am Bilddom „Jahre der Qual“ und der Erfüllung. Er schuftete wie ein Sklave, lebte wie ein Mönch und setzte zwischendurch gegen alle Widerstände seine manieristische Malauffassung durch. Am 14. September 1989, wenige Wochen vor der friedlichen Revolution, kam es zur Einweihung. Seitdem entwickelte sich das Werk zum Besuchermagneten. Nach 1989 lebte der Meister, der in den 90er Jahren noch den Fall der Berliner Mauer in seiner manieristischen Art ins Bild setzte und Altarbilder für Clausthal schuf, bis zu seinem Tod zurückgezogen in Leipzig.
Dort starb er vor 20 Jahren, am 27. Mai 2004. Seine letzte Ruhe fand der Künstler auf dem Leipziger Südfriedhof. Sein Lebenswerk stiftete er testamentarisch dem Germanischen Nationalmuseum. Tübke war dreimal verheiratet und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Seit 2006 widmet sich eine Tübke-Stiftung der Erbepflege. Mit seinem Panoramagemälde im Panorama-Museum schuf er sich sein eigenes Denkmal. Seine sonstigen Arbeiten befinden sich in vielen Museen in ganz Deutschland und im Ausland. Das reicht von Halle, Leipzig, Chemnitz, Berlin und Potsdam über Würzburg, Dresden, Köln und Wien bis St. Petersburg und Peking.
Sonderveranstaltungen im Tübke-Jahr: „Tübke und Italien“ im Museum der bildenden Künste Leipzig, Katharinenstraße 10, 04109 Leipzig, Telefon (0341) 216990, Fax (0341) 21699999, E-Mail: mdbk@leipzig.de. „Letzte Wahrnehmungen? Werner Tübke – Grafik“ in der Städtischen Galerie ada, Bernhardstraße 3, 98617 Meiningen. Sommerfest in der Galerie Schwind, Springerstraße 5, 04105 Leipzig, Telefon (0341) 2539880, E-Mail: galerieschwind@freenet.de. „Welttheater Wolfsschlucht. Werner Tübkes Bühnenarbeiten für den ,Freischütz'“ im Schloss Elisabethenburg und dem Theatermuseum Meiningen, Kulturstiftung Meininger Museen, Schlossplatz 1, 98617 Meiningen, Telefon (03693) 881010, E-Mail: kontakt@meiningermuseen.de. „Anfang und Ende“ im Panorama Museum, Am Schlachtberg 9, 06567 Bad Frankenhausen, Telefon (034671) 6190, Fax (0 34671) 62050, E-Mail: info@panorama-museum.de